Jehovas Zeugen in der Hitlerzeit: Zusammengefasst

Die 55 diesbezüglichen Auswahl-Dateien (in Teil I und II) sind auch einzeln aufrufbar; wer denn nur „kleine Häppchen" gemäß dem Boulevard-Zeitungs-Prinzip haben möchte.

Wer sie sich in „einem Rutsch" ansehen möchte, hat in dieser Datei die Möglichkeit dazu. (2 Dateien. Jeweils um 400 kb. Die entsprechende Umfangbedingte Ladezeit beachten).

Dies ist der Teil I

Anbiederung

Eine italienischsprachige Webseite http://www.triangoloviola.it/historik.html stellt die Frage:

Haben sich Jehovas Zeugen kurz nach der „Machtergreifung", ähnlich wie andere Kirchen, Hitler und den Nationalsozialisten „angebiedert"?
Drei sattsam bekannte "Kronzeugen" werden dazu zur Beantwortung herangezogen:

Detlef G., Gerhard B., Gabriele Y.. Schon diese Mixtur macht deutlich wie die Antwort ausfällt. Und so werden denn auch von den drei Genannten, entsprechende Veröffentlichungsauszüge, auch in Deutsch offeriert.

Was ist dazu zu sagen. Zum ersten. Es ist richtig, dass sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften, auf breiter Front, dem Naziregime anbiederten. Der Protestantismus mit seinen Deutschen Christen, die Katholiken mit ihrem Konkordat und der Aufhebung früherer Anathema über die Nazis. Auch bei etlichen kleineren Religionsgemeinschaften ist nachweisbar, dass ihnen die Angst im Nacken saß, mit daraus resultierenden Ergebnissen.

Immerhin muss auch B... einräumen, dass man die WTG-Veranstaltung vom 25. 6. 1933 als "angepaßte Erklärung und Tributleistung" bewerten kann und muss. Das die andernorts noch drastischere Formen angenommen hat, ist unbestritten.

Y...'s Behauptung, dass da "eine winzige christliche Splittergruppe auf der Trompete von Jericho" blies, ist indes als Wunschinterpretation zurückzuweisen. Geist und Tenor der 1933-er Erklärung und des dazugehörigen WTG-Begleitschreibens atmen durchaus den Geist des Kompromissangebotes. Man gibt vor, die bis dahin schon existenten regionalen Verbote lediglich als "Missverständnisse" und Ausdruck der religiösen Konkurrenz anzusehen. Folgt man der Diktion dieser WTG-Erklärungen, so haben die "teuflischen Konkurrenzreligionen", die Zeugen Jehovas unberechtigt, madig bei der neuen Naziregierung gemacht. Und dieses "Missverständnis" wolle man doch nur unterwürfigst klarstellen.

Man übernimmt auch die Nazi-Gummifloskel vom "positiven Christentum" und will den neuen Machthabern suggerieren, man selbst sei doch auch nur "positives Christentum". Genau das also, was die Nazis doch vorgaben zu "fördern". Hier redeten in der Tat beide Seiten mit gespaltenen Zungen. Ihre Vokabeln und wichtiger ihre praktische Auslegung, wich auf beiden Seiten erheblich von dem ab, was man glaubte öffentlich vorgaukeln zu können.

Gemessen an der harten Gangart der Zeugen Jehovas nach 1934, als verschmähter Liebhaber, muss man jedoch auch dies sagen. Man kann nicht Apfel mit Birnen vergleichen. Gemessen am praktischen Verhalten. Genau genommen schon ab der November"wahl" 1933 im Naziregime, stellen die Verlautbarungen vom Juni 33 einen nicht kongruenten Fremdkörper dar, der durchaus im Widerspruch zu der Gesamtlinie der Zeugen Jehovas ab 1934 stand. Wichtiger noch. Die Verlautbarungen vom Juni 33 wurden von Rutherford höchstpersönlich abgesegnet, dokumentiert auch durch ihren Abdruck im 1934-er Jahrbuch der Zeugen Jehovas. Rutherford und seine deutschen Satrapen wollten sich im Juni 33 tatsächlich den Nazis anbiedern.

Nur gehören zu einem solchen Unterfangen immer zwei notwendige Partner. Der Anbiederungswillige und der dieses Anliegen "Annehmende". Hier hatte sich Rutherford, mangels "göttlicher Leitung" in der Tat grundlegend verkalkuliert. Schon im Vorfeld hatte er die für die Nazis besonders unannehmbare WTG-Zionismusbegünstigung in den WTG-Büchern "Trost für die Juden" und "Leben" gekippt. Sie wurden durch "neues Licht" in den dreibändigem Opus "Rechtfertigung" ersetzt, in der jene jahrzehntelange Zionismusbegünstigung nunmehr als aus dem "Geist des Teufels" gespeist, dargestellt wurde.

Keiner der Nazikoryphäen hat sich vor 1933 wirklich ernsthaft mit den Bibelforschern/Zeugen Jehovas auseinandergesetzt. Den Ausnahmefall Alfred Rosenberg, wird man zudem hochgradige Oberflächlichkeit bescheinigen können. Und was den Nazipfarrer Julius Kuptsch und andere anbelangt, stand es da um sie auch nicht viel "besser". Wohl hatten sie sich schon in der Weimarer Republikzeit ein ablehnendes Urteil zu den Bibelforschern erarbeitet. Aber das vorgenannte Detail (Kippung der Zionismusbegünstigung) ist keinem von diesen Herrschaften bewusst geworden. Zudem drehten sich die Konflikte mit den Zeugen Jehovas nach 1933 auch nicht primär um "theologische" Fragen. Anstoß nahmen die Nazis besonders am "staatsbürgerlichen Verhalten" oder besser: Nichtstaatsbürgerlichem Verhalten der Zeugen Jehovas und reagierten in ihrer sattsam bekannten Art entsprechend darauf. Die 1933-Erklärung reflektiert diese eigentliche Konfliktlage in keiner Weise. Stattdessen reproduziert sie kräftigst Nebelvorhänge. Die Vokabel "anbiedern" beinhaltet doch im allgemeinem Sprachgebrauch, den Versuch zu unternehmen, sich als "harmlos" darzustellen, unter gleichzeitiger Verschweigung jener Tatbestände, die keineswegs "harmlos" sind. Genau diesem Kriterium entsprach die 1933-er WTG-Erklärung.

Der Versuch heutiger Apologeten, diesen unbequemen Tatbestand, wegzuerklären, erweist sich als durchsichtig und bedarf des Widerspruchs

Selbst der den Zeugen Jehovas wohlgesonnene und in aktiver Geschäftsbeziehung zu ihnen stehende Historiker Dr. Hubert Roser kam nicht umhin in vorsichtigen Formulierungen einzuräumen, man müsse die Haltung der gegenwärtigen Wachtturmgesellschaft zu diesem Aspekt ihrer Geschichte, weiterhin kritisch bewerten. So erklärte Roser beispielsweise auf einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas in Ludwigsburg am 17. 11. 2000; namentlich unter Bezugnahme auf das Video der Zeugen Jehovas "Standhaft trotz Verfolgung", dass sich die Berliner-Wilmersdorfer Veranstaltung vom 25. 6. 1933 "sich nahtlos in die Reihe jener einreiht, die zu Beginn der NS-Herrschaft an eine Koexistenz mit dem neuen Regime glaubten. Dieser Sachverhalt wird in dem Geschichtsvideo der Wachtturmgesellschaft 'Standhaft trotz Verfolgung' meines Erachtens nicht angemessen berücksichtigt und dies wie ich meine, ohne Grund.

Schamhaftes Verschweigen von Anpassungstendenzen gibt vielmehr Kritikern willkommene Argumente in die Hand."

Auch die am Stadtarchiv Bielefeld tätige Historikerin Monika Minninger verwendet in ihrer im Jahre 2001 mit Unterstützung der Zeugen Jehovas erschienenen Schrift ("Eine Bekennende 'Kirche' . Zur Verfolgung von Zeugen Jehovas in Ostwestfalen und Lippe 1933-1945") durchaus Vokabeln, die nicht mit der geschönten Darstellung der Zeugen Jehovas konform gehen. So schreibt sie etwa:

"Einen Tag nach dem Verbot der IBV in Preußen reagierte ihr Wilmersdorfer Kongreß mit einer Loyalitätserklärung, die eine gewisse Anpassungsbereitschaft durchblicken ließ - ebenso vergeblich wie im März 1933 die 'Anpassung der Vereinigung an die nationalen Verhältnisse in Deutschland durch Schaffung einer Süddeutschen- und einer Norddeutschen Bibelforschervereinigung."
Frau Minninger nannte eben auch noch ein Stichwort, dass im gleichem Zusammenhang mit der Beachtung verdient.

Zu letzterem Sachverhalt auch noch ein Zitat aus dem Buch "Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte:

Durch hektische Aktivitäten ist die deutsche Zeugenführung in diesen Tagen geprägt. Noch während die erste Beschlagnahmeaktion andauert, unternimmt Dollinger einen weiteren Schritt. Er schreibt am 26. April an Hitler, den er darum bittet, dass er eine Delegation der Bibelforscher empfangen möge. Als Delegationsleiter wurde neben Dollinger auch der schon genannte Justizrat Karl Kohl anvisiert. Unter den neun Herren, die da von Hitler empfangen zu werden wünschten, befanden sich ein Graf, ein Baron, ein Regierungssekretär, ein Polizei-Oberrat, ein Marineoberleutnant, ein Dr. phil. sowie die beiden Juristen Karl und Horst Kohl, nebst Syndikus Dollinger. [21]
Und was am bemerkenswerten ist. Dieses Schreiben wurde sogar von Hitlers Kanzlei beantwortet! Am 30. Mai bekam Dollinger von dort die Antwort:

„Auf das Schreiben vom 26. April d. Js.
Im Auftrage des Herrn Reichskanzlers beehre ich mich, den Empfang Ihres gefl. eben bezeichneten Schreibens und des beigefügten Memorandums, betreffend Internationale Bibelforscher-Vereinigung, ergebenst zu bestätigen. Von dem Inhalt ist hier eingehend Kenntnis genommen worden. Leider ist es dem Herrn Reichskanzler infolge Überlastung mit vordringlichen Amtsgeschäften nicht möglich, eine Deputation der Deutschen Bibelforschervereinigung zu empfangen."

Diese doch relativ konziliant gehaltenen Zeilen hinterließen bei der deutschen Zeugenleitung offensichtlich den Eindruck, dass noch „nicht alles verloren" zu sein braucht. So mag es nun angebracht sein, auf den Inhalt des beigefügten Memorandums etwas näher einzugehen. Schon die Absenderangabe lässt aufhorchen. Als Absender werden genannt, die Norddeutsche Bibelforschervereinigung e. V. Sitz Hamburg und die Süddeutsche Bibelforschervereinigung e. V. Sitz Stuttgart. Wenn man sich die bis Mitte 1933 in Deutschland erscheinende Zeugenliteratur ansieht, dann findet man nirgends auch nur eine Zeile oder einen Hinweis auf obige Neugründungen. Sie wurden also in allergrößter Eile aus dem Boden gestampft. [22]
Dollinger geht in dem Schreiben an Hitler auch auf die organisatorischen Veränderungen ein:

„Inzwischen und auf Grund der veränderten politischen Verhältnisse hat eine Anpassung der Vereinigung an die nationalen Verhältnisse in Deutschland stattgefunden. Die bestehenden Bibelforschergruppen Deutschlands sind in zwei neuen Vereinigungen zusammengefasst in denen nur deutsche Staatsbürger Mitgliedschaft und Führung haben." [23]
Wichtig erscheint Dollinger auch die „Richtigstellung": „Das Wort 'International' hat nur geographische aber nicht politische Bedeutung." [24]
Auch meinte Dollinger betonen zu sollen: „Die Tätigkeit der Vereinigung wirkt daher doch auch nur in absolut derselben Richtung, wie sie von der verehrlichen Reichsregierung als Kulturziel für deutsches Land und Volk aufgestellt wurde." [25]

In der Sache ging es um die bereits ausgesprochenen Verbote. Man gab vor die Gründe für die Verbote in Bayern und Sachsen nicht zu kennen und auch nicht mitgeteilt bekommen zu haben. [26] Da der Vorwurf angeblicher kommunistischer Betätigung in der Luft lag, wurde in dem Memorandum dazu ausgeführt:
„Russland ist (außer nunmehr Bayern) das einzige Land der Erde, dass bisher systematisch sowohl den Evangelisten der Bibelforschervereinigung als auch der Literatur derselben den Grenzübertritt verwehrt hat. Diese Tatsachen in Verbindung mit der in der kommunistischen Presse Deutschlands seit Jahren geführten Polemik und Lächerlichmachung gegen die Bibelforscher beweist sehr deutlich die Unmöglichkeit eines Zusammenhanges der Bibelforschervereinigung mit dem Kommunismus." [27]
Natürlich habe man sich auch eigene Gedanken über die bereits ausgesprochenen Verbote gemacht und erläutert dazu: „Wir sind in Erwägung darüber, dass höchstens - seit Jahren wirksame unduldsame klerikale Einflüsse an diesem Verbot mitgewirkt haben können. Wir halten es für unmöglich, dass nationale oder politische Momente eine Rolle spielten dabei, weil wir uns von jeher unpolitisch erwiesen haben, aber außerdem noch den Marxismus aller Schattierungen als ungöttlich erklärten und absolut ablehnten, wie wir es auch heute noch tun." [28]

... daß Fanatismus immer potentiell gewalttätig ist

Zu den von der einschlägigen Historikerzunft um Detlef G. und Nachfolger, weitgehend totgeschwiegenen Studien über Jehovas Zeugen in der NS-Zeit, gehört auch die im Jahre 1985 erschienene Studie von Sylvia Wille in einem von Heuzeroth herausgegebenen Band.

Gerade mal, dass in den Bibliographien der vorgenannten, teilweise mit Ach und Krach diese Studie noch erwähnt wird. Indes inhaltlich wird sie ignoriert. Warum? Nun Frau Wille hat sich was den wertenden Teil ihrer Studie anbelangt, weitgehend an die bahnbrechende Studie von Michael Kater angelehnt, und dieser wiederum auf Zipfel aufbauend.

Mit beiden können die G. und Co nichts sonderliches anfangen, dieweil diese (Zipfel, Kater, Wille) eben nicht das Gloria-Loblied der WTG sangen, sondern auch kritische Rückfragen stellten.

Sehr wohl wird in der Studie von Frau Wille auch das Leid der Zeugen Jehovas in der NS-Zeit; sowohl im grundsätzlichen, wie auch auf regional bezogener Ebene detailliert dargestellt. Was sie jedoch von dem späteren G. und Nachfolgern unterscheidet, ist der wertende Bereich. Es mag daher angebracht sein, einige der wertende Urteile durchaus auch hier einmal etwas näher vorzustellen.

Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen zählten die Zeugen Jehovas fast 20.000 Mitglieder in Deutschland. ...

Auf einem Kongreß, den die Zeugen Jehovas am 25. Juni 1933 in Berlin noch durchführen konnten, versuchte man zwar, die unheilvolle Entwicklung zu stoppen: Die Zeugen Jehovas schickten eine Ergebenheitsadresse an alle führenden Repräsentanten der neuen Regierung: Von "Greuelpropaganda" amerikanischer "Geschäftsjuden" war die Rede, die Deutschlands Regierung verleumden würden, mit der man sich "bezüglich der rein religiösen und unpolitischen Ziele in völliger Übereinstimmung" befände. Dennoch hat diese Resolution den Zeugen Jehovas nichts genutzt. ...

Die Zeugen Jehovas reagierten auf dieses Verbot folgendermaßen: In einem Aufhebungsantrag, den sie von einem Münchner Rechtsanwalt formulieren ließen, betonten sie mit Nachdruck, sie hätten niemals Beziehungen zur SPD oder KPD unterhalten, niemals Geldmittel von jüdischen Hintermännern bezogen und sich auch nicht im geringsten in abfälliger Weise über das Dritte Reich oder die Regierung Hitler geäußert. Vielmehr sei es ihr Bestreben, den nationalsozialistischen Staat auf christlicher Grundlage zu fördern. Die deutschen Mitglieder der Zeugen Jehovas ständen der Naziregierung freundlich gegenüber und seien bereit, alles zu tun, um dem Wunsch der Regierung zu entsprechen.

Diesem Antrag wurde jedoch nicht stattgegeben. Am 15. Juli 1933 teilte das Oberverwaltungsgericht Bremen in einem abschlägigen Bescheid mit, daß hier ein Verwaltungsstreitverfahren nicht möglich sei. ...

Dank einer Intervention der amerikanischen Regierung jedoch erhielt die Gesellschaft der Zeugen Jehovas am 7. Oktober 1933 ihr Gebäude in Magdeburg sowie ihr Vermögen wieder zurück; sie hatten nämlich geschickterweise beides als "amerikanisches Eigentum" deklariert. Im Freigabebescheid heißt es, das Besitztum der Gesellschaft stehe dieser wieder zur freien Verfügung, es sei jedoch weiterhin verboten, irgendwelche Tätigkeiten auszuüben, Literatur zu drucken oder Zusammenkünfte abzuhalten. ... Aus Anlaß der Verfolgung ihrer deutschen Glaubensgenossen kamen im Oktober 1934 weltweit Zeugen Jehovas in ihren jeweiligen Ländern zu einem solidarischen internationalen Gebetstreffen zusammen. Sie sandten eine Resolution per Telegramm an die Reichsregierung in Berlin ... Allein in Hamburg wurden einen Tag später 142 Zeugen Jehovas verhaftet ... Ihrer religiösen Überzeugung gemäß legten die Zeugen Jehovas vor Gericht keinen Eid ab, sagten allerdings stets die Wahrheit, womit sie nicht selten ihrer eigenen Untergrundarbeit schweren Schaden zufügten. ...

Am 28. August 1936 holte die Gestapo zu ihrem größten Schlag gegen die Zeugen Jehovas aus. Man hatte im ganzen Reichsgebiet den gesamten Polizeiapparat in Bewegung gesetzt, um möglichst vieler Gruppen und Mitglieder habhaft zu werden. Vor allem im Leipziger Raum, aber auch in allen anderen Regionen des Reichsgebietes wurden Tausende von Personen verhaftet, verhört, in Schutzhaft genommen, zu Gefängnis, Zuchthaus oder Geldbußen verurteilt bzw. In Konzentrationslager eingewiesen. Maßgeblich verantwortlich für den Erfolg dieser Großaktion war die ein Jahr zuvor gebildete Sonderkommission der Gestapo, die in der Zwischenzeit emsig Informationen über die Zeugen Jehovas gesammelt hatte. ...

Im Zuge der sich verschärfenden Kriegslage wurden zunehmend mehr Zeugen Jehovas wegen Kriegsdienstverweigerung zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Ab 1944 kam es zu einer bemerkenswerten Veränderung der Politik der Nationalsozialisten gegenüber den Zeugen Jehovas, die in Konzentrationslagern saßen. Da die Zeugen Jehovas - wie weiter unten noch ausführlich dargestellt werden soll - zu den "diszipliniertesten" KZ-Häftlingen zählten, wurden sie nun auf persönliche Weisung Himmlers auch bei Arbeiten außerhalb der Konzentrationslager eingesetzt....

Anfang 1944 änderten die Nationalsozialisten ihr Verhalten den Zeugen Jehovas in den Konzentrationslagern gegenüber wesentlich. Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler, dem sämtliche Konzentrationslager unterstanden, hatte sich persönlich dafür ausgesprochen; und das kam so.

Himmlers schwedischer Leibarzt und Masseur Kersten hatte Mitleid mit den Juden und Zeugen Jehovas. Er versuchte daher während der Massagen, die er Himmler verabreichte, für die Zeugen Jehovas günstigere Haftbedingungen zu erwirken. So schlug er vor, Zeugen Jehovas als Arbeitskräfte außerhalb der Konzentrationslager einzusetzen. Es böte sich wegen ihrer Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit geradezu an, sie ohne Bewachung auf den Höfen und in den Haushalten der NS-Führer arbeiten zu lassen. Außerdem könne man die Frauen in die "Lebensborn"-Einrichtungen vermitteln - dort wurden Kinder aufgezogen, die von SS-Männern zur Hervorbringung einer arischen "Herrenrasse" gezeugt worden waren - wo sie in den Küchen und bei der übrigen Hausverwaltung mitarbeiten könnten. Himmler griff tatsächlich diese Gedankengänge auf und setzte sie in die Tat um. Er beobachtete eine Zeitlang das Verhalten der Zeugen Jehovas auf Arbeitsstellen außerhalb der Konzentrationslager. Seit 1942 wurden nämlich inhaftierte Zeugen Jehovas überwiegend für handwerkliche Arbeiten in Bautrupps, für Renovierungs- und Aufräumarbeiten in Werkstätten sowie für Hausmeisterstellen und Lagerverwaltungstätigkeiten auch außerhalb des KZs eingesetzt - im Zuge des totalen Krieges mußten alle verfügbaren Kräfte mobilisiert werden. Himmler schrieb darauf in einem als geheim deklarierten Brief an die obersten SS-Führer u. a. folgendes über die Zeugen Jehovas:

"Es sind unerhört fanatische, opferbereite und willige Menschen. Könnte man ihren Fanatismus nur für Deutschland einsetzen (...)

Natürlich ist die Lehre dadurch, daß sie den Krieg ablehnt, derart schädlich, daß wir sie nicht zulassen können (...)

Strafen aber erzielen bei ihnen gar nichts, da sie von jeder Strafe mit Begeisterung erzählen (...) Jede Strafe ist für sie ein Verdienst im Jenseits. Deshalb wird sich jeder ernste Bibelforscher ohne weiteres hinrichten lassen und ohne weiteres sterben. Jeder Dunkelarrest, jeder Hunger, jedes Frieren ist ein Verdienst, jede Strafe, jeder Schlag ist ein Vorzug bei Jehova.

Sollten in den Lagern wieder Schwierigkeiten auftreten mit den ernsten Bibelforschern, so verbiete ich, daß der Lagerkommandant eine Strafe ausspricht. Ich beabsichtige, in einem solchen Fall im Zukunft das Gegenteil zu machen und der betreffenden Person zu sagen: Ich verbiete, daß Sie jetzt arbeiten! Sie sollen ein besseres Essen haben als die anderen und brauchen nichts zu tun!

Jehova wird seinen Diener dafür bestrafen und ihm frühere Verdienste abziehen (...)

Nun zu dem Vorschlag: Ich ersuche, den Einsatz der Bibelforscher und Bibelforscherinnen in die Richtung zu lenken, daß sie alle in Arbeiten kommen - in der Landwirtschaft zum Beispiel - bei denen sie mit Krieg und allen ihren Tollpunkten nichts zu tun haben. Hierbei kann man sie bei richtigem Einsatz ohne Aufsicht lassen. Sie werden nie weglaufen. Man kann ihnen selbstständige Aufträge geben, sie werden die besten Verwalter und Arbeiter sein (...)

Auch mit sonstigen Vorschlägen, wie Abstellung einzelner Bibelforscherinnen in kinderreiche Haushalte, bin ich sehr einverstanden. Geeignete Bibelforscherinnen, die das Können dafür haben, bitte ich einzeln herauszusuchen und mir zu melden. Ich werde sie auf entsprechende Haushalte kinderreicher Familien persönlich verteilen. In solchem Haushalt dürfen sie dann allerdings keine Sträflingskleider tragen, sondern einen anderen Anzug (...)

Bei all diesen für solche Aufgaben abgestellten Halbfreigelassenen wollen wir schriftliches Absolvieren oder sonstige Unterschriften vermeiden und lediglich die Verpflichtung auf Handschlag vornehmen."

Kurze Zeit später wurde bereits ein beachtlicher Teil von Frauen der Zeugen Jehovas in SS-Haushalten, auf Bauernhöfen und in Gärtnereien sowie in Heimen des "Lebensborn" eingesetzt. Die Zeugen Jehovas wußten ihre neue verbesserte Situation für sich zu nutzen. Mit Hilfe der neu gewonnenen Außenkontakte gelang es ihnen, wieder verstärkt religiöse Schriften in die Konzentrationslager einzuschleusen. Im KZ Wewelsburg gingen diese Aktivitäten soweit, daß man auf einer Schreibmaschine Matrizen schrieb und mit Hilfe eines im Lager zusammengebauten primitiven Vervielfältigungsappartes Exemplare des "Wachtturm" herstellte, die im norddeutschen Raum verteilt wurden. Es gelang der Gestapo erst relativ spät, dieses weitverzweigte Netz von Untergrundaktivitäten aufzuspüren und zu zerstören. ...

Die Zeugen Jehovas sind von den Nationalsozialisten brutal verfolgt worden, viele von ihnen mußten das zähe Festhalten an ihrem Glauben mit dem Leben bezahlen. Ihr Widerstand gegen die Nationalsozialisten manifestierte sich nicht nur in der Fortsetzung ihrer religiösen Aktivitäten, er zeigte sich vor allem auch in der konsequenten Verweigerung aller direkten und indirekten Maßnahmen, die den Krieg Hitlers unterstützten.

Dennoch sollen an dieser Stelle auch einige kritische Anmerkungen zum Verhalten der Zeugen Jehovas nicht unterschlagen werden. So muß es beispielsweise nachdenklich stimmen, wenn ein Mann wie Heinrich Himmler den Fanatismus und die Opferbereitschaft der Zeugen Jehovas ausdrücklich bewundert und dann sehnsüchtig feststellt:

"Könnte man ihren Fanatismus für Deutschland einspannen oder insgesamt für die Nation im Kriege einen derartigen Fantatismus im Volke erzeugen, so wären wir noch stärker als wir heute sind!"

Und in der Tat, es gibt bedenkliche Gemeinsamkeiten zwischen Nationalsozialisten und Zeugen Jehovas, die hier erwähnt werden müssen: Beide Organisationen sind streng hierarchisch nach dem Führerprinzip aufgebaut und verlangen von ihren Mitgliedern absoluten Gehorsam, wobei sie weder Widerspruch noch wirkliche Freiheit des Denkens dulden. Wer bei den Zeugen Jehovas Meinungen äußert, die auch nur einen Hauch von der offiziellen Lehrmeinung abweichen, gilt als von Satan inspiriert. Dem Rassenwahn der Nationalsozialisten und ihrer Einschätzung, Repräsentant der Herrenrasse zu sein, steht auf Seiten der Zeugen Jehovas der Glaube an eine besondere Auserwähltheit gegenüber: den Ausdruck "Gottes Volk" reservieren sie nur für ihre eigene Glaubensgemeinschaft, während alle anderen Konfessionen als Satanswerk gelten. Die Nationalsozialisten sprachen von der Endlösung der Judenfrage, während für die Zeugen Jehovas der Endkampf zwischen Gut und Böse unmittelbar bevorsteht. Nach dieser Schlacht von Harmagedon wird Jesus als "größter Feldherr aller Zeiten" ein "tausendjähriges Reich" errichten. Die Verwendung von Redewendungen, die auch fester Bestandteil der Nazipropaganda waren, ist erschreckend.

Weitere Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten ergeben sich bei den Zeugen Jehovas auch in der Frage der Wehrdienstverweigerung. ... Daß die Schweizer "Wachtturm"-Führung im Jahre 1943 ihre Mitglieder dazu aufgerufen hatte, ihre militärischen Pflichten zu erfüllen und dem Staat keine Schwierigkeiten auf diesem Gebiet zu machen.

Eine unglaubliche Feststellung, wenn man bedenkt, daß zum gleichen Zeitpunkt in Deutschland ihre Mitbrüder eine totale Verweigerung all dessen, was mit Krieg zu tun hatte, vollzogen und sich am Ende hinrichten ließen. ...

Und noch etwas verschweigen die Zeugen Jehovas heute: Zwei Männer wurden nach dem Kriege Führer der deutschen Wachtturm-Gesellschaft, die während der Naziherrschaft ihre Glaubensbrüder an die Gestapo verraten hatten:

Erich Frost gab 1937 bei einem Verhör die Namen der Bezirksleiter preis. Konrad Franke nannte den Namen des Mannes, der die Kontakte zwischen den illegal arbeitenden Gruppen herstellte. Nach Konrad Frankes Tod 1983 würdigte der "Wachtturm" ihn als Mann, der "unter den Verfolgungen des Hitlerregimes ausharrte". Selbst, wenn man bedenkt, unter welchem Druck die beiden Männer damals standen, muten solche Ehrungen heute etwas verfehlt an.

Selbstverständlich muß festgehalten werden, daß die Zeugen Jehovas keine Menschen in Konzentrationslager gesteckt und ermordet haben, sich nicht am Krieg beteiligten und nie personale Gewalt ausgeübt haben. Dies darf jedoch nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, daß Fanatismus immer potentiell gewalttätig ist; Berichte von ehemaligen Zeugen Jehovas über die zum Teil massive psychische Unterdrückung innerhalb dieser Sekte sprechen hier eine deutliche Sprache.

Alfred Rosenberg über Rutherford's Auftritt im Zirkus Krone

Als Rutherford auf seiner 1922-er Europa-Tournee auch in München Station machte, um in einer spektakulär vorangekündigten Veranstaltung im Zirkus Krone aufzutreten; bekam er dortselbst "hohen Besuch". Führende Nazifunktionäre fühlten sich bemüßigt, sich diese Veranstaltung einmal selbst persönlich anzusehen. Einer von ihnen, Alfred Rosenberg, der es später noch zum Minister in der Naziregierung brachte und vielleicht noch wichtiger, von Hitler zum "Beauftragten für die gesamte weltanschauliche Schulung" ernannt wurde, hatte am 31. 5. 1922 in seiner Hauspostille namens "Völkischer Beobachter" darüber Bericht erstattet. Die Rutherford-Veranstaltung fand am 29. 5. 1922 statt. Bereits am 27. 5. 1922 hatte der damalige Chefredakteur des "Völkischen Beobachters", Dietrich Eckart, einen Vorabkommentar dazu veröffentlicht, der nachstehend einmal auszugsweise zitiert werden soll:

"Volksverseuchung.

Die 'Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher' ist schon seit einer ganzen Weile in den Hinterhöfen namentlich unserer Großstädte still und geschäftig am Werk und 'bekehrt' dort unter Darbietung aller möglichen Geschenke mit Vorliebe Kommunisten. … Mit dem unermesslichen Geld, über das sie stets, wohl aus besonderer Gnade des Himmels verfügt, schuf sie die 'Wachtturm Bibel und Traktatgesellschaft' …

Die neue Heilslehre verkündet … Wir sind heute in das '1000-jährige Reich' oder 'Millenium' oder die 'Heilszeit' eingetreten. Die gesamte Bibel ist nichts anderes, als eine Weissagung auf diese Zeit. 'Alle Dinge, welche durch Adams Fall und seine Folgen verloren gingen, sollen so wieder hergestellt werden, wie sie ehemals waren' ('Zeit der Wiederherstellung'). Die zwölf Stämme Israels bilden die 'auserwählte Nation', welche den Besitz Kanaans und die Weltherrschaft zugesichert wurde. Diese Verheißung soll jetzt, nachdem das christliche Zeitalter vollendet ist, dem fleischlichen Israel (also nicht im geistigen oder biblischen Sinn gemeint! erfüllt werden (Schriftstudien 1914, Bd. I S. 83 u. 375). In diesen Plan der 'Heilszeitordnungen' werden nun die Lehren über Staat, Kirche, Menschheit usw. nach den Auslegungen des Alten Testaments, der Apokryphen und der Offenbarung Johannis eingefügt. Das in der Bibel genannte verderbte Babel ist die völlig verdorbene Christenheit. Auf sie allein beziehen sich all die verwerflichen Namen: Edom, Ariel (böser Geist) u. ä.

Die katholische Kirche ist nach der Bibelforscherlehre des Satans Hauptvertreter auf Erden (VII, 365) und wird die 'Mutter der Huren' oder die 'große Hure' und die protestantischen Kirchen die Töchter der großen Hure genannt. 'Der Protestantismus soll von der ganzen Welt verachtet und verspottet werden!' (VII, 419). 'Die Christenheit soll durch Krieg, Revolution, Anarchie, Hunger, Pestillenz (Luk. 21, 26) von einem Ende bis zum andern zur Einöde gemacht, in eine Wüstenei verwandelt werden, die den Hohn und Spott der Heiden herausfordern und ein Anlass zum Entsetzen und eine Quelle warnender Belehrung für die heidnischen Nationen sein wird (VII, 359). 'Die Anarchisten werden buchstäblich Kirchenglieder zu Millionen töten' (VII, 420). 'Es wird keine Möglichkeit geben, der Vernichtung zu entrinnen. Die Drangsal ist der Tatsache zuzuschreiben, dass der Tag Christi, das Millenium anbricht. Es ist der Tag der Rache, der mit dem Weltkrieg 1914 begonnen und 1918 wie ein rasender Morgenstern hervorbrechen wird.'

Es wird ein Kampf sein zwischen den Menschen und Klassen, dergleichen noch nie gewesen ist. Alle politischen, sozialen, finanziellen und religiösen Systeme werden zusammenstürzen. Diese des Menschen äußerste Not wird Gottes beste Gelegenheit sein, sein Reich aufzurichten (Gott hat es also nötig, auf die 'beste Gelegenheit' zur Aufrichtung seines Reiches zu warten!), Christi 1000-jähriges Reich das mit Gewalt wird Gerechtigkeit auf Erden schaffen!

Nach Bd. VII, 375 ist dies die Zeit der 'Erfüllung der Verheißung an Israel im Fleische'. Die 'Große Schar' wird 'gezüchtigt', aber Israel wird Gnade erwiesen werden (Zionismus), und dann werden die Getreuen des Herrn aus dem Hause Israel 'nicht nur Priester', sondern auch Könige (!!!) (VII, 373) sein. 'Während des Milleniums soll Israel die erste Nation der Erde sein, an der Spitze aller auf der Stufe irdisch-menschlichen Daseins (I, 249). Der adamitische (fleischliche) Tod wird verschlungen oder zunichte gemacht werden. Krankheit, Schmerz und Schwachheit und endlich das Grab werden sich vor der Macht des großen Wiederherstellers (des zweiten Messias) beugen. An der Spitze, Gottes am nächsten, steht der Messias, dann folgen die 'Geistwesen', dann die Engel, dann 'Israel nach dem Fleisch', aber nur die wahren Israeliten (Rasse-Israeliten) an der Spitze der irdischen Nationen und erst dann kommt die übrige Menschenwelt (I, 249, 250).

Die christliche Aktion gegen die 'Schwarze Schmach' im Zirkus Krone ist verboten, die widerchristliche der 'Bibelforscher' daselbst erlaubt!"

Nach dieser Einstimmung veröffentlichte dann Rosenberg in der Ausgabe vom 31. 5. 1922 des "Völkischen Beobachters", seinen Bericht über die Rutherford-Veranstaltung:

"Wir haben in unserer letzten Ausgabe schon auf das freche Treiben der 'Ernsten Bibelforscher', auf die jüdischen Hintermänner und die jüdischen Ziele dieser Brüder hingewiesen. Am Montag, den 29. Mai, sprach nun einer ihrer amerikanischen Propagandisten im Zirkus Krone, in demselben Zirkus, in dem es verboten ist, gegen die schwarze Schmach zu protestieren. Und zwar unter der 'christlichen' Leitung des Grafen Lerchenfeld.

Der Richter begann seine Salbadereien mit Jehovas Verheißung an 'Abrahams Samen'. Er behauptete ferner, wenn nicht einmal alle Menschen glückselig ohne Tod auf dieser Erde leben würden, wie es Christus geweissagt hätte, dann wäre das Christentum als Fehlschlag zu bezeichnen. Das Ende der Welt sei da, wie es die Bibelforscher seit 45 Jahren geweissagt hätten, d. h. das Ende des 'jetzigen Gesellschaftszustandes'. Die 'Zeiten der Nationen' seien vorüber. Zwar würde es immer ein Deutsches Reich geben, zwar wird man später mit noch ganz anderer Berechtigung 'Deutschland, Deutschland über alles' singen, aber trotzdem begann im Jahre 1914 'der Prozess des Hinwegräumens der abgenutzten Systeme' als 'Vorbereitung für das Messianische Königreich', in dem Millionen jetzt lebender Menschen nicht sterben würden.

Bis hierher hielt ich den Unsinn aus, dann wurde mir übel. Am Eingang vom Zirkus besorgte ich mir den gedruckten Vortrag. Darin tritt nun die jüdische Mache geradezu faustdick hervor. Nicht dann tritt das Messiasreich ein, wenn allen Nationen das Christentum gepredigt worden ist, wie die Pfarrer meinen, sondern nur, wenn aus den Völkern ein Volk auserkoren sein wird. Welches Volk das ist, darüber wird kein Zweifel gelassen: 'Glückselig ein Volk, dessen Gott Jehova ist'. Mit Disraeli-Beaconsfield kam die Gnade Gottes zu den Juden zurück, d. h. mit dem Berliner Kongress 1878, welches Jahr die heiligen Propheten ebenso geweissagt hätten, wie das Jahr 1918, in dem durch das 'Zunehmen der Gnade Gottes' die Juden einen 'besonderen Höhepunkt' erreichen würden! Gott erwecke aus 'seinem Volk' immer zur rechten Zeit die Männer! Dann folgt eine Verherrlichung des Zionismus, die ganze Balfour-Deklaration wird abgedruckt und als Ziel des Zionismus ausdrücklich festgestellt: 'Die Beschaffung solcher Regierungsgesetze, wie sie zur Erlangung der Ziele des Zionismus notwendig sind'. Die Regelung der Weltpolitik nach dem Willen des Samens Abrahams wird also ganz frech verkündet! Die Erklärung Dr. Ruppins 1920 über die Gründung einer Häuserbaugesellschaft in Palästina wird als Erfüllung von Jesaja 65 (21-23) gedeutet, da der 'Same der Gesegneten Jehovas' Häuser bauen würde …

In dieser Weise geht es weiter, und so ein frecher Schwindel halbverrückter Amerikaner, eingespannt für Weiterverbreitung der jüdischen Zersetzungsarbeit und des jüdischen Wahnsinns wird anstandslos auf das Volk losgelassen. 800 000 Stück werden umsonst verteilt, der Eintritt zu den 'Predigten' ist frei … Es wird also mit Millionen nicht gespart. Politisch heißt der heutige Wahnsinn Bolschewismus; 'religiös' nennt er sich 'ernste Bibelforschung' und Anthroposophie; 'künstlerisch' Futurismus usw.

Narren, Schwätzer und Halunken haben heute das Wort: Die Pestillenz kommt, sagt der Vortragende. Sie ist schon da; in seiner Person.

Wann wird das deutsche Volk ihn und seinesgleichen hinausfegen aus den deutschen Landen und sich rein baden in völkischer Erneuerung?"

"Stürmer", Nazis und Kirchen

Las man soeben "zwischen den Zeilen" davon, wie atheistisch orientierte Freidenker und Bibelforscher, in der Sache (wenn auch nicht in der Form) eine ähnliche Sprache führten, so gibt es auch für die Gegenseite ein charakteristisches Dokument. Am 8. 2. 1931 veröffentlichte das berüchtigte nazistische Organ "Der Stürmer" auch einen Artikel über die Bibelforscher. Vieles in seinen Ausführungen ist zeitbedingt. Zugleich gibt er jedoch auch eine bemerkenswerte Charakterisierung der damaligen Stimmungslage wieder. Im Einzelnen konnte man darin unter anderem lesen:

"Der schwarze Tag der 'Ernsten Bibelforscher' in Neustadt a. d. Aisch.

Die sogenannten 'Ernsten Bibelforscher' hielten es für angebracht, in Neustadt a. d. Aisch zwei 'Aufklärungsabende' anzusetzen und zwar für Sonntag, den 25. Januar und für Montag, den 26. Januar. Das man gleich zwei Abende nacheinander ansetzte, wird wohl damit zu erklären sein, dass sie die 'Bibelforscher' der politischen Einstellung der Neustädter bewusst waren und ihnen deshalb eine doppelte Spritze verabreichen wollten. Wir Nationalsozialisten von Neustadt bedauern aufrichtig, dass die Wunderdoktoren ihre Spritze gar nicht ansetzen konnten, sondern umgekehrt derart gespritzt wurden, dass sie zeitlebens an Neustadt denken werden. Wie gesagt: Schade!

Was hat sich nun an den genannten Tagen in Neustadt zugetragen? Am Sonntag, den 25. Januar, abends 8 Uhr war der Löwensaal in N. gut besetzt und mit großer Spannung erwartete man den 'Vortrag eines ernsten Bibelforschers'. Anscheinend hatte es aber dem Vortragenden die Rede verschlagen, als er die vielen Hakenkreuzabzeichen sah, den statt des Vortrages wollte man gleich mit der Vorführung eines Filmes beginnen. Diese Taktik wurde vom Ortsgruppenführer der Nationalsozialisten, unserem bewährten Pg. Fritz Erlwein gleich erkannt und die Situation war sofort geklärt als Pg. Erlwein die Beantwortung folgender Fragen verlangte:

1. Was sagen Sie dazu, dass die von den Bibelforschern für 1925 vorausgesagten Ereignisse (z. B. dieses Jahr sei die Zeit des Anbruches der 'goldenen Zeitalters' oder: Abraham stehe in diesem Jahre auf, um dann vom Berge Zion aus mittels Rundfunk die Welt zu beherrschen, nicht eingetroffen sind?

2. Warum sagen die 'Bibelforscher' nichts gegen das Judentum und dessen Vertreter, dass doch zweifelsfrei sehr stark mit dem Kapitalismus verknüpft ist, während sie ganz allein die christlichen Kirchen und Geistlichen als Vertreter der Hochfinanz verdächtigen und auch aufs Schärfste angreifen?

3. Sagen Sie auch, wie Russell, Ihr Führer, dass die Haltung der christlichen Kirche noch niedriger sei, als die eines 'Hurenweibes'?

Die Bibelforscher, die diese Fragen sichtlich beunruhigt hatten, erklärten, dass sie im laufe der beiden Vortragsabende dazu Stellung nehmen würden. Pg. Erlwein fragte nun die anwesenden Volksgenossen, ob sie mit dieser Antwort zufrieden seien. 'Nein! Sofort antworten! Heraus mit der Wahrheit!' Auf diese erregten Zwischenrufe antwortet ein Bibelforscher: 'Wenn Sie sich nicht zufrieden geben, lasse ich Sie durch die Polizei entfernen!'

Auf diese herausfordernde Bemerkung setzte ein ungeheurer Tumult ein, der sich noch verstärkte, als nach nochmaliger Fragestellung des Pg. Erlwein der Ruf nach der Polizei erging. Die Polizei griff ein.

Im Saale verbreitete sich der liebliche Duft von Stinkbomben.

Nun begab sich der evangelische Geistliche, Pfarrer Düll von Neustadt, an die Seite unseres Pg. Erlwein und forderte die anständigen Christen von Neustadt auf, mit ihm den Saal zu verlassen.

Alles stand auf und unter Absingen des Deutschlandliedes und des Rufes 'Deutschland erwache!' verließ man geschlossen den Saal. Einige Neugierige, darunter ein sogenannter 'Gebildeter', blieben im Saal zurück. Vom Gange heraus erschallen Rufe: 'Raus!'

Nun rückte die durch Gendarmerie verstärkte Polizei an und räumte den Saaleingang. Nach einigen Minuten begaben sich wieder verschiedene Leute, darunter Marxisten in den Saal. Der Tumult setzte von neuem ein. Frösche und Stinkbomben wurden geworfen.

Unter diesen 'Begleiterscheinungen' dozierte dann ein 'Ernster Bibelforscher' über die ungeheure Größe der Arche Noah. 'Ihr müsst's ja recht genau ausgemessen ham!' sagte dazu ein älterer, schlichter Bauersmann. Als er dann in seiner urwüchsigen Art noch einige weitere, treffende Zwischenrufe machte, wurde er von der Polizei gewaltsam aus dem Saale entfernt.

Unter andauernder Störung wurde dann der klägliche Vortrag rasch zu Ende geführt.

Während dieser Zeit versammelten sich die Nationalsozialisten mit der deutschbewußten Bevölkerung von Neustadt vor dem Gasthof 'Zum Löwen' zu einer Demonstration gegen die 'Ernsten Bibelforscher'. Unter großer Begeisterung wurden die Kampflieder der nationalsozialistischen Bewegung gesungen und mit einem kräftigen 'Deutschland erwache!' Und 'Heil Hitler!' fand die überwältigende Kundgebung ihren Abschluss.

Am andern Tage wurde unser Ortsgruppenführer Erlwein beim Bezirksamte vorstellig und lehnte jede Verantwortung für das Verhalten seiner Parteigenossen beim folgenden Vortragsabend ab. Daraufhin wurde die Fortsetzung der 'Aufklärungsarbeit' der ernsten Bibelforscher polizeilich verboten.

Die Bibelforscher waren nun am Ende ihrer Kunst und es war zu ergötzlich, wie der 'Forscher' sich unter dem Schutz der Polizei zur Bahn begab.

Seine Kampfgenossen wurden dann unter Marxisten und Kommunisten gesichtet. Diese baten nun die 'Bibelforscher' um Überlassung von Flugblättern zur Verteilung an die 'Massen'!!

Die gleiche 'Front' wurde dann noch deutlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sich das Neustädter Reichsjammer (gemeint ist das sozialdemokratische Reichsbanner) zu einer Gegendemonstration 'aufstellte'!!

Mit folgenden Worten, die den unvorsichtigen 'Führern' der Demonstration entschlüpft sind, kommen die 'gewaltigen Massen' der 'Aufmarschierenden' am besten zur Geltung:

'Zum Donnerwetta, wo nur heut die Leut stecken. Wenn man sie einmal braucht, sind sie nicht da!'

Armer 'Führer'! Das einige Halbwüchsige auf den Ruf der deutschgesinnten Bevölkerung: 'Deutschland erwache!' mit dem Rufe 'Deutschland verrecke! Nieder mit Deutschland!' antworteten, sei ihnen unvergessen.

Das außerdem Marxisten einen anwesenden Geistlichen in der gemeinsten Weise beschimpften entspricht ihrer Art. Ein Schulbeispiel für die Verrohung dieser Leute. Ein ehemaliger Schüler der Geistlichen bezeichnete diesen als 'Pfaffen' und 'Weißbrotfresser' Untermenschentum!

Manchem guten Bürger von Neustadt, der bisher den Nationalsozialisten nicht gutgesinnt war, sind nun die Augen aufgegangen und viele gewannen die Überzeugung, dass es die Nationalsozialisten nicht nur mit ihrer politischen Anschauung, sondern auch mit dem Tatchristentum ernst meinen. Neue Kämpfer treten in unsere Reihen ein.

Den immer noch schlafenden seien nochmals die politischen Begebenheiten, die wir innerhalb einer Woche in unseren lieben Heimatstädchen haben, vor Augen geführt: Tannenbergbund-Beifall der Marxisten! 'Ernste Bibelforscher'-Unterstützung durch Marxisten.

Deutsche Arbeiter, Bauern und Bürger von Neustadt erwacht, es ist allerhöchste Zeit!!"

Fragwürdige Geschichtssicht der Zeugen Jehovas

Ein finnischer Kommunist, namens Dr. Werner Knapke, in hiesigen Gefilden nicht weiter sonderlich bekannt, erhielt von der Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Trost" die bemerkenswerte Ehre, als Gewährsmann zitiert zu werden, dem "Trost" in weiten Bereichen zustimmt.

Besagter Herr Knapke hatte sich wohl auch als Geschichtsschreiber der deutschen Geschichte im besonderen, einmal versucht. Seine Ausführungen waren so "bedeutsam", dass es nie zu einer regulären Veröffentlichung dieser, im deutschsprachigen Bereich gekommen ist. Gäbe es die Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Trost" nicht, so wüsste mutmaßlich die einschlägige Geschichtswissenschaft noch heute nichts von Herrn Knapke. Ob wirkliche Historiker diesen Herrn Knapke je ernst nehmen würden, erscheint zudem mehr als fraglich. Aber für "Trost" ist er offenbar eine "Kapazität". So "bedeutend" um ihm in vier hintereinander erschienenen "Trost"-Ausgaben ausführlichst zu Worte kommen zu lassen. Wer kann sich schon rühmen, in einer Zeugen Jehovas-Zeitschrift in vier Ausgaben hintereinander sich selbst darstellen zu können? Wohl kaum einer. Besagter Herr Knapke aber kann dies! Und dies obwohl er seine Ausführungen über die deutsche Geschichte mit dem Satz ausklingen ließ:

"Jedoch - ein neues leuchtendes Gestirn ging der Menschheit im Osten in der Person LENINs auf, es ist die soziale Ideenwelt der produktiv Schaffenden, welche zur naturbedingten 'Einheit des Menschengeschlechts' uns führen soll und zur klaren verstandesbetonten Freude an einem heiteren menschlichen Freiheitsbegriff des einzelnen Individuums in der kurzen, flüchtigen Daseinsspanne, die einem jeden als Erdenlebewesen beschieden ist."

Letzterer These mag denn selbst auch "Trost" nicht zuzustimmen und sieht sich deshalb zu der ergänzenden Anmerkung veranlasst:

"Diese Schlußgedanken des Historikers in Finnland über die Befreiung der Menschheit von der machtgierigen Hierarchie entsprechen nicht den biblischen Weissagungen und darum auch nicht unsern Hoffnungen."

Trotz dieser Distanzierung, war dieser Dissens für "Trost" kein Hinderungsgrund, dennoch diesen Herrn Knapke in seinen Ausgaben vom 15. 10. - 1. 12. 1946, ausführlichst zu Wort kommen zu lassen. Die kommunistische Intention diesen Herrn nahm "Trost" offenbar als "herunterschluckbare Kröte" in Kauf. Wirklich bemerkenswert!. Es war also etwas anderes, was es "Trost" angetan hatte. Dies erschließt sich sehr offenkundig in den gebrachten Zitaten.

Da hatten sich zwei Gegner der katholischen Kirche - gesucht und gefunden!

Knapke spielte auf dem antikatholischen Klavier. Und "Trost" befand: Er spielt zu lese. Sein "Konzert" müsste mittels ohrenbetäubender Lautsprecher auch denen nahegebracht werden, die davon nichts wissen wollten. "Trost" stellte sich zur Verfügung, und lieferte im übertragenden Sinne diese "Lautsprecher"!

Eigens sogar die Telefonnummer dieses Herrn Knapke in Finnland teilt "Trost" am Ende des letzten Artikels seinen Lesern mit, damit die gar noch in näheren Kontakt mit ihrem verkannten Held treten könnten. Wenn das mal keine kunstgerechte Publicity ist!

Wie schon gesagt, höchstwahrscheinlich zum Leidwesen von "Trost", hat die seriöse Geschichtswissenschaft von Herrn Knapke bis heute keine Kenntnis genommen. Sollte der eine oder andere Historiker dieses "Versäumnis" doch noch gutmachen, so drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass die reguläre Historikerzunft bei der Lektüre der Ausführungen von Herrn Knapke, wohl eher mit einem anderen Gefühl zu kämpfen haben wird. Dem Gefühl. "Da kringeln sich ja selbst die Zehennägel hoch - angesichts solcher Milchmädchen-Historik!"

Als Fachhistoriker zu etlichen von Knapke angeführten Details kann selbstredend auch ich mich nicht sehen. Aber es ist schon bezeichnend; und da glaube ich mir durchaus ein eigenes Urteil erlauben zu können, wie Knapke beispielsweise den Fall Alfred Rosenberg, mit dessen "Mythos des XX. Jahrhundert" bewertet. Er unterstellt, damit liege auch nur eine jesuitische Täuschung zu lasten der Protestanten vor. Damit offenbart dieser Verfasser seine völlige Unbedarftheit.

Rosenberg, Anfang 1934 bei Hitler zum "Weltanschauungspapst" aufgestiegen ("Beauftragter des Führers für die gesamte weltanschauliche Schulung"); davor schon Chefredakteur des "Völkischen Beobachters". Besagter Rosenberg, war auch schon vor diesem "Mythos" kein unbeschriebenes Blatt. Wer einen Überblick über die Intentionen von Rosenberg hat, für den ist die Sachlage klar (aber wohl nicht für den Herrn Knapke). Rosenberg protegiert den rassistischen "Deutschglauben". Er greift Katholizismus, Protestantismus, Freimaurer, Bibelforscher allesamt gleichermaßen an. Sie haben zu "verschwinden" lässt er im Mythos unverblümt erklären. Und so fand denn Rosenberg gleichermaßen Gegner auf katholischer wie auf protestantischer Seite. Die Interpretation die Knapke dem Fall Rosenberg zuteil werden lässt, ist bezeichnend. Ein Interessegeleitetes Zerrbild, das nicht mit den Fakten kongruiert!

Anfechtbar erscheint mir auch die mehrfach lesbare Unterstellung; gewisse Politiker katholischer Herkunft seien in Personalunion zugleich Jesuiten. Man kann den Part dieser Politiker kritisch werten, dass tue auch ich. Jedoch ist die Unterstellung, dass seien gleichzeitig Jesuiten gewesen, zu weitgehend. Da wären konkrete Beweise, Nachweise gefragt. Die liefert wie selbstverständlich, dieser Herr Knapke und seine WTG-Sprachrohr nicht. Wiederum ein Beispiel für den tendenziösen Gesamtcharakter.

Knapke behauptet auch unter Hinweis auf den 30. Juli 1934 (der von Hitler veranstalteten Nacht der langen Messer), dass des "Papstes Hand" Papen geschützt habe, nicht auch mit ermordet worden zu sein. Dies ist meines Erachtens eine zu oberflächliche Wertung. Vorausgegangen war dem 30. Juli 1934 ein Auftritt des Franz von Papen in der Marburger Universität. Die Rede, die Papen da am 17. Juni gehalten, ist auch in den Dokumentarbänden über den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess dokumentiert. Und wer diese Papen'sche Rede mal selbst gelesen hat; der kann sie eigentlich nur so werten. Sie war eine Abrechnung mit dem Naziregime, so wie es sich in seiner totalitären Fratze bis dahin offeriert hatte.

Papen plädierte darin unter anderem für eine wirklich freie Presse. Ein Sakrileg in Naziohren und anderes mehr. Allerdings hat sich Papen verkalkuliert. Sollte seine Rede als "Fanal" gedacht sein, so hat sie jenes Ziel nicht erreicht. Papen ist auch voll "eingeknickt" nachfolgend. Zur Wahrung des Scheines, ließ er sich als Nazibotschafter nach Österreich und später in die Türkei entsenden. Standhaft zu seiner Kritik vom 17. 6. 1934 ist er jedenfalls nicht geblieben.

Diese notwendigen Differenzierungen nimmt Knapke und mit ihm die WTG, allerdings nicht vor. Sie bieten nur billige Pauschalierungen, die mit der tatsächlichen Faktenlage, in nicht wenigen Fällen, eben nicht übereinstimmen.

Dies scheint mir der treffende Vergleich zu sein. Milchmädchenlogik - sprichwörtlich gleichsetzbar mit Naivität. Dies ist das "Niveau" der Zeugen Jehovas. Nicht nur im Falle Knapke, aber auch in seinem Fall.

Noch anders formuliert. Herrn Knapke hätte auch gute Chancen gehabt, zum Kolumnenschreiber der "Bildzeitung" oder vergleichbarer Boulevardblätter zu avancieren, so es die denn zu seiner Zeit schon gegeben hätte. Mit tieferschürfenden Details hält er sich nicht auf. Er bietet "mundgerecht" genau auf das "Niveau" seines Publikums abgestimmt, das was es hören möchte. Er überzeichnet bewusst. Man wird ihm nicht unterstellen können, dass seine Grundthesen grundsätzlich abwegig sind. Aber Holzschnittsartig sind sie schon. Er bedient ein vorhandenes "Ressentiment", filtert das, was diesem Ressentiment nützlich ist heraus und lässt alles andere ob relevant oder nicht, prinzipiell unter den Tisch fallen.

Da haben sich, man kann es nur noch mal wiederholen, zwei Scharlatane gesucht und gefunden. Scharlatan Knapke und Scharlatan WTG.

Nachstehend ein paar Auszüge via "Trost" wie denn die Geschichte in der Sicht der Knapke und Compagnons verlaufen ist:

Stets hat der Vatikan sich in Kriege und Revolutionen mit seiner Politik gemischt, niemals hat er einem prinzipiellen Pazifismus gehuldigt, sondern stets nur seine herrschsüchtigen grobmateriellen Zwecke verfolgt. Einst stürmt man zum Tiber in die Mauern des Erzfeindes der Menschheit - in den Vatikan, die Burg des Papismus! Dieser muß nach diesem Kampfe, welcher jetzt nach den bluttriefenden Mordtaten des jesuitisch geleiteten 'Achsen-Fascismus' zu beginnen hat, politisch zu einem bedeutungslosen Nichts zusammenschrumpfen! Nach diesem Kriege darf der Vatikan kein eigenes souveränes Territorium, welches ihm Mussolini 1929 zuschanzte, mehr besitzen. Glauben die Ewig-Blinden, dass die Achsendynamik = Fascismus in allen Schattierungen aus dem Nichts hervorsprang? Ein DEUS EX MACHINA? Wer war denn der große Gewinner des 1. Weltkrieges? Einzig und allein das Papsttum war's!

Zertrümmert lag am Boden das Hohenzollerntum als führende Macht des Protestantismus, - vernichtet war ebenso das Zarentum als Stütze der griech. orthodoxen Kirche! Nun schreitet die von Pius XI. verkündigte kathol. Aktion vorwärts. Der vollkommenen Vernichtung aller anderen Glaubensbekenntnisse und der Vernichtung wissenschaftlich-atheistischer Aufklärung galt der 2. Weltkrieg. Es war ein Raubkrieg theokratisch-kapitalistischer Art in schlimmster Entartung. Aus folgenden Mosaiksteinchen mag ein jeder sich das jesuitische Wunschtraumbild der Welt der Zukunft zusammensetzen. Das Collegium Russiacum im Vatikan, gegründet 1927, spie seine Zöglinge hinter den deutschen Fronten in den besetzten Gebieten des Ostens aus - August 1940 begann dieser "Kreuzzug" -, um die Bevölkerung dem röm. kath. Glauben zu unterwerfen. Denselben Zweck erstrebte das Orientalische Seminar in Rom gegen die Orthodoxen. Das mittelalterliche anrüchige Kriegsgeschrei der Achse eines "Kreuzzuges" gegen den Bolschewismus ist nichts weiter als "kath. Aktion", schreibt doch die "Stampa" am 9. Juni 1941, dass Hitler und Mussolini Europa gemäß der päpstl. Encyklika Pius' XII. - RERUM NOVARUM - organisieren! Man will auch heute noch im Osten das Erbe der orth. Kirche antreten und damit den Wunschtraum des Papismus seit dem Schisma des Konzils von Nicäa (325) bezw. seit den Zeiten der vollkommenen Trennung beider Kirchen zwischen dem IX. und XI. Jahrh. (1054) verwirklichen.

In der gleichen Stoßrichtung dieser kath. Aktion liegt der Wille, das Luthertum zu vernichten durch Verbluten protestantischer Völker auf den Schlachtfeldern und durch Massenmord der Gestapo und ähnlicher Organisationen. Die Ausrottung der Juden unter Beraubung des Eigentums ist des Vatikans Spezialität durch das ganze Mittelalter hindurch schon gewesen. …

In Italien brachte man durch Ermordung des edlen großherzigen Sozialisten Matteotti am 10. Juni 1924 eine warnende Stimme zum Schweigen, die längst das Einssein von Papismus und Fascismus erkannt hatte. Im Bilde Deutschlands der letzten Jahrzehnte ist Hitler nur eine Figur, welche in den Vordergrund geschoben wurde von einer Macht, welche sich möglichst unsichtbar im Hintergrunde hält, - denn die Zeiten sind vorbei, in welchen diese Liga - die Jesuiten - öffentlich als Hetzer zum Religionskrieg auftreten kann. 1875 wurden vollkommen mit Recht durch das Jesuitengesetz diese als reichsschädlich ausgewiesen …

Einige Jahre vor Ausbruch dieses "30jährigen Krieges" (1914 - 1945) - als solchen bezeichnet ihn Pius XII. in begeisterter Erinnerung an das erste 30jährige von den Jesuiten angestellte Blutbad von 1618 - 1648! - begann Wilhelm II. mit seiner an Wahnsinn grenzenden Aufrüstung, - jedoch der Reichstag mußte dazu die Kredite bewilligen. Da die Sozialdemokratie nichts zugestand, (nicht einen Pfennig, nicht einen Mann), begann der Kaiser mit der katholischen Zentrumspartei um Bewilligung der Militärkredite zu schachern, mit jener Partei, welche stets mehr päpstlich als deutsch handelte. In den Bezeichnungen "Zentrum" und "Achse" liegt die Jesuitenterminologie, welche nichts anderes ist als der Ausdruck römischer Überheblichkeit, den Katholizismus als einen Mittelpunkt anzusehen, um welchen alle anderen Lebensäußerungen zu kreisen haben! Damit bereitete Wilhelm II. sich seinen Untergang. Er bewilligte jener Partei die unglückselige Bedingung für die Kredite, im protestantischen Preußen die Hälfte der Verwaltungsbürokratie mit Katholiken zu besetzen. … Wilhelm der Fantast sah nicht die römischen Fäden, die ihn umgarnten, als er an der Seite des Habsburgischen Österreichs sich in den Krieg gegen das orthodoxe Slaventum hetzen ließ. Er gab sich während des Krieges mehr und mehr in die Hände der Zentrumspartei. Je drückender die Kriegslage wurde, desto mehr suchte er, politisch instinktlos, Stütze an seinen Todfeinden.

Als unter dem Erpresserdruck dieser Partei am 19. April 1917 der Rest des Jesuitengesetzes aufgehoben wurde, nachdem schon 1904 durch Reichstagsbeschluß dessen § 2 fallen gelassen war, war Deutschlands Todesurteil unterzeichnet. Im Reichstage stimmten die Soz. Dem. in blinder Instinktlosigkeit und historischer Unbildung, in Gedankenträgheit für die Aufhebung des Gesetzes und gaben damit ihren Todfeinden ihre Unterstützung. 16 Jahre später bekam die Partei für ihren politischen Fehlgriff von Hitler, dem Jesuitenknecht, den "tötlichen Dolchstoß"!

Prinz Max von Baden, der letzte Kriegs-Reichskanzler, war vollkommen eine Figur des Vatikans. Als im November 1918 in der Heimat Unruhen ausbrachen und das kriegerische Spiel für Deutschland verloren war, wurde Max die treibende Kraft, die Hohenzollern vom Throne zu stürzen. Er war es, der in den gefährlichen Novembertagen 1918 auf die telefonische Anfrage Hindenburgs und Ludendorffs die absichtlich falsche Nachricht gab, dass in Berlin bereits eine blutige Revolution ausgebrochen sei, so dass daraufhin die beiden Generale den Kaiser über die holländische Grenze schoben. Triumph für die Jesuiten! Gleichzeitig hatte Rom schon die Schadenfreude gehabt, das orthodoxe Zarentum vernichtet zu sehen. Sieg auf der ganzen Linie für die Ecclesia Militans in Rom! Nun war der Weg zu einer erneuten Kontrareformation in Deutschland frei …

Die Weimarer Republik war ein ausgezeichneter Tummelplatz für alle römischen Ränke. Durch die Koalitionsregierungen schob die Zentrumspartei stets die Soz. Dem. in den Vordergrund, sobald es sich darum handelte, gegen die deutsche Volkspsyche aufzutreten, so dass der Sozialismus sich mehr und mehr dem Hasse der mittleren und oberen Schichten ausgesetzt sah. In Wirklichkeit gingen die unfaßbaren absichtlichen Plumpheiten auf das Konto der Zentrumspartei, welche tückisch und schadenfroh zusah, wie der internationale Sozialismus in Deutschland an Terrain verlor.

"Die völkische Bewegung" sproß nun empor - wiederum heimlich unterstützt durch die Jesuiten -, welche wie in allen Jahrhunderten (man denke nur an die Judenverfolgungen in Spanien, Portugal, Frankreich, Österreich usw.) gerne den jüdischen kulturellen Einfluß vernichten wollten … Auf der politischen Szene treten nun auf: Ludendorff und Hitler. Zwei Persönlichkeiten, welche wie Feuer und Wasser zusammenpaßten, waren sie doch die heterogenen Vertreter von lutheranischem Preußengeist und finsterem Austro-Katholizismus. Der Novemberputsch 1923 in Münchens Bürgerbräukeller war ein Bündel von Verrat. Den ganzen Abend ließ Hitler telefonische, telegraphische, mündliche Eilbotennachrichten ergehen an Kardinal Faulhaber, nach Berlin an Kardinal Pacelli, zu Kronprinz Rupprecht von Bayern, zum Ministerpräsidenten Kahr, zum Polizeipräsidenten Pöhner und anderen kathol. Prominenten. Er machte den gesamten Katholizismus für sich mobil!

Nur Ludendorff saß da, wie ein von jesuitischen Ränken bereits halb Erdrosselter. Man mußte sich nur wundern, wie einfältig die protestantischen Schichten diesem "Zirkus" ihren berauschten Beifall spendeten. Ludendorff war schon damals für Hitler gerade gut genug, die Protestanten in seine NSDAP hineinzuziehen. Nach 1923 war diese, seine Partei, nichts anderes als "Fascismus", - die machtpolitische Ausdrucksform der proklamierten "Katholischen Aktion" von Pius XI.

Die Zeit schreitet vorwärts - Hitler landet auf der Festung Landsberg. Niemand hat Zutritt zu ihm, nur die Jesuiten gehen Tag und Nacht bei ihm ein und aus. Durch ihren Einfluß wird seine Strafe auf 6 Monate verkürzt. In Landsberg kocht man die "schwarze Suppe, die der Welt so bitter schmecken sollte! … Hitlers Buch "Mein Kampf" überschwemmt Deutschland … Es ist so abgefaßt, dass Hitlers Hand von jesuitischer Schlauheit geführt wird. Das ganze Werk stammt einzig und allein aus Salzburg' Feldkirch, dem jesuitischen Spinnennetz in Europas "Zentrum" dem Salzkammergut.

Jedoch die Festung der Weimarer Republik ist eine Burg mit so starken Mauern geistiger Freiheiten, dass man diese nicht mit einem Schlage durch die Propaganda der NSDAP überrennen kann. Erst muß man durch halbfascistische Maßnahmen unterminieren. Der Jesuit Brüning tritt als Reichskanzler in Erscheinung. Das Spiel zwischen ihm und Hitler ist längst abgekartet; die scheinbare Opposition der NSDAP gegen ihn - den ersten Wegbereiter für Hitler - ist nur Bluff, unecht und geheuchelt, damit die Protestanten Deutschlands getäuscht werden. Durch ihn mußte man erst das deutsche Volk von der Weimarer Verfassung fortführen, dadurch, dass man ihn auf Grund des Ausnahmestands-Paragraphen No. 51 "halbdiktatorisch" regieren läßt. …

Ludendorff und Schleicher durchschauen Hitlers jesuitisches Ränkespiel. Der Erstere klammert sich unglücklicherweise, mangels enzyklopädischer Bildung, an die falsche Idee, das fortschrittliche Judentum mit der reaktionärsten Bewegung des Jesuitismus auf eine Basis zu stellen. Schleicher bezahlt später seine Überzeugung, welche er mit den Worten ausdrückt "mich wird man nie in einer Kirche sehen", mit dem Tode - ermordet durch Hitlers SS-Knechte. Nur Blinde merken es noch nicht, dass Hitler der Scherge des Vatikans! Von Epp, … Ley, … Göbbels … alle kommen sie von West- und Süddeutschland (es ist sehr wichtig, dieses für kommende Ereignisse in Erinnerung zu behalten!), Gregor Strasser, ein toleranter Katholik, intelligent und ehrgeizig, wünscht eine Hauptfigur im kommenden "Dritten Reiche" zu werden, als Gegenspieler contra Hitler. Das Volk ist oft mehr begeistert von ihm als von Letzterem; er wird mit Holzknütteln in der Schorfheide auf Hitlers Befehl erschlagen.

Um die Protestanten zu blenden, läßt man Alfred Rosenbergs Buch "Der Mythos des XX. Jahrhunderts" - und ein Buch scheinbar gegen den Papismus geschrieben, herauskommen. Ein gewagtes Kunststück im jesuitischen Pokerspiel! Man fühlte sich schon so sicher, dass man es wagte, ein solches herauskommen zu lassen. Der Erfolg war wie berechnet. Nur einige hochgebildete, geschichtskundige Hirne sahen trotz dieses Buches die römischen Fäden hinter der Hitlermarionette. …

Doch siehe - der Reichskanzler Brüning kann sich nicht an der Macht halten, der wache preußische Protestantismus fühlt sich instinktiv abgestoßen durch diesen Jesuiten. Eine neue Figur muß hervortreten - da erscheint einer der höchstgradierten Jesuiten: von Papen (propagandiert vom ahnungslosen Arteriosklerotiker Hindenburg als "Ritter ohne Furcht und Tadel" - pecunia non olet!) auf der Oberfläche des stürmischen politischen Meeres in Deutschland. (Heute erscheint als weiterer "Ritter ohne Furcht und Tadel" Don Juan, die Figur des Papismus, als Anwärter auf den Span. Thron, nachdem Francos Tage gezählt sind.) Papen, der päpstliche Kammerherr, Ritter hoher vatikanischer Orden, der böse Geist Deutschlands und Europas, der schmutzigste Ränkespieler des XX. Jahrh. als Kanzler! Doch auch er kann sich nicht halten gegen den erwachten Protestantismus und Sozialismus auf der politischen Arena. Jedoch, er hat den Auftrag, den Weg dem Manne zu ebnen, welcher ein neuer "scheinsozialistisch" betonter Ignatius von Loyola sein will. … Wer hat es nicht in Erinnerung, wie Hitler nach jeder Reichstagswahl sofort zum päpstlichen Beobachter in Deutschland, dem Prälaten Kaas eilte, oder zum persönlichen Freunde des Papstes Pius XI. und Leiter des Katholizismus dem Kardinal Faulhaber und zu Pacelli (dem jetzigen Pius XII.)?

Nur Blinde sahen noch nicht, welches Spiel die NSDAP führte. Schließlich Hitler an der Macht durch - von Papen! Dieser letztere erklärte frech, dass das "III. Reich" die Prinzipien des Papsttums in Theorie und Praxis durchsetzen wird. … Hitlers erste Regierungshandlung: Konkordat mit Rom! Deutschland nach 1000 Jahren auf dem Wege zum "tausendjährigen Reiche" als Ausbeuteprovinz des Papismus! Doch nun mußte man erst diejenigen bei Seite schaffen, (30. Juni 1934) aus der Partei, welche Hitlers Volksverrat erkannten und jene, welche zuviel wußten. Papens Sekretär hatte man bereits ermordet, er kannte die Dokumente von Hitlers Verhandlungen mit dem Vatikan; Papen selbst konnte man nicht "umlegen", des Papstes Hand schützte ihn …

Mit Hitlers bluttriefenden Untaten sollten vorerst Millionen von Juden und "Ketzern" vernichtet werden … Sein (Hitlers) Tod ist wohl nur eine propagandierte "Fiktion". Der Vatikan schützt ihn durch die Gerüchte über seinen Tod - dass er z. B. zerbombt oder vergiftet, dass er sich erschossen oder selbst vergiftet u. dergl. - vor der Forderung des "Weltgewissens", ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Die Angaben, dass er im Vatikan, in Liechtenstein, Irland, Portugal, Spanien, Argentinien (alles kathol. Staaten!) untergetaucht sei, oder durch seinen politischen Stangenhalter, den Großmufti von Jerusalem, als Pilger im Irak (Hedschas) in einer England feindlichen Organisation nun wirke, bestätigen unbewußt, dass er sein feiges Leben wohl gerettet hat.

In späterer Zukunft wird ihn eine päpstliche Bulle zum Sanctus Adolphus kreieren; heute schon nennt ihn bereits die englische Union of Fascists unter Mosley einen "Messias", der die Menschheit zu geißeln geschickt worden sei! Jedenfalls den "Ehrentitel" Antichrist, den man ihm beilegt, verdient er nie und nimmer. Er ist nichts Anderes als ein Götzenbild menschlicher Verkommenheit. Seine gewesene Verehrung beruhte auf den theokratischen Zwecken, welche sich mit kapitalistischen Zielen vereinigten in "Hitlers theokratisch-kapitalistischem Räuberkrieg", in welchem er die grauenerweckende Hauptfigur in diesem Menschen verzehrenden Schauspiel darstellt!

Nachdem genannter Verfasser wie vorstehend beschrieben, die deutsche Geschichte dargestellt, überträgt er in gleichem Raster dies noch auf einige andere Länder. Auch dabei gilt festzustellen: Im Einzelfall wenig überzeugend.

Zur Nachkriegszeit überleitend meint dann:

Das Benehmen der Amerikaner in der Besetzungszone Deutschlands ist eine einzige Liebedienerei vor dem Vatikan. In Bayern verbietet man 1945 - die amerikanische Militärverwaltung unter Oberst Keegan - die antifascistische Partei. In Wiesbaden ruft ein Flugblatt mit der Unterschrift eines katholischen Priesters eine neue fascistische Partei zusammen, - im Oktober 1945! In allen Zonen arbeiten die Amerikaner mit den Personen der katholischen Zentrums-Partei zusammen, jener Partei, welche 1933 Hitler zur Macht verhalf. Diese ist durch und durch demokratiefeindlich von jeher gewesen! Doch nicht genug damit: die Amerikaner verwenden heute noch prominente Nazisten in führenden Beamtenstellen in ihrer Zone. … Man will das katholische Westdeutschland in die Allianz gegen die Sowjetunion des nächsten Krieges einspannen. In den U.S.A. selbst taucht der Geist eines Jesuiten Goebbels wieder auf. In der katholischen Presse preist man den Massenmörder Himmler und macht den vatikan-freundlichen Isolationismus im Gewande eines heftigen Antisemitismus mobil und riesige Kapitalien unterstützen die Hetze gegen die Sowjet-Union. Gleichzeitig fordert man Milde gegen die Kriegsverbrecher der "Achse"!

Im gleichen Strickmuster wird dann im folgenden die Kritik auch auf einige andere Länder in der Nachkriegszeit ausgedehnt. Mehr zum Abschluss kommend meint dieser Autor dann noch:

Doch auch in U.S.A. werden durch diese jesuitischen Provokationen nun Protestanten und Freidenker mobil, sie forderten schon 1945 eine Untersuchung der Verbindungen zwischen Weissem Hause und dem Vatikan. Sie klagen Pius XII. mit Recht als Feind der Demokratie an. … So sieht Europa sich durch die machtlüsterne Politik des Papismus in den Strudel des Untergangs gerissen. Der Untergang des Mutterlandes eines Martin Luther unter Vernichtung seines traditionellen Kräftepfeilers Norddeutschland, und die Schwächung anderer orthodox oder lutherisch gläubiger Völker ist die reinste Freude des Vatikans. Hitler war der Metternich des XX. Jahrhunderts für den Jesuitismus, er ließ Preussen verbluten, wenn nur aus diesem Kriege eine katholische Donaukonförderation in irgendeiner Gestalt geboren wird. …

Von dieser riesigen katholischen Plattform läßt sich sehr gut der dritte Weltkrieg gegen die Sowjet-Union in Szene setzen, zumal im Fernen Osten die jesuitisch verseuchten U.S.A. sich bereits eine Reihe von strategischen Positionen sichern; so u. a. durch die Einmischung amerikanischer Truppen auf der Seite Tschungkings gegen die chinesisch-kommunistische Armee, welche die einzigen echten Nachfolger des Kuo Min Tang des großen Sun Yat Sen darstellen. Das bedeutet bereits eine Bedrohung der Sowjet-Union; bald werden unter jesuitischer Mitwirkung der angelsächsische und japanische Kapitalismus sich in den Armen liegen, welcher Vorgang die Wachsamkeit Russlands noch mehr schärfen muß. …

Ein Bismarck setzte 1875 der schwarzen Pest im Herzen Europas durch das Jesuitengesetz einen Damm, ein Hitler riß ihn eiligst durch das Konkordat mit Rom nieder! Wahrlich ein schicksalsschwerer Vorgang für alle nach Freiheit strebenden Völker!…

Jene Wiedergabe der Ausführungen des Dr. Knapke durch die Zeugen Jehovas sollte noch ein Nachspiel haben.

In der "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. März 1947 sah man sich zur Verteidigung genötigt. Nachstehend die diesbezüglichen "Erwachet!"-Ausführungen:

"Im Dienste bolschewistischer Propaganda"?

Wir haben in der Nummer 578 - 481 des "Trost" eine Artikelserie: "Jesuitische Machtpolitik" von Dr. Werner Knapke in Dickursby, Finnland abgedruckt. Dabei stellten wir ausdrücklich fest, dass der Verfasser, Dr. phil. W. Knapke, "die volle Verantwortung als Historiker für die Richtigkeit seiner geschichtlichen Darstellung" übernehme.

Dass diese Aufsatz in katholischen Kreisen Mißfallen erregen werde, war zu erwarten. Es steht selbstverständlich jedermann frei, die Richtigkeit der von Dr. Knapke aufgestellten Behauptungen zu prüfen, zu bezweifeln und, wenn es möglich ist, zu widerlegen. eine solche Widerlegung ist uns bis heute nicht zu Gesicht gekommen.

Dagegen ist der Aufsatz als Gelegenheit benutzt worden, um gegen Jehovas Zeugen in leidenschaftlicher Weise Vorwürfe und Angriffe zu richten. Insbesondere ist das geschehen in einem Artikel "Im Dienste bolschewistischer Propaganda", durch den der absurde Vorwurf wieder aufgenommen wird, als ob Jehovas Zeugen mit dem Bolschewismus in Verbindung stünden. Dabei hätte eine objektive Prüfung den Angreifern sofort den Beweis erbringen müssen, dass wir gerade die bolschewistischen Tendenzen des Artikels abgelehnt haben. Gegenüber diesen Tendenzen haben wir in redaktionellen Anmerkungen ... ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schlußgedanken des Verfassers "n i c h t den biblischen Weissagungen und darum auch nicht unseren Hoffnungen" entsprechen. Und zu der Meinungsäußerung von Dr. Knapke, dass die Befreiung der Menschheit aus dem Osten zu erwarten sei, bemerken wir, es werde die eigentliche Befreiung der gerechtigkeitsliebenden Menschen n u r durch Gottes Gericht (Harmagedon) erfolgen, "nicht durch menschliche Revolutionen" und wenn schließlich Dr. Knapke Lenin als ein neues leuchtendes Gestirn bezeichnete, dass der Menschheit im Osten aufgegangen sei, so haben wir auch hier unsere abweichende Auffassung unzweideutig erklärt mit den Worten:

"Solche menschliche 'leuchtende Gestirne' werden den Vergleich mit der 'Sonne der Gerechtigkeit' nicht aushalten, auf die wir unsere biblischen Hoffnungen setzen. Da die Nacht der Menschheit weit fortgeschritten ist, und der helle Tag schon angebrochen ist, schließen wir uns nicht mehr menschlichen Führern - auch wenn sie noch so leuchtende Gestirne sein sollten - an. Wir vertrauen auf die Wundermacht Jehovas, der der Gott des Lichtes ist; e r wird durch Christus die gewalttätigen und heuchlerischen Mächte der Finsternis zertreten, bevor noch die heutige Generation vergehen wird."

Angesichts dieser klaren und unmißverständlichen Stellungnahme kann niemand in guten Treuen uns bolschewistische Propaganda vorwerfen.

Ergänzend kommentiert sei noch angemerkt: Die Gleichsetzung Zeugen Jehovas = Kommunisten ist in der Tat nicht sachgerecht.

Nicht sachgerecht sind aber auch etliche Detailwertungen des Dr. Knapke über geschichtliche Vorgänge und ihre unkommentierte Übernahme durch die Zeugen Jehovas!

Gegen "heroisches Kraftchristentum"

Nach dem 30. Januar 1933 war es klar. Das Hitlerregime hatte in Deutschland die Macht an sich gerissen. Eine dezidierte, ins Detail gehende Stellungnahme der Zeugen Jehovas, vor 1933, zum Hitlerismus ist meines Wissens in ihrer deutschen Literatur nicht nachweisbar. Wenn es beispielsweise seitens der Kirchen durchaus vor 1933 etliche kritische Stellungnahmen zum Hitlerismus gab (aber auch Akklamationen), so sucht man adäquates vergeblich in der Literatur der Zeugen Jehovas. Nach dem 30. 1. 1933 bestand eine andere Situation. Wie man weiß überschlugen sich die Ereignisse förmlich. Schon im Juni 33 waren die Zeugen Jehovas Reichsweit verboten. Aber noch in ihrer Berlin-Wilmersdorfer Erklärung vom 25. 6. 1933 versuchten sie auf Anbiederungskurs zu schwimmen, etwa mit ihrer Ausführung:

"Eine sorgfältige Prüfung unserer Bücher und Schriften wird deutlich zeigen, dass die hohen Ideale, die sich die nationale Regierung zum Ziel gesetzt hat und die sie propagiert, auch in unseren Veröffentlichungen dargelegt, gutgeheißen und besonders hervorgehoben werden. … Man möchte uns gestatten hier darauf aufmerksam zu machen, dass in Amerika, wo unsere Bücher geschrieben werden, Katholiken als auch Juden sich miteinander verbunden haben in der Beschimpfung der nationalen Regierung in Deutschland und in dem Versuch, Deutschland zu boykottieren wegen der von der nationalsozialistischen Partei verkündigten Grundsätze."

Das dies zeitgenössisch als Anbiederung verstanden werden sollte und auch wurde, wird auch durch das im Bundesarchiv nachweisbare Memorandum des Pastors Karl Gerecke aus dem Jahre 1933, zum Zeugen Jehovas-Verbot deutlich. Gerecke polemisiert darin, genau gegen diese Anbiederungspassagen, die er scharf zurückweist um damit zu sagen, der Nationalsozialismus habe nichts mit den Zeugen Jehovas gemein (im Gegensatz zu ihrer eigenen Darstellung).

Im März 1933 hatte das Hitlerregime eine kirchenpolitische Offensive begonnen. In einer Reichstagsrede hatte Hitler den Kirchen "Honig ums Maul" geschmiert. Wer beim lesen jener Rede mal seinen kritischen Verstand ausschaltete, der konnte und sollte den Eindruck gewinnen, der Hitlerismus wäre "der" Beschützer des Christentums. Es gab genug, die willig auf diesen ausgelegten Leim heraufkrochen. Als besonderes "Paradebeispiel" wurde da auch besonders Thüringen bemüht. In jenem deutschen Teilstaat hatten die Nazis schon vor 1933 das Sagen, und dort hatten sie ihre angebliche "Kirchenfreundlichkeit" vorexerziert.

Das atheistische Freidenkertum wurde von den Nazis verfemt (Balsam für die Seele der Kirchenleute). In jenem Thüringen ging man noch einen Schritt weiter und führte im Bildungswesen sogenannte obligatorische "Schulgebete" ein. Wer bei deren Bewertung seinen kritischen Verstand ausschaltete (auch das taten viele Kirchenleute nur zu gern), der konnte sich der Illusion hingeben, dies sei ein weiterer Beweis der Kirchenfreundlichkeit des Hitlerregimes. Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse, und das Hitlerregime verstand es durchaus solche Köder auszulegen.

Auch die Zeugen Jehovas, dies ist nun besonders beachtlich, nahmen zum Thema "Schulgebete" in ihrer Literatur Stellung. Liest man jenen Text heute, so wird man sagen dürfen, es ist eine inhaltliche Ablehnung. Aber bekanntlich macht der "Ton auch die Musik". Und gerade dieser "Ton" verrät, eine gewisse betonte Zurückhaltung, die letztendlich im Kontext der oben skizzierten Anbiederungsstrategie einzuordnen ist.

In der (Schweizer) Ausgabe ihres "Goldenen Zeitalters" vom 1. 3. 1933 konnte man unter der Überschrift "Hitlers positives Christentum" lesen:

"Auf Seite 17 des gedruckten Hitlerprogrammes können wir folgenden Passus in Bezug auf Hitlers religiöse Einstellung lesen: 'Gewiss greifen wir mit größter Schärfe die volksverderbende Politik des Zentrums (deutsche katholische Regierungspartei) und der Bayerischen Volkspartei an, die zwar bei jeder Gelegenheit in den Angstruf ausbrechen 'die Religion ist in Gefahr', nur nicht, wenn sie mit der atheistischen, gottesleugnerischen Sozialdemokratie ihre politischen Geschäfte machen. Gerade weil uns die Beziehungen des Menschen zu seinem Herrgott so hoch und heilig sind, wenden wir uns dagegen, dass die Religion in den Dreck des politischen Tageskampfes heruntergezerrt wird. Positiv wird unsere Einstellung zum Christentum vielleicht am besten umschrieben durch die von Minister Dr. Frick empfohlenen Schulgebete, die ich am Schlusse nachfolgen lasse, es mag sich dann jeder Katholik und Deutscher seine Gedanken machen, wenn er hört, dass diese Gebete 'jedem katholischen Empfinden ins Gesicht schlügen', wie Zentrumspresse schrieb, während der Zentrumsminister Dr. Wirth an das thüringische Staatsministerium am 12. Mai 1930 schrieb, 'dass es ihn als den Reichsminister schmerzlich berühre, wenn Dr. Frick Schulgebete empfehle, in denen stehe: 'Herr, mach uns frei von Betrug und Verrat!' und ich weiß, dass Vaterlandslosigkeit und Gottlosigkeit unser Volk vernichten.'

Solche Sätze seien mit Sinn und Geist der Weimarer Verfassung nicht in Einklang zu bringen!'"

Die WTG zitiert dann solch ein Schulgebet:

"Vater, in deiner allmächtigen Hand

Steht unser Volk und Vaterland.

Du warst der Ahnen Stärke und Ehr

Bist unsere ständige Waffe und Wehr.

Drum macht uns frei von Betrug und Verrat

Macht uns stark zu befreiender Tat.

Gib uns des Heilandes heldischen Mut

Ehre und Freiheit sei höchstes Gut.

Unser Gelübde und Losung stets sei:

Deutschland, erwache! Herr nach uns frei!"

Der Kommentar der WTG dazu:

"Inwiefern dieser religiöse Standpunkt Hitlers mit dem Sinn und Geist der Bibel und mit wahrem oder positivem Christentum im Einklang steht, möchten wir dem Individuellen Urteil oder religiösem Empfinden unserer werten Leserschaft selbst überlassen. Eines steht jedenfalls fest, dass Gott Jehova nichts mit dem heroischen Kraftchristentum, dass aus obigem … Schulgebet spricht, zu tun hat." Noch ein bemerkenswertes Dokument aus dem Jahre 1933 ist überliefert. Im April 33 wurde für die engere Anhängerschaft ein sogenanntes "Sonder-Bulletin für Jehovas Zeugen" veröffentlicht. Aus ihm sei nachstehend zitiert:

"Eine genaue Betrachtung der Broschüre 'Die Krise' wird jedem den augenfälligen Beweis dafür liefern, dass die Botschaft dieser Broschüre gerade zur richtigen Zeit den Völkern der Welt und ihren Führern unterbreitet wird.

Wir verstehen völlig, dass die große Lektion darin liegt, dass alle Menschen lernen müssen, dass Hilfe und Errettung nur von Jehova kommen kann. … Jehovas Zeugen jubeln über die Tatsache, dass die Krise da ist, die in einer völligen Wiederzuwendung der Menschen zu Jehova enden wird. Deshalb rufen wir Euch noch einmal, kurz vor Beginn dieses größten aller Zeugnisse zu: Macht jede mögliche Anstrengung, dass diese Botschaft das Volk erreicht!

… Die allgemeine Umstellung in Deutschland hat naturgemäß auch hier und da eine gewisse Unsicherheit in der Behandlung unserer Tätigkeit hervorgerufen. Die in der Vergangenheit gegen uns durch falsche Meldungen erzeugten Vorurteile und falschen Auffassungen haben an einigen Stellen auch zu Übergriffen gegen Ortsgruppen und ihre Veranstaltungen geführt. Aber nach dem bisherigen schnellen Handeln der neuen Regierung ist zu erwarten, dass in kürzester Zeit Verhältnisse geschaffen werden, die es möglich machen zu beurteilen, welche Arbeitsmöglichkeiten und gesetzlichen Grundlagen vorhanden sein werden. Der gegenwärtig Zustand kann als für unsere Angelegenheiten zwar ungeklärt, aber vorübergehend bezeichnet werden. Wir bitten daher die Gruppen, in allen Fällen, in denen irgendwelche örtlichen Maßnahmen gegen die Arbeit und die Gruppen unternommen werden, unter keinen Umständen von sich aus irgendwelche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Bitte meldet alle vorkommenden Angelegenheiten zunächst hierher, damit die juristische Abteilung entsprechende Verhandlungen mit den betreffenden Stellen in die Wege leiten kann.

Soviel wir bisher die Stellung der neuen Regierung zur religiösen Frage beurteilen können, will sie wie aus ihren Veröffentlichungen zu schließen ist, die religiöse Freiheit jedes Staatsbürgers, dass heißt auch die Gedankenfreiheit und die Möglichkeit, sich frei und ungehindert in Wort und Schrift religiös zu betätigen, nicht nur bestehen lassen, sondern auch schützen. Das würde bedeuten, dass auch unsere Tätigkeit den Schutz der Regierung zu beanspruchen hätte.

Wir stehen als Zeugen Jehovas in der gegenwärtigen Stunde den Fragen der Politik ebenso unparteiisch gegenüber, wie wir dies in früheren Zeiten getan haben. Unsere Aufgabe ist es nicht, irgendeine Stellung in politischer Beziehung einzunehmen, sondern Zeugnis seines Namens und seiner Wahrheit. Wir geben daher den Rat, dass jeder Geweihte sich in der gegenwärtig so aufgeregten Zeit noch viel mehr als bisher sorgfältig jeder Kritik in irgendeiner Angelegenheit der Dinge dieser Erde enthält und nichts weiter tut als das, was seine Aufgabe ist, nämlich die Menschen hinzuweisen auf die große Hoffnung der baldigen Segnung aller Menschen der Erde durch Jehova Gott und sein Königreich. …

Sollte in Unkenntnis dieser unserer rein religiösen Stellung und Tätigkeit hier und da irgendeine ungerechte Maßnahme erfolgen (an einem Platz hatte man die politischen Verordnungen herangezogen zur Auflösung unserer Versammlungen), dann geben wir den Rat, auch in einem solchen Fall an dem Ort selbst gegen diese Maßnahme für den Augenblick nichts zu unternehmen, sondern nur die Meldung hierher zu geben. Es ist selbstverständlich, dass in einer Zeit, die so voll Kampf und naturgemäß damit verbundener Erregung ist, auch einmal eine ungerechte Maßnahme einsetzen kann. Wir sind aber der Zuversicht, dass sich in absehbarer Zeit die Verhältnisse, soweit klären werden, dass dann durch die Zentralleitung der Vereinigung die nötigen Schritte in die Wege geleitet werden können. Wir ersuchen die Geschwister auch, keinerlei Beeinflussung von Freunden der Wahrheit in irgendeinem politischen Sinne vorzunehmen. Die politische Einstellung der Menschen, die unsere Versammlung besuchen, ist darum nicht von Interesse für uns, weil wir nicht den Auftrag haben, die Menschen in diesem oder jenem Sinne in Fragen der Politik zu belehren, sondern nur den Auftrag haben, die Menschen - einerlei, welche sie auch sein mögen - zu Jehova Gott zu führen und mit seiner Wahrheit bekannt zu machen.

Die einzige Ausnahme entschiedener und positiver Ablehnung, die wir jederzeit betont haben, betonen wir auch gegenwärtig und werden sie immer betonen, nämlich unsere Ablehnung aller Bewegungen, die da meinen, die Befreiung der Menschen ohne Jehova Gott bewirken zu können. Außer dieser absoluten Ablehnung aller die göttliche Wahrheit der Bibel verneinenden Weltanschauungen ersuchen wir die Zeugen Jehovas und Glieder der Bibelforscher-Vereinigung Deutschlands, keinerlei Meinungsäußerungen politischer Art irgendwie zu machen und auch politische Diskussionen lieber zu meiden. Wir bleiben nach wie vor bemüht, alle in Betracht kommenden Stellen bei Behörden, Gerichten usw. auch weiterhin davon zu überzeugen, dass unsere Tätigkeit und die Tätigkeit unserer Freunde eine rein christlich-religiöse ist, dass heißt das sie das ist, was die Bibel in Matthäus 24 fordert: das Predigen des Evangeliums."

Es war offensichtlich, dass die WTG ihre Weltfremdheit versuchte noch gegenüber dem Naziregime als vermeintlichen "Trumpf" zu verkaufen. Wer die Politik des Naziregimes beobachtete, dem konnte es nicht entgangen sein, dass es in seinem Bestreben lag, eine Revision des Versailler Vertrages vom Ausgang des Ersten Weltkrieges zu erreichen. Das seitens des Naziregimes der "Völkerbund" als Buhmann aufgebaut wurde. Es ist bezeichnend, dass die Zeugen Jehovas in ihrer 33-er Juni-Erklärung, jenen "Ball" der Polemik gegen den Völkerbund mit aufnahmen, in der irrtümlichen Annahme, damit eine Verständigungsbasis mit dem Naziregime zu haben. In jener Zeugen Jehovas-Erklärung konnte man bezüglich des "Völkerbundes" lesen:

"Man hat das, was in unseren Büchern oder Schriften über den Völkerbund gesagt wurde, als Grund angenommen, unsere Tätigkeit und die Verbreitung unserer Bücher zu verbieten. Wir möchten die Regierung und das deutsche Volk daran erinnern, dass es der Völkerbund war, wodurch dem deutschen Volke große, ungerechte und unerträgliche Lasten auferlegt wurden. Jener Völkerbund ist nicht von den Freunden Deutschlands gemacht worden."

Die Nazis dachten nicht daran, auf diesen so ostentativ hingeworfenen Köder einzugehen. Eine differenzierte Einschätzung der Zeugen Jehovas kann man den Nazis mit Sicherheit nicht unterstellen. Aber in ihrem "emotionalem Unterbewusstsein" war ihnen durchaus klar, dass jene Anbiederungspassage nicht das Papier wert ist, auf dem sie stand.

Hätten sich die Nazis schon 1933 intensiv mit den Zeugen Jehovas befasst (was ich allerdings ausdrücklich verneine). Gesetzt den Fall, es wäre doch so gewesen, dann hätte ihnen durchaus klar sein können, dass hier zwar in Worten ein gewisser "Gleichklang" versucht wurde. Das aber in der Sache Welten dazwischen lagen.

Für die Nazis war es klar, dass sie ihre eigenen Interessen selbst zu vertreten gedachten. Für eine Entmündigung unter dem Wortschwall religiöser Floskeln, hatten sie nicht das geringste Verständnis. Genau diese Forderung der politischen Entmündigung, beinhaltet jedoch die Zeugen Jehovas-Lehre in Sachen Völkerbund. Symptomatisch kommt dies auch in der 1933 erschienenen Rutherford-Broschüre "Ursache des Todes" zum Ausdruck. Gibt jene (zum Jahresende 1933 erschienene) Broschüre auch formal vor, sich mit einer religiösen Frage zu befassen, so ist in ihr auch jener Absatz besonders beachtlich, der auf den Völkerbund Bezug nimmt. Man konnte dort lesen (S. 25):

"Durch den Völkerbund kann niemals dauernder Friede gebracht werden, weil der Herr in Jesaja, im 8 Kapitel, spricht:

'Beschließt einen Ratschlag, … und es soll nicht zustande kommen.' Und wiederum sagt der Herr in 1. Thessalonicher 5: 'Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! Dann kommt ein plötzliches Verderben über sie.' Gerade zur Zeit, wenn diese Nationen sich zusammenschließen, schamlos vorgeben, Gott zu vertreten, und in spöttischer Weise behaupten, sein Königreich aufzurichten, haben die Worte des Propheten Gottes in Daniel 2: 44 Anwendung, wo es heißt: 'Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, welches ewiglich nicht zerstört, und dessen Herrschaft keinem andern Volke überlassen werden wird, es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber ewiglich bestehen.' Hier haben wir die positive Erklärung, dass weder der Völkerbund noch irgendein Zusammenschluss von Menschen etwas mit Gottes Königreich unter Christi Herrschaft zu tun haben wird."

Hitlers kirchenpolitische Monologe

Zu den "Errungenschaften" die namentlich die amerikanische Siegermacht nach 1945 in Deutschland eingeführt hatte, gehörte die bewusste Förderung der Religion. Zu Zeiten, wo andere als Folge des Krieges noch nicht in Deutschland frei herumreisen konnten, wurden Religionsvertreter (keineswegs "nur" der "Großkirchen") zu VIP erklärt. Ein Beispiel für diese These das Heft 2/1947 der Zeitschrift "Die Christengemeinschaft". Etwas grob vereinfacht dargestellt. Eine von Rudolf Steiner inspirierte Religionsgemeinschaft, die den Schwerpunkt auf den Sakramentalismus legt. Grob gesprochen. Besonders das "Jenseits" als Christen-Hoffnung kultiviert.

In genannter Zeitschrift meldet sich mit einem Reisebericht eine britische Angehörige dieser Religion zu Wort. Sie dankt besonders der britischen Militärregierung für ihre Unterstützung. Gleichwohl kann meines Erachtens kein Zweifel darüber bestehen, dass es besonders die USA waren, die Religionsvertreter in Deutschland förderten. Wenn auch die britische Besatzungsmacht eine ähnliche Politik betrieb, ist dies kein Widerspruch zu dieser These. In genannter Zeitschrift liest man auf der Seite 60:

"Anfang September 1946 erhielt ich (Evelyn Francis aus London) von der Britischen Kontrollkommission für Deutschland die Erlaubnis, die Gemeinden der Christengemeinschaft in der englischen Zone zu besuchen … Die Reise wurde mir ermöglicht durch die englische Besatzungsarmee, in die ich zum Zwecke des Reisens und der Unterbringung als Mitglied aufgenommen wurde. Das war notwendig, weil noch keine Zivilreisen von Engländern nach Deutschland erlaubt waren. Als ich mich zu meinem eigenen Erstaunen mit Papieren ausgerüstet fand, auf denen es unter meinem Namen hieß Oberst V.I.P. (very important person, sehr wichtige Persönlichkeit), schien mir das doch ein Zeichen für die Anerkennung, die die Gesamt-Christengemeinschaft heute bereits als in sich gegründete Kirche errungen hat … "

Auch im Falle der Zeugen Jehovas ist eine ähnliche Förderung durch die US-Militärregierung für Deutschland nachweisbar. Im seinerzeitigen "Uraniabuch" wurde das im Detail mit dokumentiert.

Lässt man die letzten 200 Jahre einmal Revue passieren, dann muss man da wohl auch den Namen des Immanuel Kant (1724-1804) nennen. Zu seinen bleibenden Thesen gehört auch die von ihm 1784 formulierte über die Aufklärung: dass dies der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit sei. Als Folge dieser These "erfreute" sich auch Kant des "Vorrechtes" von der katholischen Kirche auf die Liste der verbotenen Bücher, den sogenannten Syllabus gesetzt zu werden. Die Aufklärung wurde einmal auch mit den Worten definiert: "Alles sollte seine Existenz vor dem Richterstuhl der Vernunft rechtfertigen oder auf die Existenz verzichten".

Hier erkannte wohl nicht zu unrecht die Catholica; dass geht ja ans "Eingemachte". Also auf den Index mit ihm und seinen Geistesverwandten. Es kann hier jetzt keine Philosophiegeschichte referiert werden. Nur soviel. Es gab dazu auch buchstäblich reaktionäre Gegenströmungen. Selbst ein zeitweiliger Kämpfer gegen den Katholizismus, der deutsche Fürst Bismarck, in seinen Reichskanzlertagen, knickte später ein und gab die Parole aus: "Die Religion müsse dem Volke erhalten bleiben". Was Bismarck im besonderen das "fürchten" lehrte, war die Sozialdemokratie, deren Entstehung ohne die Grundlagenarbeit eines Emannuel Kant wohl nicht denkbar gewesen wäre. Damit ist keine direkte Verbindungslinie unterstellt. Nur soviel. Hätte es die Kant'sche These nicht gegeben, wäre das nachfolgende auch weiterhin nicht denkbar gewesen.

Bismarck und seine Nachfolger kämpften ihren Kampf. Ihren Kampfhöhepunkt erreichten sie dann im ersten Weltkrieg. Den wollten sie nur mit einem deutschen "Siegfrieden" beenden. Ihre Rechnung ging nicht auf. Statt dessen war die Monarchie einer der Verlierer dieses Krieges. Mehr noch die "dem Volke zu erhaltende Religion" sah sich in zunehmender Bedrängnis in den 1920er Jahren. Erhoben da doch "frech" gar sogenannte "Freidenker" ihr Haupt, gespeist wiederum in indirekter Ahnenlinie von Immanuel Kant. Den Kirchen ward Angst und Bange. Sie suchten nach Hilfe. Da sahen die Kirchen. Der ganze "Kant'sche Aufklärungsspuk" hat einen neuen Widerpart gefunden, namens Adolf Hitler.

War der nun "besser"? Da waren die Kirchen in der Tat keinesfalls sicher. Auch dort gab es aus ihrer Sicht beängstigendes zu registrieren. Aber auch "Lichtblicke". In Thüringen, wo die Nazis schon seit 1931 an der Macht waren, wurde das Schulwesen gar "reformiert". Vermeintlich christliche Schulgebete eingeführt. Also das Christentum würde doch durch Hitler noch einmal eine Chance bekommen; glaubte man hoffend.

Hitler sehr wohl erkennend, ohne die Christen könne er in Deutschland nicht an die Macht kommen, spielte dieses Spiel als geviewter Taktiker mit. Selbst seine Star-Religionskritiker (oder in anderer Bewertung Religions-Neugründer, wie etwa Rosenberg) wurden von ihm zeitweise zurückgepfiffen. Und die Rechnung schien aufzugehen. Die politische Macht wurde so errungen. Balsam für die Seelen der arg gebeutelten Kirchenfürsten war es dann, dass sie in Hitlers Regierungserklärung vom März 1933 gar Worte vernahmen wie die (sinngemäß); auf das Personal freidenkerisch orientierter Kreise lege er, Hitler, keinen Wert. Und sein nebulöses "positives Christentum" sei jetzt die Parole.

In grenzenloser Dankbarkeit ob dieser Errettung, strömten die "Christen" nun in Scharen zu seinen "Deutschen Christen" und beeilte sich der Vatikan umgehend, das Hitlerdeutschland auf dem diplomatischem Parkett hoffähig zu machen, mittels des Konkordates. Der "Katzenjammer" indes sollte nicht übermässig lange auf sich warten lassen. Schon im November 33 zerriss anläßlich einer Tagung der "Deutschen Christen" das Gespinst des Selbstbetruges. Und in weiterem Verlauf blieben die Rosenberg und Co keineswegs in ihren Mauselöchern, in die sie sich zeitweise verkriechen mussten.

Die "Kirchenfrage" lief für Hitler eigentlich unter "ferner liefen". Ihm ging es primär um eine Zielstellung. Die geopolitische "Neuordnung" Europas. Was er dann auch im Zweiten Weltkrieg zu bewerkstelligen suchte. Indes gelegentlich äußerte sich auch Hitler zu kirchenpolitischen Fragen. In der Regel aber weniger öffentlich. Einige seiner Hofschranzen ließen es sich angelegen sein, jedes Wort ihres Gottes Hitler, möglichst zu stenographieren; auch dann wenn er selbst nicht die Absicht hatte, dass dies so geschehen solle.

Zwei nach 1945 diesbezüglich erschienene Bücher sind dabei im besonderen zu nennen. Einmal das des Henry Picker und zum zweiten die von Werner Jochmann herausgegebenen Aufzeichnungen des Heinrich Heims. Inhaltlich überschneiden sich beide in etlichem. Es soll hier einmal besonders die Jochmann'sche Edition unter dem Gesichtspunkt von Hitlers kirchenpolitischen Vorstellungen, etwas näher vorgestellt werden. Vereinzelt werden auch Passagen aus der Picker'schen Edition mit übernommen. Heims/Jochmann geben in indirekter Form etliche Äußerungen wieder, die Hitler so machte, im internen Kreis (nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt). Daran kann man aber auch deutlich erkennen, wie er wirklich dachte und wie seine kirchlichen Bejubler des Jahres 33 einer grandiosen Selbsttäuschung zum Opfer gefallen sind.

Es wurde schon gesagt. Das Geschichtspendel schlägt manchmal in entgegengesetzte Richtungen aus. Auf die Kant'sche Aufklärung folgte später die Bismarck'sche Religionserhaltung. Auf den Kirchenkampf Hitler folgte die anglo-amerikanische Privilegierung der Religion. Es fragt sich nur, ob dies der allerletzte Ausschlag des Geschichtspendels war. Und ob das Ziel der geopolitischen "Neuordnung" der Welt, wirklich schon "ausgestorben" ist oder ob es nicht neuerlichen fröhlichen Urstand andernorts feiert.

Nachstehende Zitate sind aus dem Jochmann'schen Buche entnommen. Davon gibt es inzwischen auch mehrere Editionen. Auch innerhalb der Jochmann'schen Edition gibt es diverse Passagen die man als Wiederholungen in vielleicht etwas anderer Wortwahl bewerten muss.

Es ist offensichtlich, dass Hitler dem Sozialdarwinismus huldigt. Der These das nur der Stärkere überleben werde und dürfe. Aus diesem Grunde ist ihm auch das Christentum suspekt; dieweil selbiges auch dem Schwachen eine Chance zubilligt. Spätestens an diesem Punkt muss ich Hitler eine eindeutige Absage erteilen.

Allerdings fragt es sich, ob der Sozialdarwinismus, Urgesetz des Kapitalismus, nicht gerade heute besonders forciert fortbesteht und propagiert wird, beispielsweise auch in der Alltagspolitik der USA.

Auf eine Seitenzahlverifizierung der Hitler'schen Ausführungen wird verzichtet. Verzichtet wird auch auf weitergehende detaillierte Kommentare dazu. Wer sich in die diesbezügliche Gedankenwelt näher hineinversetzen will, dem sei ohnehin die Gesamtlektüre dieses Buches einmal anheimgestellt.

5. 7. 41:

Es sei fraglich, ob man in Rußland ohne den Popen auskomme; der Pope habe den Russen getröstet darüber, daß er zur Arbeit verurteilt ist; dafür werde es ihm im Jenseits gut gehen

11./12. 7. 41:

Wenn einer sagt: Der Mensch braucht eine Stätte, bei der er Trost und Hilfe sucht in der Not, - ich glaube das nicht! Daß die Menschheit diese Wege geht, ist eine Sache der Tradition und der Gewöhnung.

Das lehrt uns die bolschewistische Front: sie kennen keinen Gott und doch verstehen sie, zu sterben. Wenn der Nationalsozialismus längere Zeit geherrscht hat, wird man sich etwas anderes gar nicht mehr denken können. Auf die Dauer vermögen Nationalsozialismus und Kirche nicht nebeneinander zu bestehen.

Auf Einwurf Chr(ista) Schr(oeders), ob das einen neuen Krieg bedeute: Nein, einen Krieg bedeutet das nicht; die ideale Lösung sei, die Kirchen auf Aussterbe-Etat zu setzen dadurch, daß man sie allmählich und ohne Gewalt an sich selbst verkümmern läßt; in diesem Falle brauche man weiter keinen Ersatz zu schaffen, was schrecklich wäre.

14. 10. 41:

Man muß sich fragen: Ist es nicht Erleichterung des Regierens, mit den Kirchen ein Konkordat abzuschließen? Am Ende ist dazu doch eines zu sagen:

1. begibt sich die Staatsautorität in die Hand einer dritten Macht, von der nicht sicher ist, wie lange sie zuverlässig ist. … Wenn der Kirche oder den Pfarrern eines Tages der Kurs des Staates nicht mehr paßt, wenden sie sich, wie wir es jetzt sehen, gegen den Staat. Auch die Vergangenheit zeigt warnende Beispiele.

2. eine ganz grundsätzliche Frage: Glaubt man, daß, auf die Ferne gesehen, mit Unwahrheit und Lüge ein Erfolg erzielt wird? …

Ich sage mir, daß, auf die Dauer gesehen, alles, was der Staat durch das Paktieren mit der Kirche erreicht, doch nur eine vorübergehende Erleichterung ist, da früher oder später das exakte Wissen eine solche Sache als schädlich enthüllt. Der Staat würde seine Existenz auf einer Basis aufbauen, die eines Tages zusammenbricht. …

Deshalb habe ich die Partei immer vom Kirchlichen freigehalten. Ich hätte riskieren müssen, daß meine katholischen und protestantischen Anhänger sich mit Weihwasserkessel und Bibel gegeneinander erheben und sich unversehens die Köpfe einschlagen! Mit dem 'Gottesdienst' dieser Kirchen haben wir deshalb nie etwas zu tun gehabt. Und wenn ich es so vielleicht im Augenblick etwas schwerer hätte, so war ich doch dessen sicher, daß mir nicht der Nächstbeste die gewonnenen Kräfte wieder würde entwinden können. Die augenblickliche Hilfe konnte später eine Belastung werden! Trotzdem wird man hier klug sein und nicht Kampf suchen, wo es sich vermeiden läßt. …

Wenn einer ein metaphysisches Bedürfnis hat, so kann ich ihm nicht das Parteiprogramm geben! Bis aber die Wissenschaft dazu kommt, jedem metaphysischen Bedürfnis etwas zu bieten, das kann lange dauern.

Ich halte deshalb nicht für richtig, sich jetzt in einen Kampf mit der Kirche zu stürzen. Am besten, man läßt das Christentum langsam verklingen; ein langsames Ausklingen hat auch etwas Versöhnendes in sich: Das Dogma des Christentums zerbricht vor der Wissenschaft. Die Kirche muß jetzt schon mehr und mehr Konzessionen machen. Tausend Dinge werden allmählich hinfällig. …

Die Religion war primär eine Unterstützung des Baues einer menschlichen Gesellschaft, war Zweck, nicht Selbstzweck! Ein Kapitel für sich ist es, daß die Religion in der Gestalt der Kirche allmählich aus dem Mittel zum Zweck ein Selbstzweck wurde: das Instrument zur Erhaltung der Macht, die sich Pfaffen auf Kosten der Gesamtheit verschafft haben.

19. 10. 41:

Daß die antike Welt so schön, so heiter und unbeschwert war, erklärt sich daraus, daß sie von zwei Seuchen verschont geblieben ist: der Syphilis und dem Christentum! Das Christentum war der Vor-Bolschewismus, die Moblisierung von Sklavenmassen durch den Juden zum Zwecke der Aushöhlung des Staatsbaues; deshalb haben sich die anständigen römischen Elemente von der neuen Lehre auch ferngehalten. Dabei will Rom dem Bolschewismus zum Vorwurf machen, daß er die christlichen Kirchen zerstört hat, als ob das Christentum damals mit den heidnischen Tempeln nicht das gleiche getan hätte!

21. 10. 41:

Der Chef sagte unter Hinweis auf das Buch "Der Scheiterhaufen" etwa folgendes ("Der Scheiterhaufen. Worte großer Ketzer" Hrsg. von Kurt Eggers, Dortmund 1941):

Wenn man sieht, wie klar unsere besten Männer schon vor 100 oder 200 Jahren die Auswirkungen des Christentums erkannt haben, ist es beinahe eine Schande, daß wir noch nicht weiter sind. Ich habe gar nicht gewußt, wie klar ein Mann wie Julian die Christen und das Christentum beurteilten. Man muß das einmal lesen. Das Christentum war alles zerstörender Bolschewismus … Die entscheidende Verfälschung der Lehre des Jesus kam durch Paulus. Er hat raffiniert die Lehre des Galiläers für seine Zwecke umgefälscht und ausgewertet. Der Galiläer hatte die Absicht sein galiläisches Land von den Juden zu befreien, er wandte sich mit seiner Lehre gegen den jüdischen Kapitalismus, und deshalb haben die Juden ihn getötet. Einer der gemeinsten Kommissare gegen ihn war Saulus. Als Saulus auf einmal merkte, daß sich für die Lehre des Galiläers viele Menschen sogar töten ließen, da kam das, was man 'die Erleuchtung des Saulus' nennt: es war die Einsicht, daß man mit der Lehre des Galiläers, wenn man es richtig anpackte, den römischen Staat, den die Juden haßten, zum Zusammenbruch bringen könne. …

Saulus-Paulus kam die Erleuchtung, daß man den römischen Staat zum Zusammenbruch bringen könne, wenn man die Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor einem alleinigen Gott durchsetzte und wenn man die eigenen, angeblich göttlichen Auffassungen über die staatlichen Gesetze erhoben würde. Wenn man dann noch dazu es fertigbrachte, einen Mann als den Stellvertreter Gottes auf Erden durchzusetzen, dann stand dieser Mann mit seinem Gebot und seiner Lehre über allen staatlichen Gesetzen.

Die antiken Staaten hatten Götter und dienten diesen Göttern; aber die Götter-Diener waren Männer des Staates, denn die Götter waren ja die Schutzpatronen der Städte und Staaten. Es wurde die Kraft, die das Volk geschaffen hatte, in diesen Göttern angebetet. Von einem universalen Gott zu reden, ist der Antike gar nicht eingefallen. … Die Römer waren also äußerst tolerant; man hat in Rom deshalb auch einen jeden anbeten lassen, was er wollte, ja, man hatte sogar einen Platz im Tempel dem unbekannten Gott freigehalten; außerdem jeder konnte seinen Gott anbeten wie er wollte, und jeder konnte ohne weiteres seine Auffassung von den Göttern verkünden.

Diese Gelegenheit machte sich Paulus zunutze, denn damit hatten er und seine Männer den Freibrief für den Kampf gegen den römischen Staat. Bis heute blieb diese Methode die gleiche: unter der Tarnung angeblich religiöser Lehren hetzen die Priester gegen den Staat. …

Mit seinem Christentum stellte Paulus der römischen Staatsidee die Idee eines überstaatlichen Reiches gegenüber. Paulus proklamierte die Gleichheit aller Menschen und einen Gott, und indem er dies durchsetzte, mußte die römische Staatsgewalt verblassen. …

Erst unter den Einwirkungen des germanischen Geistes hat nach und nach das Christentum seinen offen bolschewistischen Charakter verloren. Während er abstirbt, will der Jude nun wieder mit dem Urchristentum, dem Bolschewismus beginnen. Das Christentum hat für tausend Jahre das Aufblühen der germanischen Welt niedergehalten: erst im 18. Jahrhundert kamen wir wieder annähernd auf ein Niveau, das die Römer bis zum Einbruch des Christentums bereits hatten.

24. 10. 41:

Die Kirche liegt in immerwährendem Streit mit der freien Forschung. Es gab Zeiten, in denen der Widerstand der Kirche gegen die Forschung so groß war, daß harte Zusammenstöße, geradezu Explosionen erfolgten. Darauf hat sich die Kirche zurückgezogen, und die Wissenschaft hat an Schlagkraft verloren.

Heute wird in der Religionsstunde um 10 Uhr die Schöpfungsgeschichte mit den Worten der Bibel erzählt, während in der Naturkundestunde um 11 Uhr die Entwicklungstheorie vertreten wird. Beides widerspricht sich absolut. Ich habe als Schuljunge den Widerspruch empfunden und mich hineinverbohrt; ich habe dem Professor der zweiten Stunde vorgehalten, was der der ersten gesagt hatte, so daß die Lehrer in Verzweiflung gerieten.

Die Kirche hilft sich damit, daß sie erklärt, die Darstellung der Bibel sei sinnbildlich zu verstehen. Würde einer vor vierhundert Jahren das behauptet haben, so wäre er unter frommen Gesängen geröstet worden.

Weil sie nunmehr tolerant ist, hat die Kirche gegenüber dem Zustand im vorigen Jahrhundert wieder Boden gewonnen. Sie nützt dabei aus, daß es im Wesen der Wissenschaft liegt, grundsätzlich der Wahrheit nachzustreben. Die Wissenschaft ist nichts anderes wie eine Leiter, die man erklimmt. Mit jeder Stufe sieht man ein bißchen weiter, aber an das Ende der Dinge sieht auch die Wissenschaft nicht. Stellt sich heraus, daß das jüngst für wahr Gehaltene auch nur eine Teilerkenntnis ist, so erklärt die Kirche: Wir haben es ja gleich gesagt! Aber: die Wissenschaft kann nicht anders, denn wollte sie dogmatischen Charakter annehmen, so würde sie selbst Kirche.

Wenn man sagt, der Blitz wird vom lieben Gott gemacht, so ist das nicht unrichtig; sicher ist aber, daß der liebe Gott den Blitz nicht so dirigiert, wie die Kirche behauptet. Die Definition der Kirche ist ein Mißbrauch der Schöpfung für irdische Zwecke. Die wirkliche Frömmigkeit ist dort, wo das tiefste Wissen über die Unzulänglichkeit des Menschlichen wohnt. … Liest man Streitschriften aus dem französischen 17. Und 18. Jahrhundert oder die Unterhaltungen Friedrichs II. mit Voltaire, dann muß man sich schämen über den Tiefstand unserer heutigen geringen Einsicht!

25. 10. 41: (Zitierung mit dem ausdrücklichen Zusatz. Inhaltliche Ablehnung wesentlicher Teile des ausgeführten)

Vor dem Reichstag habe ich dem Judentum prophezeit (Reichstagsrede vom 30. 1. 1939), der Jude werde aus Europa verschwinden, wenn der Krieg nicht vermieden bleibt. Diese Verbrecherrasse hat die zwei Millionen Toten des Weltkrieges auf dem Gewissen. Jetzt wieder Hunderttausende. Sage mir keiner: Wir können sie doch nicht in den Morast schicken! Wer kümmert sich denn um unsere Menschen? Es ist gut, wenn uns der Schrecken vorausgeht, daß wir das Judentum ausrotten. Der Versuch einen Judenstaat zu gründen, wird ein Fehlschlag sein.

Das Buch mit den Aussprüchen des Kaisers Julian müßte man in Millionen verbreiten: Eine wunderbare Einsicht, antike Weisheit, ein Erkennen, es ist phantastisch! Überhaupt: Mit welcher Klarheit hat das 18. und vor allem das vergangene Jahrhundert das Christentum und die Entwicklung, welche die Kirche genommen hat, beurteilt!

Planmäßig ist das Christentum darauf ausgegangen, die Geistesarbeit der Antike auszurotten. Was auf uns kam, ist uns durch Zufall überliefert, oder es sind liberale römische Schriftsteller. …

Ich glaube keine Sekunde an irgendeine Schilderung römischer Cäsaren, wie sie uns überliefert ist. Nie hat Nero Rom angezündet, das haben die Christen-Bolschewiken gemacht, wie die Kommune 1871 Paris und 1933 den Reichstag in Flammen steckte.

Es gibt eine gewisse protestantische Muckerei, die unerträglich ist; der Katholizismus hat das Gute, daß er die evangelische Sittenstrenge nicht kennt. In katholischen Gegenden lebt es sich insofern besser, als der Geistliche menschlichen Schwächen selber leichter erliegt und weiß er zuläßt, daß seine Schäflein das Sündigen nicht allzu schwer nehmen. Wovon soll die Kirche leben, wenn nicht von der Sünde der Menschen? Wenn einer nur an die Beichte glaubt, ist es schon gut. Der Ablaß, der mit einer kleinen Buße verbunden ist, gibt der Kirche ihr Brot; dann will der neue Erdenbürger getauft sein; und so wächst stetig das Geschäft. Daher gibt es in katholischen Gegenden auch viel mehr uneheliche Geburten als in evangelischen. In Österreich war der Protestantismus frei von Muckerei, eine Protestbewegung, und stand absolut auf deutscher Seite.

Ein Unfug ist es, daß einer, wenn er aus der Kirche austritt, noch ein Jahr weiter Steuer zahlen muß. Es soll so werden, daß eine bloße Zuschrift: Ich trete aus! Genügt und daß von Stund an nichts mehr gezahlt zu werden braucht; wir wollen damit nur noch warten, bis Friede ist. …

Was hat sich die Kirche im Laufe dieser eineinhalbtausend Jahre nicht für Einnahmequellen erschlossen: Es ist ein endloses Geschäft! Ich bin gezwungen, ungeheuer viel bei mir aufzuhäufen; das bedeutet aber nicht, daß in mir erlischt, was ich, ohne gleich zu reagieren, zur Kenntnis nehme. Es kommt auf ein Konto; eines Tages wird das Buch herausgezogen. …

Es hat keinen Sinn, künstlich sich zusätzliche Schwierigkeiten zu machen; je klüger man verfährt, desto besser. Wenn ich so Reden von einem Menschen wie dem (Bischof) Galen lese, so sage ich mir: Nadelstiche zu versetzen ist zwecklos; besser man schweigt …

Nur mit geistigen Mitteln kommt man nicht weiter Elementen gegenüber, denen es auf die Wahrheit gar nicht ankommt. Wie gegen eine Kirche vorgehen, deren Priester genau wissen, daß alles Betrug ist, die aber davon leben? Ich breche in deren Geschäft ein, sie sehen in mir einen Eindringling in ihre Existenz! …

Unzählige gehen heute schon weg; aber es gibt einen gewissen Restbestand, mit dem ich nicht fertig werde. Den heiligen Vater kann ich nicht bekehren; wenn einer einen so riesigen Betrieb hat, kann ich ihm doch nicht einreden, er solle es aufgeben; er lebt doch davon! Ich gebe ihm auch zu, er kennt nichts anderes, wenn er darin aufgewachsen ist.

Bei Frauen bin ich dagegen, daß man mit Gewalt eingreift; sie können ein anderes Leben nicht mehr führen, sie sind hilflos. …

11. 11. 41:

Ich habe immer die Auffassung vertreten, die Partei tut gut, sich von der Kirche fernzuhalten: Feldgottesdienste hat es bei uns nie gegeben. Lieber, sagte ich mir, lasse ich mich selber eine Zeitlang exkommunizieren oder verbannen. Die Freundschaft der Kirche kommt einem teuer zu stehen, denn - habe ich Erfolg, so muß ich mir nachher sagen lassen: Durch den Segen der Kirche hast du's erreicht! Da mache ich die Sache doch lieber ohne Segen, und es wird mir keine Rechnung vorgelegt!

Rußland war der bigotteste Staat, den es gibt. Alles war mit religiösen Zeremonien verbunden. Das hat die Russen aber nicht gehindert, Prügel zu bekommen. Das Gebet der 140 Millionen Russen hat offenbar weniger genützt beim lieben Gott als der zahlenmäßig viel kleineren japanischen Nation. Genau so war im Weltkriege das Gewicht ihrer Gebete offenbar geringer als das unserer Gebete. Aber nicht einmal im Innern vermochten die Pfaffen die Erhaltung des bestehenden Zustandes zu sichern: es kam der Bolschewismus! Ja, die pfäffisch-reaktionären Kreise haben dazu mitgeholfen.

Die Pfaffen werden gefährlich, wenn es einem Staat schlecht geht; dann sammeln sich die negativen Elemente und schaffen damit Unruhe. Was haben die Päpste doch den deutschen Kaisern für Schwierigkeiten bereitet! Gern würde ich sämtliche Pfaffen antreten lassen, damit sie dafür sorgen, daß so ein englischer oder ein russischer Flieger nicht kommt. Aber dem Staat nützt momentan mehr, wer die Pak (Panzerabwehrkanone) macht, als wer mit dem Wedel herumgeht.

In den romanischen Ländern ist es immer an der Kippe gewesen, daß der Bolschewismus durch eine Radikalkur beseitigt, was an sich nicht mehr haltbar ist. Als im Altertum die Plebejer für das Christentum mobilisiert wurden, hatte die Intelligenz mit den antiken Kulten nichts mehr zu tun. Heute kann niemand mehr die Lehre der Kirche ernst nehmen, der mit der Naturforschung vertraut ist. Was im Widerspruch steht zu den Naturgesetzen, kann nicht von Gott sein, und der liebe Gott macht mit dem Blitzstrahl auch vor der Kirche nicht Halt. Die ganz wesentlich auf antiken Vorstellungen aufgebaute religiöse Philosophie steht unter dem Niveau der heutigen Menschheit. In Italien und Spanien endet das mit dem Gurgelabschneiden. Das will ich für uns nicht.

Ich weiß nichts über dass Jenseits und bin ehrlich genug, das zu bekennen. Andere behaupten, davon etwas zu wissen, ohne daß ich ihnen nachweisen kann, es sei anders. Einem Bauernweibchen will ich meine Philosophie nicht aufzwingen. Die Lehre der Kirche ist auch eine Art Philosophie, wenn auch nicht nach der Wahrheit strebend. Nachdem die Menschen große Dinge nicht mitdenken können, so schadet das nichts. Irgendwie mündet das alles ein in eine Erkenntnis der Hilflosigkeit des Menschen dem ewigen Naturgesetz gegenüber. Das ist nicht schädlich, wenn wir nur zu der Erkenntnis kommen, daß die ganze Rettung des Menschen darin liegt, daß er die göttliche Vorsehung zu begreifen versucht und nicht glaubt, er könne sich gegen das Gesetz aufbäumen. Wenn der Mensch sich also demütig den Gesetzen fügt, dann ist das wunderbar.

Nachdem alle Erschütterungen von Übel sind, hielte ich es für das schönste, wenn wir die Einrichtung allmählich durch eine geistige Aufklärung überwinden und schmerzlos machen, zu einer gewissen Milde bringen. Das allerletzte könnten Frauenklöster sein!

13. 12. 41:

Der Krieg wird sein Ende nehmen und ich werde meine letzte Lebensaufgabe darin sehen, das Kirchenproblem noch zu klären. Erst dann wird die deutsche Nation ganz gesichert sein. Ich kümmere mich nicht um Glaubenssätze, aber ich dulde nicht, daß ein Pfaffe sich um irdische Sachen kümmert. Die organisierte Lüge muß derart gebrochen werden, daß der Staat absoluter Herr ist.

In meiner Jugend stand ich auf dem Standpunkt: Dynamit! Heute sehe ich ein, man kann das nicht über das Knie brechen. Es muß abfaulen wie ein brandiges Glied. So weit müßte man es bringen, daß auf der Kanzel nur lauter Deppen stehen und vor ihnen nur alte Weiblein sitzen. Die gesunde Jugend ist bei uns.

Gegen eine absolute Staatskirche, wie sie die Engländer haben, habe ich nichts. Aber es kann nicht wahr sein, daß man auf die Dauer durch eine Lüge eine Welt halten kann. Erst im sechsten, siebenten, achten Jahrhundert ist unseren Völkern durch die Fürsten, die es mit den Pfaffen hielten, das Christentum aufgezwungen worden. Vorher haben sie ohne diese Religion gelebt. Ich habe sechs SS-Divisionen, die vollständig kirchenlos sind und die doch mit der größten Seelenruhe sterben.

Christus war ein Arier, aber Paulus hat seine Lehre benutzt, die Unterwelt zu moblisieren und einen Vorbolschewismus zu organisieren; mit dessen Einbruch ging die schöne Klarheit der antiken Welt verloren. Was ist das für ein Gott, der nur Wohlgefallen hat, wenn die Menschen sich vor ihm kasteien! Ein ganz einfaches, klares, einleuchtendes Verfahren: Der liebe Gott setzt die Voraussetzungen für den Sündenfall; nachdem es mit Hilfe des Teufels endlich geklappt hat, bedient er sich einer Jungfrau, um einen Menschen zu gebären, der durch seinen Tod die Menschheit erlöst! Der Mohammedanismus könnte einen doch vielleicht noch für seinen Himmel begeistern. Aber wenn ich mir den faden christlichen Himmel vorstelle! Da hat man einen Richard Wagner auf der Erde gehabt, und drüben hört man Halleluja und sieht nichts als Palmwedel, Kinder im Säuglingsalter und alte Menschen. Ein Insulaner verehrt wenigstens noch Naturkräfte. Das Christentum ist das Tollste, das je ein Menschengehirn in seinem Wahn hervorgebracht hat, eine Verhöhnung von allem Göttlichen. Ein Neger mit seinem Fetisch ist ja einem, der an das Wunder der Verwandlung ernstlich glaubt, turmhoch überlegen.

Es ist gut, daß ich die Pfaffen nicht hereingelassen habe in die Partei. Am 21. März 1933 - Potsdam - war die Frage: Kirche oder nicht Kirche? Ich habe den Staat gegen den Fluch der beiden Konfessionen erobert; wenn ich damals angefangen hätte, mich der Kirche zu bedienen - wir sind an die Gräber gegangen, während die Männer des Staates in der Kirche waren -, so würde ich jetzt das Schicksal des Duce teilen; für sich ist er ein Freigeist, aber er hat begonnen mit Konzessionen, während ich mich an seine Stelle mehr nach der revolutionären Seite gewandt hätte. Ich würde im V(atikan) einmarschieren, die ganze Gesellschaft herausholen. Ich würde sagen: Verzeihung, ich habe mich geirrt! Aber: die sind weg!

Immerhin, wir wollen nicht wünschen, daß die Italiener oder die Spanier das Christentum verlieren: Wer es hat, hat stets Bazillen bei sich!

14. 12. 41:

(Reichskirchen)Minister Kerrl wollte im edelsten Sinne eine Synthese herstellen zwischen Nationalsozialismus und Christentum. Ich glaube nicht, daß das möglich ist; der Grund liegt im Christentum selbst.

Das, womit ich mich noch abfinden könnte, ist das Christentum der päpstlichen Verfallszeit; sachlich gesehen ist es gefährlich, propagandistisch ist es eine Lüge. Aber ein Papst, der, wenn schon er ein Verbrecher war, doch große Meister beschäftigt und viele Schönheiten geschaffen hat, ist mir sympathischer als ein protestantischer Pfarrer, der zurückgeht auf den Urzustand des Christentums.

Das reine Christentum, das sogenannte Urchristentum, geht auf die Wahrmachung der christlichen Theorie aus: Es führt zur Vernichtung des Menschentums, ist nackter Bolschewismus in metaphysischer Verbrämung.

8. 2. 42:

Der größte Krebsschaden sind unsere Pfarrer beider Konfessionen! Ich kann ihnen jetzt die Antwort nicht geben, aber das kommt alles in mein großes Notizbuch. Es wird der Moment kommen, wo ich mit ihnen abrechne ohne langes Federlesen.

Wir wissen nicht, was wirklich gefährlicher ist: wenn ein Pfaffe vaterländisch tut oder wenn er sich feindlich zeigt. So, wie es lief, haben sie mir zu meinem Entschluß verholfen. Solange ich wild bin, bin ich nicht gefährlich. Wenn ich einmal ruhig geworden bin, dann steht bei mir ein Entschluß fest, und dann wollen wir sehen, wer dann brüllt! Ich werde über juristische Zwirnsfäden nicht stolpern in solchen Zeiten. Da entscheiden nur Zweckmäßigkeitsvorstellungen! Ich schätze, daß in zehn Jahren das alles ganz anders aussieht.

Um die grundsätzliche Lösung kommen wir nicht herum. Glaubt man, daß es notwendig ist, auf eine Sache, die man als Unwahrheit begreift, die menschliche Gesellschaft aufzubauen, so ist die Gesellschaft gar nicht erhaltenswert. Glaubt man, daß die Wahrheit genügend Fundament sein kann, dann verpflichtet einen das Gewissen, für die Wahrheit einzutreten und die Unwahrheit auszurotten. Jedes Jahrhundert, das sich mit dieser Kulturschande weiterhin belastet, wird von der Zukunft gar nicht mehr verstanden werden. Wie der Hexenwahn besiegt werden mußte, so muß auch dieser Rest beseitigt werden. Aber man braucht erst ein gewisses Fundament.

26. 2. 42:

Es wird das unvergängliche Verdienst der nationalsozialistischen Bewegung sein, daß sie verstanden hat, den Lauf der Revolution im rechten Augenblick abzustoppen. Das ist ein schönes Wort: Volkserhebung! Unzählige Revolutionen hat es gegeben, in denen der Wagen die Bergeshöhe erreicht hat, um dann zerschmettert in der Tiefe anzukommen. Ganz selten ist es geglückt, eine Revolution in die Evolution überzuleiten. … Die Masse hat kein Gefühl dafür, wo die Zerstörung anfängt, sinnlos zu werden. …

Die Kluft zwischen den Vermögenden und den Unvermögenden kann man heute mit dem Trost der Kirche nicht mehr ganz überbrücken. Ich muß gestehen, wenn ich die Wahl hätte, es mir auf Erden gut gehen zu lassen oder jetzt zu darben, dafür aber im Himmel Halleluja zu singen, ich würde mich nicht für das Singen entscheiden. … Wir stehen heute sicher in einer der größten Umwälzungen, welche die menschliche Geschichte kennt. Im Grunde ist es der Zusammenbruch des Christentums, was wir erleben. Angefangen hat das mit der Lutherischen Revolution. Die Brandfackel war die These von der Freiheit des Wortes und des Glaubens; das Erschütternde war das Sichaufbäumen gegen die Autorität. Es gab bis dahin ja nur eine Autorität, die des Papstes. Dem weltlichen Arm war seine Macht vom Papst nur geliehen. Auf die Dauer kann sich das Dogmengebäude gegen die Erkenntnisse des Geistes nicht halten.

Wollte man die Bibel in ihrem ganzen Umfang veröffentlichen, so könnte sich heute kein Mensch mehr ganz dazu bekennen; man kann auch nicht im Unterricht um elf Uhr das Gegenteil von dem verkünden, was um zehn Uhr gelehrt wurde. Auch die antike Welt ist daran zugrunde gegangen, daß der Himmel ihrer Mythologie nicht mehr zu dem Bild paßte, welches die sozialen Verhältnisse boten....

Wenn der liebe Gott an der Erkenntnis ein Interesse hätte, wozu dann die Knieschienen und Daumenschrauben? Nun kommt dazu, daß unter diesen Katholiken der größte Teil das selber gar nicht glaubt. Nur die alten Weiblein gehen in die Kirche: weil sie der irdischen Lust entsagen müssen. Das ist lauter dürres Holz, zu gewinnen ist dabei nichts. …

Das, was der Mensch vor dem Tier voraushat, der vielleicht wunderbarste Beweis für die Überlegenheit des Menschen, ist, daß er begriffen hat, daß es eine Schöpferkraft geben muß. Man braucht nur durch ein Teleskop oder durch ein Mikroskop zu sehen: Da erkennt man, daß der Mensch die Fähigkeit hat, diese Gesetze zu begreifen. Da muß man aber doch demütig werden! Wird diese Schöpferkraft mit einem Fetisch identifiziert, dann bricht die Gottesvorstellung zusammen, wenn der Fetisch versagt.

Warum überhaupt kämpfen, wenn es mit Gebet zu machen ist! Im spanischen Konflikt hätte die Kirche sagen müssen, wir verteidigen uns durch die Kraft des Gebets. Sie hat aber die Heiden finanziert, mittels deren die heilige Kirche sich ihr Leben erhalten hat.

Wenn ich ein armer Teufel bin und keine Zeit mehr habe zu bereuen, aus! Habe ich vorher zehn Mark gehabt und die vorausbezahlt, dann ja! Das soll nun der Schöpfer der Welt gewollt haben!

Wenn ein kleines Bauernweibchen oder ein kleiner Prolet das glaubt, gut, da sage ich gar nichts. Aber wenn Leute, die intelligent sind, einem so satanischen Aberglauben huldigen! Dafür hat man Hunderttausende gefoltert! Und das mit der Heuchelei der Liebe! Ich glaube nicht, daß etwas, was eine Lüge ist, ewig Bestand hat. Ich glaube nicht, daß auf die Dauer die Wahrheit unterdrückt werden kann. Sie muß siegen. …

Ich persönlich werde mich einer solchen Lüge niemals fügen, nicht weil ich andere ärgern will, sondern weil ich darin eine Verhöhnung der ewigen Vorsehung erkenne. Ich bin froh, daß ich mit denen keine innere Verbindung habe. … Wie wir am 21. März 1933 zur Kirche gehen sollten, habe ich mich geweigert. Ich habe mich nie in der Partei nie darum gekümmert, welcher Konfession meine Umgebung war. Ich möchte nicht im Umkreis von zehn Kilometern einen Pfaffen sehen, wenn ich heute beerdigt werde. Wenn mir ein solcher helfen könnte, dann würde ich an der Vorsehung verzweifeln. Ich handle entsprechend dem, was ich erkenne und begreife. Ich kann nicht verhindern, daß so einer still betet, aber Fluch dulde ich nicht, und auf deren Gebet verzichte ich.

7. 4. 42:

Beim Abendessen bemerkte der Chef, daß es eigentlich ein Skandal sei, daß die Kirchen vom Deutschen Reich im Gegensatz zu allen ausgesprochen katholischen Ländern - Spanien ausgenommen - außerordentlich hohe Staatszuschüsse erhalten.

Wenn er sich nicht irre, bekämen die Kirchen auch heute noch 900 Millionen RM. Dabei bestehe ein Hauptteil der Pfarrerarbeit im Unterminieren der nationalsozialistischen Politik, wie ja die katholische Kirche auch stets versucht habe, sich in Zeiten nationaler Anspannung auf Kosten der deutschen Allgemeinheit rücksichtslos machtmäßige Positionen zu erwerben. Die Not der deutschen Kaiser und des Reiches sei für die Pfaffen nie ein Anlaß gewesen, ihre deutsche Gesinnung unter Beweis zu stellen, sondern stets nur, ihre egoistischen Geschäfte zu betreiben.

Es sei deshalb wirklich zu bedauern, daß ein so gewaltiger Mann wie Luther, der die katholische Kirche so stark in ihren Grundfesten erschüttert habe, nur Epigonen als Nachfolger gefunden hätte. Andernfalls wäre es niemals möglich gewesen, die katholische Kirche in Deutschland noch einmal auf eine wenigstens einigermaßen solide Basis zurückzuführen und damit ihren Bestand bis in die heutige Zeit hinein zu sichern.

Er überlege sich ernstlich, ob man die bisher der Kirche gezahlten Millionen nicht zum größten Teil benutzen solle, um im Osten Wehrbauernhöfe einzurichten.

Der katholischen Kirche möchte er eigentlich nur einen Höchstbetrag von 50 Millionen zuwenden. Dieser sei am besten an die Kirchenfürsten zu zahlen, denen man die Verteilung anheimstellen könne, da eine "gerechte" Verteilung bei der Kirche ja "offiziell" als verbürgt angesehen werden dürfe.

Mit diesen 50 Millionen würde man mehr erreichen als mit den bisher gezahlten 900 Millionen. Denn: Da die Kirchenfürsten über sie nach eigenem Gutdünken verfügen dürften, würden sie nach den geschichtlichen Erfahrungen ihm dieses Betrages wegen die Stiefel ablecken. Und wenn man sich die Kirchenfürsten mit Geld kaufen könne, solle man es ja tun. Er stehe auch auf den Standpunkt, daß man jeden Kirchenfürsten, der sein Leben genießen wolle, um Gottes willen nicht stören solle. Gefährlich seien nur die hohläugigen fanatischen Asketen.

Nach diesem Kriege werde er Maßnahmen treffen, die der katholischen Kirche die Nachwuchsgewinnung außerordentlich erschweren würden. Er würde nämlich nicht mehr zulassen, daß Kinder sich bereits mit 10 Jahren für den Eintritt in geistliche Orden entscheiden, wo sie noch gar nicht wissen, was sie mit dem Zölibat und so weiter alles auf sich nahmen. Nach dem Kriege würde nur der sich zum geistlichen Beruf entschließen können, der das 24. Lebensjahr vollendet und Arbeitsdienst und Wehrdienst hinter sich habe. Wer dann noch das Zölibat auf sich nehmen wolle, der möge mit Gott Priester werden. …

Interessant sei in diesem Zusammenhang zu wissen, wie sich die Klöster bisher gefüllt haben. Für Frauen gelten ja besondere Momente überwiegend gefühlsmäßiger Art als Anlaß zum Eintritt in ein Kloster. Bei den Männern hingegen seien es überwiegend nicht Gründe des Gefühls oder der Vernunft gewesen, sondern äußere Notlage und so weiter.

Bei den Klosterprozessen habe er in vielen Fällen feststellen müssen, daß Arbeitslose in ihrer Not in die Klöster eingetreten seien und, wenn sie später versucht hätten, aus den Klöstern wieder zu entkommen, von den Pfaffen wieder eingefangen und zurückgebracht worden seien. Es sei deshalb erfreulich, daß man durch Auflösung der Klöster manchen arbeitsfähigen und arbeitswilligen Mann seine persönliche Freiheit zurückgeben könne. Die Auflösung der Klöster mache, da die Klöster überwiegend eigene Rechtspersönlichkeit hätten und daher durch private Verträge mit dem Prior liquidiert werden könnten, keine großen Schwierigkeiten.

Man setze einfach dem Prior eine monatliche Rente von 500,-RM und seinen engsten Mitarbeitern monatlich Renten von 200,-RM oder 100,-RM aus, und schon seien sie in vielen Fällen zur Aufgabe ihres klösterlichen Daseins bereit. Im früheren Österreich habe man auf diese Weise an die 1000 Klöster aufgelöst.

Zu bedauern sei, daß in der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche die Evangelische Kirche nicht als Gegner von Format gewertet werden könne.

Schon Äußerlichkeiten beim alljährlichen Diplomatenempfang hätten ihm das gezeigt. Der Nuntius und der ihm begleitende Bischof seien so prächtig gekleidet gewesen, daß sie die katholische Kirche wahrhaft würdevoll repräsentiert hätten. Die Vertreter der Evangelischen Kirche hätten unsaubere Kragen und dreckige Gehröcke gehabt und in diesem Aufzug das ganze Bild so gestört, daß er ihnen habe mitteilen lassen, daß er bereit sei, ihnen auf Staatskosten zum nächsten Diplomatenempfang eine anständige Bekleidung zur Verfügung zu stellen. Ihre Vertreter seien derartige Spießer, daß sie seinerzeit den Reichsbischof sogar bei ihm madig zu machen versucht hätten mit der Mitteilung, daß er sich für 1400,-RM ein neues Schlaf- und Wartezimmer angeschafft habe. Er habe den Herren darauf nur erwidern können, wenn sie einen Anschaffungspreis von 30 000,- RM beim Reichsbischof als dem Papst der Evangelischen Kirche beanstandet hätten, hätte er nichts dagegen einzuwenden gehabt und die Kosten auf den Staat übernommen. So aber sprächen sie sich selbst ihr Urteil.

Diese Art Männer habe gar nicht das Format, um die Evangelische Kirche zu einem nicht zu unterschätzenden Gegner der katholischen Kirche zu machen. Sie seien noch nicht einmal ehrlich.

So habe Reichsmarschall Göring seinerzeit, als der Kampf um die Absetzung des Reichsbischofs im Gange war, eine Telefonat des Pfarrers Niemöller mitschreiben lassen, indem im Hinblick auf eine Besprechung bei Hindenburg gesagt wurde:

"Dem Alten haben wir eine letzte Ölung gegeben. Wir haben ihn so eingeschmiert, daß er den Hurenbock jetzt endgültig raussetzt."

Als Niemöller bei einer Vorsprache am selben Tage mit heuchlerischen Worten und vielen Bibelzitaten ihn, den Führer, zu einem Eingreifen gegen den Reichsbischof habe bestimmen wollen, habe er den Inhalt dieses Telefonats durch Göring verlesen lassen. Göring habe dagestanden wie weiland Bismarck bei der Kaiserproklamation in Versailles, mit breitgestellten Beinen.

Die Abgesandten der Evangelischen Kirche seien daraufhin vor Schreck so in sich zusammengerutscht, daß sie fast nicht mehr dagewesen seien.

Reichspräsident von Hindenburg, dem er anschließend über diesen Vorfall Bericht erstattet habe, habe darauf hin unter diese ganze Auseinandersetzung mit der Bemerkung einen Strich gezogen: "Jedes Pfäfflein dünkt sich doch wahrlich ein Papst zu sein."

11. 4. 42:

Beim Abendessen betonte der Chef, daß Rosenbergs "Mythos" nicht als ein parteiamtliches Werk angesehen werden könne. Er, der Chef, habe es seinerzeit ausdrücklich abgelehnt, diesem Buch parteipäpstlichen Charakter zu geben, da schon sein Titel schief sei. Denn man könne nicht sagen, daß man den Mythos des 20. Jahrhunderts, also etwas Mystisches, gegen die Geistesauffassungen des 19. Jahrhunderts stellen wolle, sondern müsse als Nationalsozialist sagen, daß man den Glauben und das Wissen des 20. Jahrhunderts gegen den Mythos des 19. Jahrhunderts stelle.

Bemerkenswert sei, daß die Hauptleserschaft dieses Rosenbergschen Werkes nicht unter den Altparteigenossen zu suchen sei. Man habe in der ersten Zeit nach dem Erscheinen sogar die größten Schwierigkeiten gehabt, um überhaupt die Erstlingsauflage absetzen zu können. Erst als das Werk in einem Hirtenbrief erwähnt worden sei, sei es gelungen, die ersten 10 000 Exemplare loszuwerden. Daß der Münchner Kardinal Faulhaber so dumm gewesen sei, auf einer Bischofskonferenz Zitate aus dem "Mythos" anzuführen und anzugreifen, habe erst die zweite Auflage ermöglicht. Als das Buch dann auf den Index gekommen sei, da man eine Häresie der Partei unterstellt habe, sei die Nachfrage nach dem Buch weiter gestiegen. Und als dann von der katholischen Kirche all die Kampfschriften gegen die Rosenberg'schen Gedankengänge mit all ihren Erwiderungen herausgekommen seien, sei die Auflagenziffer auf 170 000 beziehungsweise 200 000 hinaufgeklettert.

Er, der Chef, freue sich immer, wenn er feststellen müsse, daß eigentlich nur unsere Gegner in dem Buch richtig Bescheid wüßten. Ebenso wie viele Gauleiter habe auch er es nämlich nur zum geringen Teil gelesen, da es seines Erachtens auch zu schwer verständlich geschrieben sei.

7. 6. 42:

Bei … Besprechungen habe er immer wieder darauf hinweisen müssen, daß es einen Landesverrat aus idealistischer Gesinnung nicht gebe. Wenn man überhaupt ein auf der Ebene des Landesverrats liegendes Delikt auf gewisse idealistische Hemmungen zurückführen wolle, so nur das der Kriegsdienstverweigerung aus religiösen Motiven. Diesen Elementen, die aus religiöser Überzeugung nicht kämpfen wollten, müsse man aber entgegenhalten, das sie offenbar aber essen wollten, was andere erkämpfen, daß das im Sinne einer höheren Gerechtigkeit nicht angehe und man sie deshalb verhungern lassen müße. Wenn man davon Abstand genommen und sie, die sogenannten Bibelforscher, 130 an der Zahl, erschossen habe, so sei das seiner besonderen Milde zu verdanken. Übrigens hätten sich diese 130 Erschießungen wie ein die Atmosphäre reinigendes Gewitter ausgewirkt. Tausenden ähnlich Gesinnter sei bei der Nachricht von den Erschießungen der Mut vergangen, sich unter Hinweis auf irgendwelche Bibelstellen ebenfalls um den Kriegsdienst herumdrücken zu suchen.

4. 7. 42

Rosenberg habe ihm in der Kampfzeit einmal einen Leitartikel vorgelegt, indem er auf Angriffe der katholischen Kirche geantwortet habe. Er habe ihm die Veröffentlichung dieses Artikels verboten. Daß Rosenberg sich seinerzeit überhaupt auf eine Diskussion mit der Kirche eingelassen habe, habe er immer für falsch gehalten. Denn gewinnen habe Rosenberg dabei sowieso nichts können, da die aufgelockerten Katholiken dem Standpunkt der Kirche von sich aus schon innerlich kritisch gegenübergestanden hätten. Bei den strenggläubigen Katholiken hingegen habe er für seine "ketzerischen" Ausführungen nicht nur kein Verständnis erwarten dürfen, sondern es voraussehen müssen, daß die Gegenpropaganda ihn bei ihnen wegen fürwitzigen Grübelns in Glaubenssachen als einen mit einer Todsünde Belasteten mit Erfolg "diskriminieren" werde.

1. 8. 42:

Das Tischgespräch geht um das Unglaubliche der kulturellen und politischen Zustände in Amerika, wie es ein Buch schildert, das R(eichsleiter) B(ormann) dem Chef vor einigen Tagen gegeben hat. (Eric Linklater, Juan in Amerika. Stuttgart 1942). Der Gesandte H(ewel) unterstreicht, daß nicht nur in Amerika, sondern auch in England alles gläubig hingenommen wird, was man dem Volk vorsagt, und sei es noch so blöde.

Der Chef erinnert sich der Haeuser-Versammlung, die er in Stuttgart erlebt hat. Genauso sei das da gewesen! Der Kerl, ein Idiot, der geisteskrank war oder ein Schwindler erster Klasse, habe die Hörer als Ochsen, Säue, Rindviecher beschimpft, und da seien doch Leute dringesessen, die sehr ernst waren! In München habe Haeuser bei einem Wahlgang 29 000 Stimmen bekommen, weil man sich unter Haeuser-Partei eine Vertretung von Wünschen der Hausbesitzer vorgestellt habe; der Reichskanzler Stresemann hatte 27 000 Stimmen.

Der Generalfeldmarschall (Göring) wirft ein, ähnlich sei es bei uns auch mit den Bibelforschern gewesen. Der Chef: Das muß man ausrotten! Wenn die Gesellschaft vor derartigen asozialen Tendenzen kapituliert, dann löst sie sich einfach auf. Das darf man nicht dulden. Bei allen Tierstaaten ist es bereits der Fall, daß asoziale Elemente ausgemerzt werden! Sonst kann man erleben, wie wir es 1918 erleben mußten, daß im Augenblick der Schwäche diese Elemente zur Macht kommen! …

R(eichsleiter) B(ormann) spricht von den Schenkungen, mit denen Franco nahezu jeden Tag die Macht der Kirche stärkt. Der Chef: In Bayern war es genauso! Der Held hat Waldungen im Wert von 30, 40 Millionen an die Kirche zurückgegeben, Waldungen, die durch die Säkularisation an den Staat gekommen waren. Die Kirche hat es verstanden, das Diesseitige mit dem Jenseitigen auszugleichen. Die Armen haben geglaubt, sie müßten arm sein und mit Kind und Kindeskind arm bleiben, denn die anderen, die hier reich sind, ins Himmelreich gehen sie nicht ein!

Wenn man die Leute sehr dumm hält, kann man damit die einmal gegebene soziale Ordnung aufrechterhalten. So rechtfertigt sich in den Augen von Kirchenfreunden das päpstliche Regiment. Cramer-Klett sagte mir einmal, er sei Katholik geworden, als er gesehen hätte, daß Luther mit seiner Revolution die Autorität an sich erschüttert hat.

Ja, aber sage ich mir, daß der Mensch den Verstand bekommen hat, um sich seiner zu bedienen, und ich glaube nicht, daß auf die Dauer etwas bestehen kann, das sich versündigt gegen die dem Menschen gegebene Einsicht. In keiner Zeit kann einer auf etwas bestehen, was dem unterdes fortgeschrittenen Wissen widerspricht. Ich darf nicht den als Lügner bezeichnen, der auf das Weltbild des Aristoteles oder Ptolemäus schwört, solange es ein anderes nicht gibt. Aber, wenn man gegen seine Einsicht an dem alten Weltbild festhält, wird man Lügner. Es gibt kein Wissen, das sich nicht ständig ändert. In meinen Augen gehört es zur Aufrichtigkeit des Menschen, daß er an Unwahrheiten nicht festhält.

Die Kirche hat sich auf einen Standpunkt gestellt, indem sie das Rätselhafte mit ganz bestimmten Vorstellungen umgibt und erklärt. Geht sie mit der Zeit mit, dann verliert sie den Boden unter den Füßen. Folglich stellt sie sich entgegen. Über das Wesen der Erscheinungswelt ist damit nichts gesagt, daß ein Pfaffe sich eine von einem schlechten Menschen kopierte Gottesvorstellung macht. Insofern ist der Mohammedaner weiter; er sagt: Von Allah kann man sich kein Bild machen! Die größte Gefahr sehe ich darin, daß durch das Christentum die einem ewigen Wechsel unterworfene Vorstellung des Jenseitigen mit soviel irdischen kleinen Sachen verbunden wurde, daß wenn die kleinen Sachen einmal zerbrechen, die Menschen reif sind zur Umkehrung, dem materialistischen Bolschewismus! Das ist das Tieftraurige. Damit entfällt der Maßstab für den Menschen selbst: Er verliert jeden Halt; bildet er sich ein, daß er der Herr der Natur sei, dann hört alles auf!

Führt die Kirche in Spanien konsequent ihren Weg weiter, so muß das wieder auf dem Scheiterhaufen enden.

Das ist eines der staunenswertesten Kapitel, wie schnell Kemal Atatürk mit seinen Pfaffen fertig wurde! 39 hat er einmal sofort hängen lassen. Er hat sie restlos beseitigt. In Konstantinopel ist die Hagia Sophia ein Museum! Der D(uce) hat mir 1934 in V(enedig) gesagt. Der Papst wird eines Tages aus Italien ausziehen, zwei Herren können nicht sein! …

Der russische Pope war nicht verhaßt, sondern verachtet, ein richtiger Zeck, der an seiner Gemeinde hing, vom Osterkuchen angefangen. Die russischen Fürsten waren nie die Sklaven der Kirche, sehr zum Unterschied von den spanischen und auch den deutschen. Der spanische Geistliche ist verhaßt. Sie werden dort ausgerottet werden.

Alle, die den Kurs von Franco beobachtet haben, sagen: Das führt wieder zur Revolution. Die Umwelt kann nicht durch chinesische Mauern von Spanien ferngehalten werden. Das Ende wird die Explosion sein. Auch hier wieder ein elementares Gesetz: Die Parasiten erkennen nicht, daß sie in ihrer Habgier den Boden mitzerstören, auf dem sie stehen. Die Kirche von heute ist nichts als eine Erwerbsgemeinschaft auf der Basis der Förderung der menschlichen Dummheit. Wenn 1936 ich mich nicht entschlossen hätte, die ersten Ju's zu schicken, wäre Franco nicht durchgekommen. Heute ist es die heilige Isabella gewesen! Isabella, die Katholikin, war das größte H…; sie hat vom Papst die Tugendrose erhalten um die gleiche Zeit, wo unser Ludwig wegen der Lola Montez in Bayern fast gekreuzigt wurde"!

11. 8. 42:

Die Aufgabe der Pfaffen war seit jeher, die Reichsgewalt zu untergraben. Solange wir die Pfaffen dulden, geschieht uns das ganz recht. Jedes Volk hat die Pfaffen, die es verdient. Ich kann das jetzt nicht ändern, darum lobe ich sie recht. Aber diesen Kampf der deutschen Geschichte werde ich endgültig einmal für immer zum Austrag bringen. Das mag manchen schmerzen, aber ich werde die Pfaffen die Staatsgewalt spüren lassen, daß sie nur so staunen. Ich schaue ihnen jetzt nur zu. Würde ich glauben, daß sie gefährlich werden, würde ich sie zusammenschießen. Dieses Reptil erhebt sich immer wieder, wenn die Staatsgewalt schwach wird. Deshalb muß man es zertreten.

Brauchen wir eine jüdische Erzählung? Das Schicksal von so ein paar dreckigen Lausejuden, von Epileptikern, was geht uns das an? Der Graf Preysing ist ein absolutes Rabenaas. Die größeren Rabenaase sind die, die zuerst in der demütigen Maske daherkommen. Da muß man sagen: Bestie! Ein pfäffischer Inquisitor ist dagegen eine natürliche Sache. Die Gemeinheit mit der Heuchelei. Das muß einmal ausgeschöpft werden. Wie wenig man die Pfaffen braucht, das sieht man ja hier. Wir haben einen Gegner, der stirbt zu Millionen und hat nicht einen dieser Lügner. Die katholische Kirche hat nur den Wunsch, daß wir zugrunde gehen.

Als der Eckart in Landsberg war, kam zu ihm das Pfäfflein: Eckart. Sie haben doch vielleicht schon sich überlegt, wie es sein würde, wenn Ihnen etwas zustoßen sollte, was wir bei Gott nicht hoffen wollen, was aber jedem einmal begegnet. Sie, sagte Eckart. Herr, über diese Dinge des Jenseits habe ich jedenfalls mehr nachgedacht wie Sie; wenn es das Jenseits gibt, an das Sie glauben, dann kann ich Ihnen jedenfalls mehr helfen als Sie mir! Triefende Heuchelei, dahinter Giftpfeile!

29. 8. 42:

Es gab keine schlechter geleitete Partei wie die Sozialdemokratie, und wie zäh sind die Leute an ihr gehangen! Man könnte sagen: Ja, weil es nichts anderes gegeben hat! Das ist nicht wahr!

Der Mensch ist von Natur aus kein Herdentier, nur durch die brutalsten Gesetze bringt man ihn dahin, sich zu fügen. Er ist mehr ein Kaninchen; es paart sich untereinander nur Mensch zu Mensch, aber das machen die Hunde, die Hasen auch. Der Menschenstaat ist nur durch eiserne Brutalität aufrechtzuerhalten. Schaffen Sie die Gesetze ab, und das Ganze bricht zusammen! …

Im Osten müssen wir alle denkbaren Sekten und Kirchen lassen. Wenn da einer kommt, um eine Einheit zu schaffen, dem werde ich helfen! Jedes einzelne Kaff soll seinen Papst haben! Ich bin einmal in meinem Leben so blöd gewesen und wollte zwanzig Länderpäpste vereinigen. Da hat mich der liebe Gott, Gott sei Dank noch zurückgehalten: durch die Dummheit meiner Päpste. Ich hätte heute sonst zwei Päpste. Was wäre das geworden! Eine zweite Erpresserquelle! Mit den 17 Landesbischöfen wird man leicht fertig, aber das kann nur einer machen, der stark ist!

Hinweis:

Hitler ist als einer der größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingegangen. Dies ist seine eigentliche "Bedeutung". Alles andere was es zu ihm sonst noch pro oder contra zu sagen gäbe; verblasst in diesem Kontext zur absoluten Bedeutungslosigkeit. Hätte er seine Massenmörderlaufbahn so nicht eingeschlagen, wäre vielleicht einiges von ihm auch im Rückblick noch diskutierenswert. Aber in der Geschichtsschreibung geht es nicht um was wäre wenn; sondern um das, was tatsächlich gewesen ist.

Was Hitler's kirchenpolitischen Vorstellungen anbelangt, so wäre auch auf das Buch "Der Bolschewismus von Moses bis Lenin. Zwiegespräch zwischen Adolf Hitler und mir" von Dietrich Eckart, München 1925 noch hin

Schwanengesang

Da die Apologetische Centrale zitiert wurde, sei dieses Stichwort noch einmal aufgenommen. In ihrer Zeitschrift "Wort und Tat" (Heft 8/1933) findet sich auch ein Kommentar zum Bibelforscherverbot. Die Redaktion wählte als Überschrift die Vokabel: "Schwanengesang der Ernsten Bibelforscher". Nachstehend einiges von den Ausführungen in "Wort und Tat":

"Drei Tage, bevor die Verordnung des preußischen Ministers des Innern auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 die Internationale Bibelforschervereinigung einschließlich ihrer sämtlichen Organisationen im Gebiet des Freistaates Preußen auflöste und verbot, hat die Watch Tower Bible and Tract Society, Magdeburg, noch eine 'Erklärung' an alle erreichbaren Stellen verschickt, die folgendes betonte:

'Dieser Kongress deutscher Männer und Frauen, friedliebender und ordnungsliebender Bürger aus allen Teilen des Landes, die alle miteinander ernsthaft an dem höchsten Wohl des deutschen Volkes mitarbeiten, hat sich heute, den 25. Juni 1933, offiziell in Berlin versammelt und erklärt freudig seine völlige Ergebenheit gegenüber Jehova Gott, dem Allmächtigen, und seinem Königreich unter Christus Jesus, dessen vergossenes Blut die Menschheit erkauft hat. … Wir berufen uns auf das Wort Gottes und möchten nach diesem Maßstabe beurteilt werden.'

Anscheinend sollte dieser 'Kongress' das bevorstehende Verbot der Sekte verhindern; dass geht besonders aus dem Abschnitt hervor, der sagt:

'Wir sind fälschlicherweise bei den Regierungsbehörden und bei dem deutschen Volk angeschuldigt worden.'

Fragt man aber, welche Argumente diese 'wahren Nachfolger Jesu Christi' als Entgegnung auf eine solche Anklage anführen, so muss man sich belehren lassen, dass die Worte Jesu (Markus 13, 9) auf die Sekte zutreffen, ja, dass es im Willen Jehovas liegt, dass seine 'treuen Zeugen in falschem Verdacht kommen und verfolgt werden, nämlich damit solche, die von einem falschen Geist beseelt sind, sich selbst als Feinde Gottes offenbaren und damit wider sich selbst Zeugnis ablegen.'

Es ist nicht recht ersichtlich, wie nach solcher Äußerung 'der Name Jehova Gottes in der Auffassung des Volkes erhöht und sein gütiger Ratschluss besser verstanden und unsere Stellung der Regierung gegenüber in rechter Weise dargelegt sein' soll, da ja die Situation des Jesuswortes gar nicht mit der der Sekte im Augenblick verglichen werden darf.

Der Anklage, dass die Sekte durch jüdisches Kapital unterstützt wird, begegnet man damit, dass man betont:

'Wir sind treue Nachfolger Jesu Christi und glauben an ihn als dem Heiland der Welt.'

Auf den Vorwurf, dass die Bücher und Schriften der Sekte die öffentliche Ordnung und Sicherheit des Staates gefährden, wird in der 'Erklärung' darauf hingewiesen, 'dass unsere Bücher und Schriften von den Führern nicht sorgfältig geprüft und daher auch nicht richtig verstanden worden sind.'

Die Sprache soll dem 'offenen und direkten amerikanischen Stil' entsprechen, damit zugleich aber auch 'genau der Redeweise der Bibel.'

Die staatliche Begründung für das Verbot nennt 'eine unverkennbare Hetze gegen die christliche Kirche und den Staat', ferner biete die Vereinigung auch die Möglichkeit, 'auf freiem politischem Gebiete eine Auffangorganisation für die verschiedensten staatsfeindlichen Elemente' entstehen zu lassen.

Diese Vorwürfe dürften dadurch kaum entkräftigt werden, dass die 'Erklärung' betont, 'dass Bestreben unserer Organisation ist ausschließlich darauf beschränkt, für den Namen und das Wort Jehova Gottes Zeugnis abzulegen. Es wäre daher von uns ganz inkonsequent, wenn wir versuchen wollten, irgendwelchen Einfluss auf die Regierungen dieser Welt auszuüben oder irgendetwas zu tun, was die öffentliche Ruhe und Sicherheit des Landes gefährden würde.'

Trotz all dieser treuherzigen Versicherungen ist das Verbot vom Staat ausgesprochen worden, und er muss den Vorwurf ertragen können, dass er damit wissentlich 'das fortschrittliche Zeugniswerk für den Namen Jehovas und seines Königreiches' bekämpfen will.

Die Sekte selbst aber sieht mit rechter Unverfrorenheit auf das Wort in Apostelgeschichte zurück, wonach das Werk, wenn es nur Menschenwerk wäre, untergehen müsste, als Gottes Wort aber ewigen Bestandes sicher sein dürfte.

Die kleinen Proben beleuchten am besten, wie es um dieses Werk bestellt ist, und es wird keine Stimme des Bedauerns laut werden, dass es der Sekte unmöglich gemacht ist, die Gemeinden noch länger zu verwirren."

Juristische Schwankungen

Da hatte also das NS-Regime sein Verbot der Zeugen Jehovas ausgesprochen und das schon ziemlich am Anfang seiner "Karriere". Nun oblag es auch den Gerichten, diesbezügliche strafrechtliche Konsequenzen zu realisieren. In der kurzen Zeit des Bestehens des NS-Regimes, hatte es zwar auch schon einen wesentlichen Teil der Juristen zu sogenannten "Märzgefallenen" dass heißt zu Akklamierern des Hitlerregimes verwandelt. Aber die Zeitspanne war wohl doch noch etwas zu kurz um den Triumph registrieren zu können, dies schon bei allen Juristen erreicht zu haben. Außerdem, diese Juristen hatten ihre Ausbildung in der Regel in der Zeitspanne der sogenannten Weimarer Republik absolviert. Nicht alle waren "Wendehals" genug, sofort auf die nazistische Linie umzuschwenken.

Ein solcher Fall ist offensichtlich bei dem Sondergericht Darmstadt zu registrieren, dass sich auch mit einem Bibelforscher/Zeugen Jehovas-Prozess zu befassen hatte. In Heft 28/1934 der Fachzeitschrift "Juristische Wochenschrift" wurde der diesbezügliche Fall seiner Entscheidung vom 26. 3. 1934 referiert. Im Anschluss daran, damit keine "Missverständnisse" entstehen, aber noch ein saftiger Kommentar einer auf die Nazilinie eingeschwenkten sogenannten juristischen "Kapazität" mit angefügt. In dem fraglichen Bericht konnte man lesen:

"Rechtsprechung: Sondergericht Darmstadt. … Die Ansicht, dass die Weim(arer) R(eichs) Verf(assung) als solche und im ganzen keine Geltung mehr besitzt, ist abzulehnen. Art(ikel) 137 WeimRVerf. verstößt nicht gegen Staatsgrundsätze des Nationalsozialismus. Art 137 WeimRVerf. kann nur durch ein Verfassungsänderndes Reichsgesetz abgeändert oder außer Kraft gesetzt werden. … Die Vereinigung der Bibelforscher ist eine Religionsgesellschaft im Sinne des Art 137 WeimRVerf.

Der Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen erließ unter dem 19. April 1933 … folgende Anordnung: 'Die Propaganda der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung (auch Bibelforscher Zeugen Jehovas) hat wiederholt zur Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geführt. Die Vereinigung steht außerdem im Verdacht, mit den marxistischen Parteien in Verbindung zu stehen. Auf Grund der VO des R(eichs)Präs(identen) zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Febr. 1933 verbiete ich deswegen alle Versammlungen von Angehörigen dieses Bundes und jede Propaganda desselben, insbesondere durch Verbreitung von Druckschriften. Das zur Durchführung des Verbotes Erforderliche wollen sie veranlassen.' Die Anordnung war an die Hessischen Kreisämter und die sonstigen polizeilichen Behörden gerichtet und wurde durch Veröffentlichung bekanntgemacht. …

Sämtliche Angekl(agten) bekannten sich als Anhänger der Internationalen Bibelforschervereinigung. Sie wurden beschuldigt, innerhalb nicht rechtsverjährter Zeit … fortgesetzt gemeinsame Versammlungen der Vereinigung internationaler Bibelforscher veranstaltet, für die Vereinigung Propaganda gemacht, sich an ihr als Mitglied beteiligt, sie unterstützt und ihren organisatorischen Zusammenhalt aufrechterhalten zu haben, obwohl ihnen das Verbot der Vereinigung bekannt gewesen sei. Darin wird ein Vergehen gegen die oben mitgeteilten Anordnungen … erblickt. Die Angkl. geben sämtlich zu, dass ihnen das ausgesprochene Verbot ihrer Organisation bekannt war. Es wurde ihnen wenigstens teilweise sogar einzeln durch die zuständige Gendarmeriestation eröffnet.

Die Angekl. waren freizusprechen, da die bezeichneten Anordnungen rechtsungültig sind, weil sie gegen Art. 137 Abs(atz) 2 WeimRVerf. … verstoßen, der rechtsgültig fortbesteht. Es kann zunächst von der St(aats)A(nwaltschaft) angenommen, auch im Schrifttum vertretenen … Auffassung nicht zugestimmt werden, wonach die Weimarer Verfassung als solche und im ganzen nicht mehr gelten soll. Dagegen spricht sachlich, dass sonst heute ganze Institutionen auch unseres gegenwärtigen Verfassungsleben in der Luft hängen würden und das keineswegs der gesamte Inhalt der sog. Weimarer Verfassung mit den Staatsgrundsätzen des Nationalsozialismus unvereinbar ist. Formell, dass die Reichsgesetzgebung selbst auf der Grundlage des Fortbestehens der RVerf. fußt, soweit ihre Bestandteile nicht im Einzelnen durch die staatsrechtliche Entwicklung im Gefolge der nationalsozialistischen Revolution beseitigt worden sind.

Das nationalsozialistische Deutschland hat die Religionsfreiheit nicht angetastet und gedenkt dies auch, wie sich insbesondere aus den eigenen Worten des Führers und anderer Männer ergibt, nicht zu tun. Das in J(uristische) W(ochenschrift) 1934, 767 veröffentlichte Urt. des R(eichs) G(erichts) vom 23. Jan. 1934, dass sich mit einem sächsischen Verbot der ernsten Bibelforscher befasst, hält die grundsätzliche Fortgeltung der nicht beseitigten Bestimmungen der Verfassung und insbesondere ihres Art. 137 offenbar für so selbstverständlich, dass es sich mit der Frage nicht erst ausdrücklich befasst.

Die Vereinigung der Bibelforscher muss aber - darüber hat die Beweisaufnahme keinen Zweifel gelassen - als Religionsgesellschaft im Sinne des Art. 137 anerkannt werden. Sie stellt eine festgegründete, umfassende Vereinigung der Anhänger eines in seinen Lehren und Anschauungen von den übrigen christlichen abweichenden Glaubensbekenntnisses dar, die sich über das gesamte Reichsgebiet erstreckt.

Die Selbständigkeit des Glaubensbekenntnisses ergibt sich z. B. aus der Verwerfung der Dreieinigkeitslehre, der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, vom Fegefeuer.

Positiv ergibt sich die eigene Lehre aus dem Bekenntnis der Menschheit Jesu neben der Gottheit Christi; die Seele befindet sich nach dem Tode im Zustande der Bewusstlosigkeit im Grabe. Bei Ausbruch des tausendjährigen Reiches nach der Wiederkehr Christi erwachen die Nichtauserwählten aus dem Todesschlaf; die Willigen und Gehorsamen werden dann auf einer wiederhergestellten Erde in menschlicher Vollkommenheit leben, während die Unverbesserlichen im zweiten Tode auf ewig vernichtet werden.

Der Weltenlauf zerfällt in drei große Zeitabschnitte; die Zeit bis zur Sintflut; die 1874 durch die unbemerkte Wiederkehr Christi zu Ende gegangene arge Welt und von da durch die Übergangszeit der Ernte des tausendjährigen Reich, welches 1914 anbrechen sollte.

In der Erfüllung des durch das religiöse Bekenntnis gegebenen Zwecke und Aufgaben erfasst die Vereinigung ihre Gemeinschaftsglieder vollständig; nicht etwa werden nur bestimmte einzelne religiöse Ziele … verfolgt und der einzelne Bibelforscher kann keiner anderen Religionsgesellschaft angehören. Auch die Gottesdienste werden nach eigenem Ritus abgehalten. Nach alldem und auf Grund der dauerhaften und festen Organisation der Vereinigung der ernsten Bibelforscher, die als deutscher Zweig ihre Hauptleitung in Magdeburg haben, kann ihr die Eigenschaft als Religionsgesellschaft nicht abgesprochen werden."

Zu dem eben zitierten Urteil, wurde an gleicher Stelle noch ein Kommentar von Prof. Dr. E. Huber (Kiel) veröffentlicht. Letzterer schreibt:

"Das Urteil wird von rechtsirrigen Erwägungen getragen und kommt zu einem unhaltbaren Ergebnis. Die Grundprinzipien der Weimarer Verfassung sind Formulardemokratie, Parlamentarismus, Föderalismus, Gewaltenteilung, Grundrechte; sie bilden die Substanz und den Geist des Weimarer Systems und die Weimarer Verfassung 'gilt' nur solange diese fünf Säulen, auf denen sie ruht, staatsrechtlichen und politischen Bestand besitzen. Die nationalsozialistische Revolution hat diese fünf tragenden Prinzipien des Weimarer Systems von Grund auf zerstört.

An die Stelle der überholten Grundprinzipien des Weimarer Systems sind unmittelbar mit dem Siege die Grundsätze nationalsozialistischer Staatsauffassung getreten; diese sind der völkische Gedanke, das Führerprinzip und die politische Totalität.

Aber es ist in jedem einzelnen Fall besonders nachzuweisen, dass ein alter Verfassungsgrundsatz übernommen worden ist, und man kann nicht umgekehrt aus der Tatsache, dass er nicht ausdrücklich aufgehoben worden ist, auf seinen Fortbestand schließen.

Die heutige Gesetzgebung hat nur aus Gründen der äußeren Ordnungsmäßigkeit und Ruhe (Legalität) im Gesetz v. 24. März 1933 sich eines formellen Verfahrens der Weimarer Verfassung bedient, aber sie fußt damit nicht in der Sache auf der Weimarer Verfassung und leitet ihre Rechtfertigung (Legitimität) nicht aus ihr her.

Aber ebenso selbstverständlich erkennt der nationalsozialistische Staat dieses Recht der religiösen Vereinigungsfreiheit nur unter einem bestimmten Vorbehalt an; die Freiheit des religiösen Bekenntnisses besteht nur; soweit sie nicht das Volk und den Staat gefährden; auch das geht aus dem Punkt 24 (des NSDAP-Programms) aufs Klarste hervor.

Der Art 137 Abs. 2 ist vom nationalsozialistischen Staatsrecht (wie alle übrigen Religionsartikel der Weimarer Verfassung) nur mit dem Vorbehalt übernommen worden, den der Punkt 24 des Parteiprogramms mit voller Deutlichkeit formuliert. Auch die am 23. März 1933 vor dem R(eichs) T(ag) abgegebene Erklärung der Reichsregierung lässt daran kaum Zweifel. Staats- und volksfeindliche religiöse Vereinigungen genießen den Schutz des Art. 137 Abs. 2 nicht.

Dass die Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher eine volks- und staatsfeindliche Gruppe ist, kann nach den Feststellungen des Urteils nicht zweifelhaft sein. Die Bibelforscher verwerfen den Staat überhaupt als 'Teufelswerk'; sie sind Kriegsdienstverweigerer, unterliegen unkontrollierbaren ausländischen Einflüssen und zeugen judaisierende Tendenzen; und das Urteil selbst verkennt ihren staatsgefährlichen Charakter nicht. Im übrigen ist die Frage, ob im Einzelfall eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegt von den zuständigen Exekutivbehörden nach ihrem Ermessen zu entscheiden und für die Gerichte nicht nachprüfbar.

Der von der zuständigen Staatsbehörde bindend festgestellte volks- und staatsfeindliche Charakter der Vereinigung schließt aus, dass sie den Schutz des Art. 137 Abs. 2 für sich in Anspruch nimmt. Ihre Auflösung und das Betätigungsverbot widerspricht daher dem Art. 137 Abs. 2 nicht, und die Angeklagten hätten … verurteilt werden müssen. … Das alte formale Gesetzesstaatliche Denken hat meines Erachtens hier zu einem klaren Fehlurteil geführt."

So, so - "wir sind völlig damit zufrieden"

Über das Jahr 1933 und seine Auswirkungen auch für Jehovas Zeugen, ist schon viel geschrieben worden. Auf einige weniger bekannte Details bezüglich letzterer gehen nachfolgende Ausführungen ein. Zur "Einstimmung" eine Leseblüte aus dem "Wachtturm"des Jahres 1934 (S. 31):
"Wenn der Feind das Werk in Deutschland nicht gehindert hätte, wäre die Verbreitung größer gewesen. Wir sind aber nicht beunruhigt. Der Herr hat das Steuer in der Hand und hat gute Gründe für alles, was er zulässt, und wir sind völlig damit zufrieden."

Diese "Zufriedenheit" kommt auch in einem von M. C. Harbeck unterzeichneten Zirkular zum Ausdruck in dem man lesen konnte:

"Watch Tower Bible an Tract Society. Brooklyn New York U.S.A.

Magdeburg, den 28. August 1933

Meine lieben Freunde!

Die vielen Anfragen, die hier eingegangen sind, möchte ich hiermit durch ein Zirkularschreiben beantworten.

Die 'Watch Tower Bible and Tract Society' ist verboten. Ebenso die Tätigkeit der 'Internationalen Bibelforscher-Vereinigung'.

Als Bevollmächtigter der 'Watch Tower Bible and Tract Society', speziell als Beauftragter des Präsidenten, Richter Rutherford, möchte ich Euch hiermit bitten, Euch den gegenwärtigen Vorschriften ... der Regierungs- und Polizeibehörden zu unterziehen. Vor allen Dingen möchte ich Euch ersuchen, keine verbotenen Schriften zu verbreiten und ohne polizeiliche Bewilligung keinerlei Versammlungen oder Vorlesungen abzuhalten.

Da der Druck von Bücher, Broschüren und Zeitschriften verboten ist ... können die laufenden Bestellungern nicht mehr (erfüllt werden). Anfragen sind daher vorläufig zwecklos."

Harbeck schliesst sein Schreiben mit der Anmerkung, dass er lediglich empfehle als Bürger desw Landes durch "unseren vorbildlichen Lebenswandel ein beredtes Zeugnis für die Ehre Gottes und die Rechtfertigung seines Namens und Wortes abzulegen.

Er vermerkt als Schlusssatz, dass er die Grüße übermittle die ihm Richter Rutherford aufgetragen habe. Das man im Glauben und Gebet ausharren wolle, und das im kommenden Königreich es erst wieder Gelegenheit geben werde für die Rechtfertigung des Namens Gottes beizutragen.

Auch anlässlich der ersten Besetzung der Magdeburger Zentrale und ihrer anschließenden Wiederfreigabe, übte man sich noch in Zweckoptimismus. Symptomatisch dafür auch jener Pressebericht:
"Zu der in Nr. 37 des (Magdeburger) 'General-Anzeigers' erschienenen Bericht über die Polizeiaktion gegen die ernsten Bibelforscher schreibt uns die 'Wachtturm- Bibel- und Traktatgesellschaft': 'Es ist unzutreffend, dass die Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft Vorbereitungen traf, einen Teil des Maschinenparks der Druckerei deshalb nach Prag auszuführen, weil die Vereinigung in Bayern und Sachsen verboten wurde. Diese Verbotsmaßnahmen dürften in den nächsten Tagen auf Grund des Resultats der polizeilichen Durchsuchung unserer Räume welche die vollständige unpolitische und streng religiöse Tätigkeit … als behördliche Feststellung ergab, aufgehoben werden. Die Versendung einzelner, ganz alter Maschinen nach Prag erfolgt deshalb, weil die Ausfuhr tschechischer Literatur nach der Tschechoslowakei durch neue tschechische Einfuhrbestimmungen unmöglich gemacht wurde und wir daher gezwungen sind, diese Literatur in der Tschechoslowakei zu drucken. Übrigens hatten wir drei Wochen vorher dem Polizeipräsidium Magdeburg von unserer Absicht Kenntnis gegeben und um eine Umzugsbescheinigung gebeten, die wir tatsächlich erhalten haben, so dass also unsere Absicht nicht unbekannt war." ("Magdeburger General-Anzeiger" 3. 5. 1933. Zitiert in: "Das Goldene Zeitalter" 1. 6. 1934 S. 6).

Noch einmal vermochte man eine "positive" Meldung zu registrieren. Im November 1934 meldete das interne in der Schweiz erscheinende Blatt "Bulletin": "Inzwischen haben wir eine Mitteilung erhalten, die uns sicherlich alle erfreuen wird. Die Bücherlager in Deutschland, die seit einem Jahre beschlagnahmt waren, sind nun freigegeben. Allerdings unter der Bedingung, dass die Literatur nicht in Deutschland verbreitet werden darf."
Das "Jahrbuch 1934 der Zeugen Jehovas" (S. 89) vermeldet weiter:

"Im Juni (1933) besuchte der Präsident der Gesellschaft Deutschland um etwas zur Rückerstattung des Eigentums und zur Weiterführung des Werkes zu tun." Sichtbares Resultat dieser Stippvisite war die als Geschichtsträchtig in die Annalen eingegangene Berlin-Wilmersdorfer Veranstaltung vom 25. Juni 1933.
Mit dieser Gewissheit, dass "der Herr das Steuer in der Hand" habe und dass alles mit seiner Zulassung geschehe und das man "völlig zufrieden" sei, oder wie es gar das 1934 Jahrbuch formulierte: "Wir wissen natürlich, dass Jehova dies hätte verhindern können, aber offenbar hat er nicht eingegriffen, um seinen und seines Königreiches Widersachern zu erlauben, sich vor Harmagedon voll und ganz auf Satans Seite stehend zu offenbaren." Mit dieser künstlich zur Schau gestellten Zuversicht, kann es doch wohl nicht allzuweit her gewesen sein. Denn schon in der Ausgabe vom 1. 6. 1934 des "Wachtturms" kann man über einen öffentlichen Protest etwas lesen. In ihm findet sich auch der Satz: "(Wir) rufen alle wahren Christen und fair denkenden Menschen auf der ganzen Erde auf, sich uns in diesem energischen Protest anzuschließen."

Das die Rutherfordadminstration versuchte mit aller Macht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Verbotssituation wenn möglich wieder zu verändern, steht außer Frage. War doch schon davor die Rede, dass in der deutschen Stadt Dresden beispielsweise, mehr Bibelforscher/Zeugen Jehovas vorhanden wären, als zur gleichen Zeit in New York. Man kann es schon verstehen, dass dieses deutsche Verbot äußerst ungelegen kam. In den USA war diese Gruppe im Spektrum des Pluralismus, zum damaligen Zeitpunkt auch nur eine von Vielen - eher der unbedeutenderen Art zugehörig. In Deutschland hingegen "war man schon wer". Die heutigen Zeugen Jehovas schätzt man von der Quantität in Millionendimensionen ein.

Man sollte nicht vergessen, dass dies zur fraglichen Zeit keinesfalls so war. Um 1925 hatte man einen Höchststand von rund 90 000 (Weltweit) erreicht. Danach war erst mal Schluss mit weiteren Zuwächsen. Eher ist das Gegenteil zu registrieren. Die Nachwirkungen der 1925-Verkündigung machten sich bemerkbar. Der nunmehr praktizierte straffe Zentralismus durch die Rutherfordadministration hatte ein "Herausschütteln vieler" bewirkt, um eine zeitgenössische Vokabel aus ihrer damaligen Literatur aufzunehmen. Das 1934 erschiene Rutherford-Buch "Jehova" fasst den diesbezüglichen Dissens auch in die Worte: "Die heute hartnäckig darauf bestehen, Pastor Russell hätte alle Wahrheit, die von den Heiligen auf der Erde zu lernen ist, gelehrt, sind in Finsternis und werden in Finsternis bleiben." (S. 233). Die sogenannte "Tagesanbruch-Bewegung" ließ also schon damals "grüßen". Man vergleiche auch ihre Webseite
http://www.kronline.at/bibelstudien/

Die numerische Sachlage wird auch Schlaglichtartig in einer Meldung des internen Mitteilungsblattes "Bulletin" vom Februar 1934 deutlich, in dem registriert wurde, dass es nach langer Zeit, trotz der deutschen Zäsur doch etwas vorwärts wieder ging. Der Text berichtet von 79 Ländern in denen man insgesamt zum damaligen Zeitpunkt tätig sei. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es in etlichen dieser 79 Länder nur eine Handvoll gewesen sein können, wenn man liest:

"Dieses durch des Herrn Gnade erreichte Resultat ist um so bemerkenswerter, wenn wir bedenken, dass mehr als 19 000 Arbeiter in Deutschland nicht in diesem Bericht eingeschlossen sind. Es ist interessant festzustellen, dass vor einem Jahr in der ganzen Welt 37 411 Arbeiter Berichte einsandten, während es in diesem Jahr ohne Deutschland 34 518 Arbeiter waren."

Zum Vergleich: Das gleiche interne Blatt "Bulletin" vermeldet bezüglich der USA im Juli 1934, dass dort eine offensichtliche Stagnation eingetreten sei. Die Zahl der dortigen Verkündiger wird zu diesem Zeitpunkt mit maximal 19 871 angegeben. Und die gleichzeitig mit angegebene Zahl der Anwesenden beim dortigen Gedächtnismahl (25 805); vermag auch nicht sonderlich zu beeindrucken. Diese Sachlage wird auch an den Zahlen für das sogenannte "Gedächtnismahl" deutlich. Laut "Bulletin" vom August 1933, gab es in jenem Jahr weltweit 84 179 Anwesende. Ein Jahr zuvor (1932) waren es 81 778.

Verständlich, dass die deutsche Zäsur besonders empfindlich traf. Himmel und Hölle wurden in Bewegung gesetzt, diese Sachlage - sofern möglich - wieder zu verändern. Auch die den Verfolgungen in Deutschland gewidmete Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 1. 6. 1934 berichtet darüber:
"Gab die Hitlerregierung am 4. April 1933 einen Erlass heraus, wodurch die Tätigkeit … der Zeugen Jehovas, verboten wurde, beschlagnahmte und zog das Besitztum der Gesellschaft, dass damals einen Wert von etwa RM 2 500 000,- hatte, ein. Diese Beschlagnahme war eine Verletzung des Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland, und da es sich um eine amerikanische Körperschaft handelte, intervenierte die amerikanische Regierung, worauf am 28. April 1933 die Beschlagnahme aufgehoben und das Besitztum den rechtmäßigen Eigentümern zurück erstattet wurde.

Am 24. Juni 1933 beschlagnahme die deutsche Regierung … erneut das Besitztum der Gesellschaft und verbot ihre Tätigkeit in Deutschland. Die Regierung der Vereinigten Staaten, gemäß den Bestimmungen des erwähnten Vertrages intervenierte von neuem für die Gesellschaft und im Oktober 1933 hat die deutsche Regierung dann wiederholt die Beschlagnahme des Besitztums aufgehoben. Jedoch weigert sie sich immer noch, der Gesellschaft zu gestatten, dass Eigentum zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu gebrauchen. Die deutsche Regierung kündete durch ihre Behörden an, dass die Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft … ja wegen der Beschlagnahme bei den deutschen Gerichten Beschwerde erheben und Klage führen könnten um ihre Rechte geltend zu machen. Dies ist getan worden; aber als die Gesellschaft diesen Weg beschritt, hat die deutsche Regierung einfach das Recht abgesprochen, solche Prozesse zu führen. …

Wiederholte Anstrengungen wurden gemacht, um von den deutschen Behörden angehört zu werden … alle solche Anstrengungen blieben jedoch gänzlich erfolglos. Deutsche Beamte hatten versprochen, die Gesellschaft anzuhören, aber wenn versucht wurde, sie zu erreichen, weigerten sich die Herren, mit einem Vertreter der Gesellschaft Verhandlungen zu führen. Anlässlich eines Kongresses von 7000 der Zeugen Jehovas, der im Juni 1933 in Berlin stattfand, wurde in Form einer Resolution eine Erklärung … herausgegeben. Millionen Exemplare hiervon wurden gedruckt und in ganz Deutschland verbreitet. Den zuständigen Behörden wurde zuerst ein Exemplar verabfolgt. … Die deutschen Behörden zeigen so, dass sie die wirklichen Tatsachen gar nicht wissen wollen, sondern das sie, getrieben von irgendeinem dunklen und mächtigen Einfluss, entschlossen sind, den Zeugen Jehovas Schaden zuzufügen und die Verkündigung der Botschaft über Jehovas Königreich zu verhindern.

Das Vergehen der deutschen Regierung in der Beschlagnahme des Eigentums der Gesellschaft und dem Verbot ihres Gottesdienstes in ganz Deutschland ist nicht nur eine direkte Verletzung des Vertrages, der zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland besteht, sondern ebenfalls eine offensichtliche Übertretung der Verfassung des Deutschen Reiches....
Eine Autorität in Rechtssachen, nämlich das 'Handwörterbuch der Rechtswissenschaft von Prof. Stier-Semle, in welchem als weitere Mitarbeiter der Präsident des Reichsgerichts Dr. Bumke, und der Reichsanwalt Dr. Ebermeyer angeführt sind, sagt u. a. mit Bezug auf Religionsgesellschaften: 'Was solche Religionsgesellschaften betrifft, sind vor allem die Methodisten, die Freie Gemeinde, die Neuapostolischen, die Bibelforscher und andere eingeschlossen.' … Jehovas Zeugen in Deutschland haben es an keiner Anstrengung fehlen lassen, um ihren Fall den dortigen Behörden vorzutragen. … Alle ihre Bemühungen in dieser Beziehung haben jedoch nichts genützt."

In der gleichen Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" wurde noch ein weiterer umfangreicher Bericht zur gleichen Thematik abgedruckt. Er wurde mit der Anmerkung eingeleitet:
"Das Nachstehende wurde von einem der Zeugen Jehovas zusammengestellt, der von vielen Tatsachen unterrichtet ist, über Briefe und Mitteilungen von solchen verfügt." Auch wenn der Betreffende nicht namentlich genannt wurde, so steht es jedoch mit ziemlicher Sicherheit fest, dass es sich dabei um Hans Dollinger handelt, der zur fraglichen Zeit der Statthalter der WTG in Deutschland war. Vergleicht man die bereits zitierten Ausführungen zur Sache, mit denen von Dollinger zum gleichen Thema, so wird man eine inhaltlichen Gleichklang registrieren können. Das heißt, was Dollinger sagte, machte sich (zum damaligen Zeitpunkt) auch die WTG voll inhaltlich zu Eigen.

Auch Dollinger schreibt unter anderem:
"Vergeblich haben wir auf eine Freigabe gewartet, weil ja der Vertrag zwischen Amerika und Deutschland verbürgt, dass unsere Tätigkeit ohne Behinderung ausgeführt werden kann, und weil nach den vielen öffentlichen Aussagen der gegenwärtigen Führer in Deutschland, die behaupten, von Gott gesandt zu sein, Glaubens- und Gewissensfreiheit im Dritten Reich gewährleistet sein sollten. … Kein deutscher Anwalt ist willens und imstande unsere Rechte in den deutschen Gerichten unter den heutigen Verhältnissen zu vertreten. Die Tätigkeit der Gesellschaft ist gegenwärtig immer noch verboten auf Grund eines Erlasses des Preußischen Innenministers und durch andere Ortsbehörden, die nach deutschem Gesetz kein Recht haben, derartige Verbote gegen die Gesellschaft auszusprechen, da die Gesellschaft in Deutschland gesetzlich durch den Reichsrat, der höchsten nationalen Autorität, zugelassen wurde."

Es ist schon aufschlussreich, sich auch den weiteren Detailbericht von Dollinger in dieser Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" näher anzusehen. Also man wird wohl dem zustimmen müssen, dass er da auf verlorenem Posten kämpfte, dass er faktisch keine reelle Chance hatte. Die Kritik gilt also - ohne Zweifel - in erster Linie dem NS-Regime. Dollinger schrieb in seiner diesbezüglichen Replik auch:
"Während einer Besprechung zwischen Dr. Fischer vom deutschen Ministerium, einem Vertreter der Gesellschaft und einem Vertreter der amerikanischen Regierung, die uns schließlich gewährt wurde, erklärte ersterer, dass die Bibel nicht zuverlässig, Jehova nicht annehmbar sei, und besonders das Alte Testament abgeschafft werden müsse. Er erklärte ferner, dass besonders die sogenannten Deutschen Christen Gegner der Zeugen Jehovas seien und das Deutsche, arischer Abstammung, keiner Erlösung bedürften, denn sie hätten Gott in sich selbst und seien dazu bestimmt die Welt zu retten. Weiter sagte er, die Erlösung durch das Blut Christi sei Unsinn. Außerdem beanstandete er einen gewissen Teil des Textes unserer Literatur und wusste nicht einmal, dass es ein Zitat aus Jesajas Prophezeiung war.

Später, anlässlich einer weiteren Konferenz, als durch die Intervention der amerikanischen Regierung das Besitztum freigegeben wurde, bestand Dr. Fischer darauf, dass alle Versammlungen der Bibelforscher verboten bleiben sollten und dass niemand in den Gebäuden der Gesellschaft in Magdeburg beten dürfe. Solche eigentümlichen und lächerlichen Forderungen veranlassten einige Vertreter anderer Regierungen zu sagen, dass die Nazi-Führer wohl Gott abschaffen wollen. …
Die Verhandlungen offenbarten ferner, dass Dr. Schemm, ein Beamter der bayrischen Regierung (Bayrischer Kultusminister), und Kardinal Faulhaber, sowie andere religiöse Fanatiker etwas zu tun hatten mit der Maßnahme der deutschen Behörden gegen das Werk … Minister Rudolf Hess, die rechte Hand des Reichskanzlers, sagte bezüglich unserer Sache, dass er nichts dafür tun könne. … So wurde unsere Angelegenheit von einem zum andern geschoben. Niemand war bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Dr. Frick, der Reichsinnenminister, erklärte, dass er weder etwas für uns, noch gegen uns tun wolle. Er übergab die Sache Dr. Scholz und dieser leitete sie an Dr. Erbe weiter. Etliche Beamten zeigten sich vermessen. Kürzlich sagte Dr. Erbe einem Vertreter der Gesellschaft in Berlin: 'Wir kennen die Bibelforscher zur Genüge, von vorn und hinten. Es hat keinen Zweck, die Sache mit mir zu besprechen. Sie würden nur Ihre und meine Zeit vergeuden. Unsere Entscheidung ist getroffen und ich zweifle daran, ob die amerikanische Regierung weiter Ihretwegen intervenieren wird.'"

Es half also nichts, wenn die Zeugen Jehovas alle nur möglichen formaljuristischen Aspekte betonten. Das Hitlerregime pflegte die Zeugen Jehovas nicht wegen irgendwelcher Formalien zu verbieten. Ihm war ihre politische Abstinenz zuwider. Das aber wollte man in San-Diego-Brooklyn, und mit Einschränkung auch in Magdeburg, eben nicht zur Kenntnis nehmen.

Noch eins: Das Hitlerregime ist in Sachen Zeugen Jehovas ohne Zweifel zu weit gegangen. An dieser Feststellung gibt es nichts zu rütteln. Aber es sei auch eine Gegenfrage gestellt. Im Bibelbuch 1. Timotheus 2:2 wird dem Apostel Paulus der Ausspruch nachgesagt, dass man, soweit es an den Christen liege, doch ein "stilles und ehrbares" Leben führen möchte. Wie verhielt es sich diesbezüglich bei den Zeugen Jehovas. Man wird wohl kaum sagen können, dass sie um ein "stilles" Leben bemüht waren.

Symptomatisch dafür ist auch jene Stelle aus dem "Wachtturm" (1934 S. 185):
"Diese Getreuen weigern sich, die Herrscher dieser Welt als die 'obrigkeitlichen Gewalten' anzuerkennen. Sie lehnen es ab, mit den Mächten der Satansorganisation auf einen Ausgleich einzugehen, und sie weigern sich, von der Organisation Satans Erlaubnis, das Evangelium vom Königreiche Gottes predigen zu dürfen, zu erbitten oder anzunehmen."

Martin C. Harbeck

Es war schon ein denkwürdiger Satz, den man im "Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1934" lesen konnte (S. 100): "Seither haben zwischen dem Vertreter der Gesellschaft, dem Staatsdepartment und der deutschen Regierung in Berlin Verhandlungen stattgefunden, die bewirkten, dass die deutsche Regierung anfangs Oktober dieses Jahres (1933) die Freigabe des ganzen Eigentums der Gesellschaft anordne und dieses wieder in den Besitz unserer Vertreter zurückgab". Wie man weiß, war diese Vermögensfreigabe nicht mit einer Verbotsaufhebung identisch. Es sollte nachfolgend, noch zu weiterem Geplänkel in dieser Frage kommen. Das die Nazis über die ihnen abgetrotzte Vermögensfreigabe nicht sonderlich glücklich waren, versteht sich von selbst. Hatte diese doch unter anderem auch den "Nebeneffekt", das vormals in Magdeburg aufgestellte Druckmaschinen, nunmehr nach Prag und Bern gelangten. Es konnte auch den Nazis klar sein, dass dieser Export nicht dazu diente, die dort als "Museumsstücke" aufzubewahren, sondern, dass sie wider aktiviert würden und das dort gedruckte Erzeugnisse auch nach Deutschland zurück gelangen würden. Aber den Nazis blieb keine andere Wahl. Hatte die WTG es doch verstanden, auch die US-Regierung für ihre Belange zu mobilisieren.

Nach den im Bundesarchiv verwahrten Akten ergibt sich weiter die Erkenntnis, dass in dem Hickhack um die Vermögensfreigabe, es im Oktober 1935 zu einem weiteren bedeutenden Schritt kam. Aus der Sicht der Nazifunktionäre wurde er mit den Worten formuliert: "Nach der am 10. Oktober 1935 zwischen der Watch Tower Bible & Tract Society und dem Geheimen Staatspolizeiamt getroffenen Vereinbarung dürfen erst nach Bezahlung aller Schulden die in amerikanischen Eigentum stehenden Druckmaschinen usw. in das Ausland ausgeführt werden." Ein bedeutsamer Satz, ist doch darin von direkten Verhandlungen zwischen einem WTG-Vertreter und deutschen Behörden, sogar der Behörde Geheimes Staatspolizeiamt die Rede! Nun fragt man sich, wer wohl dieser WTG-Vertreter war? Die Antwort darauf, kann man in der Ausgabe vom 15. 2. 1937 des "Goldenen Zeitalters" nachlesen. Dort gibt der damalige Leiter des Zentraleuropäischen Zweigbüros der WTG, mit Sitz in Bern, Martin C. Harbeck, einen ziemlich persönlich gehaltenen Bericht.

Als Aufhänger nahm Harbeck einen von deutscher Seite lancierten Pressebericht mit dem Titel "Entwicklung der Kriminalität in Deutschland", wo in diese Rubrik auch die Bibelforscher/Zeugen Jehovas mit eingeordnet wurden. Harbeck erregt sich, dass dieser nazistische Artikel, unkommentiert auch in einer Schweizer Tageszeitung nachgedruckt wurde. Dies ist für ihn der Anlass zu einer entsprechenden Gegenerklärung. Am interessantesten sind dabei auch die von Harbeck in persönlichen Worten wiedergegebenen eigenen Erfahrungen. So schreibt er unter anderem:

"Dr. Crohne (deutsches Reichsinnenministerium) und andere maßgebende Vertreter der deutschen Behörden haben dem amerikanischen Vertreter der Bibelforscher im Jahre 1935 in Anwesenheit amerikanischer Regierungsvertreter in Berlin, sowie auch dem Schreiber dieser Zeilen ohne Weiteres zugestanden, dass Bibelforscher nichts mit Kommunisten zu tun haben. Daraufhin haben die Bibelforscher ihre gut begründete Schadensersatzklage gegen die deutsche Regierung zurückgezogen, woraufhin die Beschlagnahme der Vermögenswerte der Bibelforscherbewegung in Deutschland aufgehoben wurde."

Weiter führt Harbeck aus: "Als Beauftragter der Bibelforscher musste er (d. h. Harbeck) des öfteren in Berlin im Innenministerium mit maßgebenden deutschen Personen verhandeln, nachdem er durch den amerikanischen Konsul eingeführt worden war und nachgewiesen hatte, dass er kein Jude ist. (Der deutsche Stammbaum seines nordischen Bauerngeschlechts geht lückenlos zurück bis auf den Dreißigjährigen Krieg). Immer wieder wurde zugegeben, dass Bibelforscher keine Kommunisten seien, und der damalige Chef des Preußischen Innenministeriums, Ministerialrat Dr. Fischer, meinte, dass Verbot der Bibelforscher in Deutschland könne aufgehoben werden, sobald man die Bibel, besonders das Alte Testament, beiseite lasse und beginne, das deutsche Christentum aufzubauen. Unter anderem sagte Dr. Fischer: 'Am deutschen Wesen soll die ganze Welt genesen' und 'die Deutschen hätten Gott in sich, und wie sie Deutschland erweckt hätten, so würden sie auch andere Staaten, besonders auch die Schweiz, Holland und Amerika erneuern.' Weil aber die Bibelforscher mit der Bibel stehen oder fallen, war kein Zusammengehen mit Hitler möglich.

Als der Schreiber im Juli 1935 wiederum in Berlin und bereits bei Staatssekretär Dr. Grauert angemeldet war und von ihm persönlich empfangen werden sollte, wurde er ohne Grund und Ursache am 18. Juli in Berlin von zwei jungen Gestapo-Leuten verhaftet, die ihm die ehrenvolle wörtliche Zusage gaben, dass von einer Verhaftung keine Rede sei.

Vor der Abführung in den berüchtigten Gestapo-Keller an der Prinz-Albrecht-Straße gelang es dem Schreiber, in einem unbewachten Moment im Gebäude der Gestapo an den amerikanischen Generalkonsul zu telefonieren. Der Fall wurde in der englischen und amerikanischen Presse in großer Aufmachung behandelt; aber es wurde verschwiegen, dass es sich um einen Bibelforscher oder Zeugen Jehovas handelte. Die amerikanische Regierung intervenierte unter persönlicher Mitwirkung des amerikanischen Staatssekretärs Cordell Hull, welcher forderte, dass dem Betreffenden irgendein Verbrechen nachgewiesen werden müsse oder er innerhalb drei Tagen aus der Haft zu entlassen sei. Weder kommunistische noch staatsfeindliche Betätigung noch irgendein anderes Verbrechen konnte in diesem Fall zur Zufriedenheit der amerikanischen Regierung nachgewiesen werden, und dann wurde der Schreiber dieses Berichtes nach 4 Tagen Haft entlassen und, um doch irgendeine Entschuldigung für das ungerechtfertigte Vorgehen geben zu können, wegen staatsfeindlicher Gesinnung aus dem deutschen Reichsgebiet ausgewiesen."

Ergänzt werden diese Ausführungen noch durch den Bericht im "Jahrbuch 1936 der Zeugen Jehovas" (S. 184) wo man lesen konnte:

"Der Leiter des Zentral-europäischen Büros, M. C. Harbeck ist ein amerikanischer Bürger. Als die Schwierigkeiten in Deutschland zunahmen und Bruder Balzereit verhaftet und ins Gefängnis gebracht wurde, musste sich Bruder Harbeck nach Deutschland begeben, um nach dem Eigentum der Gesellschaft zu sehen. Er machte dort keinen Versuch, dass Zeugniswerk weiterzuführen, weil er einen anderen Auftrag hatte. Nachdem er in Berlin angekommen war und kaum begonnen hatte, nach den Dingen zu sehen, die die Watch Tower Bible and Tract Society betrafen, wurde er von der Geheimen Staatspolizei verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Die Anklage gegen ihn lautete: 'Versuch, Geld aus dem Lande zu schaffen, die Tätigkeit der Gesellschaft fortzusetzen, Veröffentlichung des 'Goldenen Zeitalters' in der Schweiz, worin Kritik über die Deutsche Regierung geübt wurde.'

Die beiden ersten Anklagepunkte waren völlig unbegründet und es konnte denn auch kein Beweis erbracht werden. Hingegen hatte die Zeitschrift 'Das Goldene Zeitalter', wofür aber Bruder Harbeck nicht verantwortlich ist, einige Tatsachen zu Ungunsten Deutschlands veröffentlicht. Bruder Harbeck wurde dann mehrere Tage im Gefängnis festgehalten und man wollte ihm erst nicht gestatten, dass er eine Unterredung mit jemand habe, obschon vom Hauptbüro in Amerika aus Anstrengungen dazu gemacht wurden.

Daraufhin wurde Bruder Burton von London nach Magdeburg geordert.

Nach manchen Schwierigkeiten mit gewissen Polizeistellen erreichte dieser schließlich eine Unterredung mit höheren Beamten der deutschen Behörden, die dann der Freilassung Bruder Harbecks unter der Bedingung zustimmten, dass er das Land verlasse. Er hatte keine andere Wahl, denn die deutschen Gerichte geben einem Ausländer keine Garantie auf die gerechte Prüfung einer Angelegenheit; daher war Bruder Harbeck gezwungen, das Land zu verlassen."

Deutschland-Berichte der Sopade

Kürzlich ist auf dem amerikanischen Buchmarkt auch eine Übersetzung des Buches von Graffard/Tristan aufgetaucht, nachdem es davor schon eine französische und auch eine deutsche Ausgabe gab. Kritisch wurde zu diesem Buch meinerseits einmal angemerkt:

"Für mich stellen sich die Zeugen Jehovas als zweifache Opfer dar. Einmal (und dieser Aspekt ist bei Graffard reichlich dargestellt), als Opfer des politischen Systems des Nazismus. Die zweite Opferrolle der Zeugen Jehovas (und die ist bei Graffard und anderen überhaupt nicht reflektiert) ist, dass sie zugleich Opfer eines religiösen Diktators waren. Er konnte seine Diktatur nur zuletzt deshalb aufrichten, weil er auf der religiösen Endzeitklaviatur souverän spielte. So wie dem Klang des Rattenfängers von Hameln viele Unschuldige folgten, so sehe ich Rutherford in der gleichen Rolle. Dies wäre die Grundsatzerkenntnis. Ohne Zweifel sind Graffard/Tristan Außenstehende. Ihre Sicht als Außenstehende hat den zweiten, vorbeschriebenen Aspekt nicht reflektiert. Dieses registriere ich als Manko und benenne es auch so."

Da bietet es sich an, auch einmal zeitgenössische Texte zur Kenntnis zu nehmen, die über die Bibelforscher vorliegen.

Von 1934 bis 1940 wurden von der sich im Exil befindlichen Leitung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, auch sogenannte "Deutschland-Berichte" herausgegeben. Sie liegen seit einigen Jahren auch in einer Reprint-Ausgabe vor. "Quer beet" wurde darin berichtet, was es über Hitlerdeutschland an wenig erfreulichem zu registrieren gab. In den Berichten der Jahre 1935 - 1937 kamen auch, mehr beiläufig, die Bibelforscher (Zeugen Jehovas) mit zur Sprache. Auffällig ist aber besonders, dass der Aspekt "Wehrdienstverweigerung", in keiner Weise bis ins Bewusstsein dieser Berichteschreiber vorgedrungen ist. Hitlerdeutschland war ein Terrorstaat. Nebst anderen waren auch die Bibelforscher seine Opfer. Dieser Terroraspekt ist es nur mehr oder weniger, der in den einschlägigen Detailberichten mit Erwähnung fand:

Nachstehend einige Zitate

Im Juli 1935 wurde notiert:

Verursacher von Betriebsstreitigkeiten

"Natürlich ist es ein durchsichtiger Versuch, die vorhandene Bewegung in der Arbeiterschaft zu bagatellisieren, wenn der Treuhänder für Sachsen Stiehler im "Informationsdienst der Arbeitsfront schreibt, daß Betriebsstreitigkeiten und Störung des Arbeitsfriedens in der großen Mehrheit verursacht werden durch: konfessionelle Fanatiker, Sektierer, Ernste Bibelforscher, Vereinsmeier, besserwissende Eigenbrötler, unbelehrbare Sozialreformer, und vom Standesdünkel Besessene."

Im November 1935 liest man:

Hoffnung auf Vernichtung der Hitler-Herrlichkeit

"Es ist festzustellen, daß man in den verschiedenen Gesellschaftsschichten allgemein zu gleichartigen Erwartungen kommt. Der enttäuschte Mittelständler, der betrogene Kleinlandwirt, der unzufriedene Beamte, der geprellte Nationalsozialist und SA-Mann, der ausgebeutete Arbeiter, besonders aber natürlich der verfolgte und unterdrückte Marxist, ferner die Anhänger anderer vernichteter und entwurzelter Verbände und Kreise (Stahlhelm, Katholiken, Protestanten, Bibelforscher, Juden usw.), sie alle schöpfen aus der italienischen Krise irgendwelche Hoffnungen auf Deutschlands Befreiung und auf die Vernichtung der Hitler-Herrlichkeit."

Dem Bericht vom April 1936 ist zu entnehmen:

Infernalische Hetze

"In Y., einer großen Landgemeinde im Kreis Eßlingen, weigerten sich die dort zahlreichen Ernsten Bibelforscher unter Berufung auf ihre religiöse Überzeugung, an der Wahl teilzunehmen. Daraufhin wurde gegen sie eine infernalische Hetze veranstaltet, die bis zu tätlichen Angriffen ging. Ähnliches wird auch von anderen Orten mitgeteilt."

Im Bericht des gleichen Monats ist auch noch notiert:

Nicht entlassen

"Bei der Firma Hamel, Chemnitz-Siegmar, ist ein Bibelforscher im Magazin beschäftigt, der sich weigert, der Arbeitsfront beizutreten. Der Vertrauensmann ist vorstellig geworden, hat jedoch bei keiner Instanz des Betriebes etwas erreicht. Auch die Arbeitsfront hat nichts ausrichten können. Der Chef erklärte, daß er einen solchen Mann für sein Magazin nicht wieder bekommt, der wüßte alles aus dem Kopf. Auch die Bemerkung des Vertrauensrates, daß wegen diesem einzigen Mann das Schild von der Arbeitsfront 'Dieser Betrieb gehört geschlossen zur Arbeitsfront' nicht herausgehängt werden könnte, vermochte den Betriebsleiter nicht zu bewegen, den Bibelforscher zu entlassen.

Ein gleicher Fall spielte sich auch bei der Baufirma Gleibe in Chemnitz ab. Auch hier ist der Bibelforscher im Betrieb geblieben."

Der vielleicht umfänglichste Bericht bezüglich der Bibelforscher ist vom Juli 1936 datiert:

Massenpsychologisch bedeutsam:

"In diesem Zusammenhang verdient auch das Sektenwesen Beachtung. Die zahlreichen Prozesse gegen Angehörige der Sekte 'Ernste Bibelforscher' zeigen, daß sich auf diesem Gebiet dem Regime ein Widerstand entgegenstellt, der zwar nicht politisch, aber massenpsychologisch bedeutsam ist. Es hat in Deutschland immer Gebiete gegeben, die besonders zum religiösen Sektierertum neigten; dazu gehörten vor allem die sächsischen und schlesischen Gebirgsgegenden und Teile Westfalens. Jetzt hat es den Anschein, als ob die geistige Not der Zeit viele Menschen, die sich früher einer politischen Bewegung angeschlossen hatten, dazu bringt, sich dem religiösen Sektierertum zu verschreiben.

Sachsen, 1. Bericht: Aus den kleinen Orten Ostsachsens wird übereinstimmend berichtet, daß die religiöse Bewegung auch unter den Genossen verheerende Fortschritte mache. Die Verzweiflung über die jetzige Situation sei so groß, daß alle nur nach irgend etwas griffen, um vom Nazikram abgelenkt zu werden.

So ist zum Beispiel der frühere Vorsitzende der Freidenkerbewegung in X., der lange Zeit im KZ Hohnstein war, streng religiös geworden. Wenn man mit ihm sprechen will, dann erhält man stets die Antwort, daß dies alles eine Sendung Gottes sei. Er hat es auch fertig gebracht, ganz offen am Wahltag seinen Wahlzettel durchzustreichen und daraufzuschreiben: "Ich wähle Jesu, Hohnstein genügt mir!" Den Wahlzettel hat er im Wahllokal auch den SA-Leuten gezeigt. Ihm ist nichts passiert. Scheinbar nehmen ihn auch die Nazis als 'verrückt'.

Auch die Ludendorff-Bewegung der sogenannten Deutschgottgläubigen greift rasch um sich. Viele frühere gute Genossen beteiligen sich daran.

2. Bericht: Aus mehreren Orten, z. B. Zwickau, Werdau, Mylau, Reichenbach ist zu berichten, daß dort die Bibelforscher trotz der scharfen Verfolgung durch die Gestapo ihre Sache mutig weitervertreten und daß auch Prozesse und Verurteilungen sie vielfach nicht von ihrer Betätigung zurückhalten können. Zunächst handelt es sich hier selbstverständlich um religiösen Fanatismus, der an seinem Glauben allen Verfolgungen zum Trotz festhält und im Märtyrertum eher eine religiöse Weihe und eine "göttliche Gnade" und dergleichen sieht, aber immerhin schafft auch dieser Widerstandsfaktor mit der Zeit politische Gegnerschaften gegen das Regime, das gerade in Kreisen der Bibelforscher immer stärker als eine Art 'Antichrist' hingestellt wird.

3. Bericht: Eine rege Tätigkeit ist bei den Ernsten Bibelforschern zu bemerken. Ihre Zeitschrift 'Das Goldene Zeitalter' erscheint illegal und wird stark verbreitet. Überhaupt betreiben sie ihre Arbeit geschickt, zum Teil fanatisch. So wurde in Groß-Schönau bei Zittau ein Bibelforscher verhaftet, weil er am 29. März nicht gewählt hatte. Bei seiner Verhaftung hat er erklärt, daß er Hitler nie wählen würde, weil er ein Feind der gesamten Menschheit sei.

4. Bericht: In X. Haben die Bibelforscher großen Anhang. Sie haben jetzt das Gerücht in die Welt gesetzt, daß die Hitlerregierung nur noch bis zum Herbst am Ruder sei, da einige Bibelstellen darauf hindeuteten. Die Bevölkerung setzt auf solche Gerüchte große Hoffnungen.

Rheinland: In unserer Gegend gewinnen neuerdings die "Ernsten Bibelforscher" an Boden. Die Leute sind sehr rührig und zu ihnen flüchten sich alle Menschen, die innerlich nicht mehr ein noch aus wissen. In den Zusammenkünften wird ein gewisser Fanatismus gezüchtet. Viele von den Bibelforschern haben trotz des Terrors nicht gewählt. Die Nazis haben darauf ein Kesseltreiben gegen die Anhänger der Bibelforscher veranstaltet. Auf der Grube 'Sophie Jakoba' in Hückelhoven wurden von den Nazis Unterschriften gesammelt mit der Begründung, daß man mit diesen Volksverrätern nicht mehr zusammenarbeiten wolle. Darauf sind vier Arbeiter, die Anhänger der Bibelforscher-Vereinigung waren, entlassen worden."

Bericht August 1936

Konzentrationslager Esterwegen

"Ein besonderes Ereignis war auch die Nacht zum 7. März. Das SA-Kommando hatte die Mitteilung von der Rheinlandbesetzung erhalten und feierte dieses Ereignis in einem nächtlichen Gelage. Dabei wurde in wilder Begeisterung im Freien herumgeschossen. Einige Schüsse gingen in die Gefangenenbaracke 7, trafen jedoch niemanden.

Das Lager wurde auch einmal vom Arbeitsdienstführer, Generalmajor Hierl und von einer Roten-Kreuz-Kommission besichtigt. Vor dem Besuch der Roten-Kreuz-Kommission wurde im Lager gründlich aufgeräumt und eine große Anzahl mißhandelter Gefangener vorübergehend in anderen Lagern untergebracht.

Besonders harte Mißhandlungen, Strafkommandos und Schindereien hatten ein Dutzend Gefangene zu erleiden, die als Mitglieder der religiösen Sekte 'Ernste Bibelforscher' aus pazifistischen Gründen bei der letzten Reichstagswahl mit 'Nein' gestimmt hatten."

Bericht September 1936

Weigerung dem Luftschutz beizutreten

"Schlesien: In einem Betrieb wurden vor kurzem 2 Angehörige der ehemaligen Sekte der 'Ernsten Bibelforscher' entlassen, weil sie sich geweigert hatten, dem Luftschutz des Betriebes beizutreten. Dies wurde als Staatsfeindlichkeit und Sabotage ausgelegt. Die Belegschaft bekundete ihre Solidarität mit den Entlassenen dadurch, daß sie Sammlungen veranstaltete, an denen sich sogar ein großer Teil der technischen Angestellten beteiligte. Diese Sammlung sollte den Entlassenen über die 6 Wochen hinweghelfen, während deren ihnen die Unterstützung gesperrt worden war."

Dezember 1936

Ein weiterer Bericht über das Konzentrationslager Esterwegen

"Eines Mittags wurde über alle Höfe geklingelt. Alle Häftlinge mußten auf dem großen Hof antreten. 7 Häftlinge wurden aufgerufen. Man zog ihnen dünne Hosen an und schnallte sie, jeden einzeln, auf sieben bereitgestellte Holzblöcke. Unter diesen 7 Männern befand sich auch ein über 60 Jahre alter Bibelforscher. Der Alte bekam 15 Stockhiebe, die anderen 25 Hiebe, geschlagen wurde mit einer Art Ochsenziemer. Diese Prozedur geschah vor versammelter Mannschaft. Das war die Art der Strafverteilung für die geringsten Vergehen. Die Häftlinge hatten tagelang furchtbare Schmerzen. Sie konnten viele Tage hindurch nicht sitzen, noch auf dem Rücken liegen, dennoch mußten sie ihre Tagesarbeit verrichten. Ein Berufsverbrecher wurde einmal derart geschlagen, daß ihm buchstäblich der After aufplatzte."

Bericht vom April 1937

Pfarrer loben Bibelforscher

"In Stollberg und Lugau, wo in der letzten Zeit eine Reihe von Bibelforschern verhaftet worden sind, nahmen die Pfarrer für diese in der Kirche Stellung. Der Pfarrer von Lugau behandelte die Treue der Bibelforscher zur heiligen Schrift und hielt sie den Bekenntnischristen als Muster vor. Trotz aller Verfolgungen, trotz Sondergerichte hätten sich die Bibelforscher als fanatische Verfechter der heiligen Schrift erwiesen, denen man Achtung und Hilfe entgegenbringen müsse."

Aus dem Bericht Mai 1937

Einschätzung der Bibelforscher im KZ Dachau

"Bibelforscher. Es befinden sich etwa 40 im Lager. Sie gelten als die größten Fanatiker. Auch in Dachau hören sie nicht auf, für ihre religiösen Auffassungen zu werben. Alle Bestrafungen tragen sie mit stoischer Ruhe. Es ist ihnen auch schon gelungen, einige Gefangene für ihre Sache zu gewinnen. Man kann sich mit ihnen gut unterhalten, aber sie sind sehr einseitig."

Aus dem gleichen Bericht

"Mit dem Kopf durch die Wand"

"Ganz erstaunlich ist das Verhalten der Ernsten Bibelforscher. Diese vielfach jungen Leute bewiesen unerschütterlichen Oppositionsgeist, sie zeigten Märtyrergesinnung und waren unbeugsam wie keine andere Gruppe im Lager. Wir politischen Gefangenen hatten von Anfang an die Losung unter uns ausgegeben, nicht zu rebellieren und uns allen Anordnungen der Lagerleitung zu fügen, da die SS-Leute mit uns wenig Federlesen gemacht hätten und nur darauf warteten, daß wir ihnen Anlaß zum Einschreiten gaben. Wir leisteten also vorschriftsmäßig den Gruß usw. Die Ernsten Bibelforscher waren dagegen unter keinen Umständen dazu zu bewegen. Ihre Jehova-Gläubigkeit verbot es ihnen und sie hielten sich strikte daran. Eine Anzahl von ihnen weigerte sich auch, die Freilassung aus dem Konzentrationslager anzunehmen. Einige erklärten, sie wollten solange im Lager bleiben, bis man ihnen die Ausübung ihrer Religionstätigkeit wieder erlaube. Eine Folge dieser Haltung war übrigens, daß sich unter den Ernsten Bibelforschern die meisten Selbstmorde und Selbstmordversuche ereigneten."

Aus dem gleichen Bericht ebenfalls noch:

Über das Frauen-KZ Moringen

"Die alten Bibelforscherinnen machen den Aufseherinnen viel zu schaffen. Sie leisten weder einen Hitlergruß, noch lassen sie sich von ihren Ansichten abhalten."

Aus dem August-Bericht 1937

Einschätzung der nationalsozialistischen Kirchenpolitik:

"Auf der anderen Seite kann sich das Regime immer noch nicht zu entscheidenden Schlägen entschließen. Eine vollständige Trennung von Kirche und Staat liegt nicht in seinem Interesse. Würde es die Kirchen sich selbst überlassen, so wäre ihr Zerfall in zahlreiche Sekten nicht aufzuhalten. Die Zahl dieser Sekten wäre umso größer, als sich im Nationalsozialismus selbst verschiedene kirchliche Richtungen gegenüberstehen. Das Eigenleben dieser Sekten wäre aber nur noch schwerer zu kontrollieren als das der bisherigen Kirchen und zugleich wäre die Kontrolle umso notwendiger, weil das Regime in ständiger Angst leben würde, daß die verschiedenen Sekten den "Staatsfeinden" als Unterschlupf dienen könnten. Aus diesem Grunde verfolgt das Regime schon die bestehenden Sekten, allen voran die "Zeugen Jehovahs", die früheren Ernsten Bibelforscher, mit unerbittlicher Schärfe. Umgekehrt wird das Regime aber wahrscheinlich selbst erkennen, daß auch der Weg des absoluten Zwanges zur Zeit nicht gangbar ist. Natürlich könnte das Regime die bestehenden Kirchen unterdrücken und an ihre Stelle eine "romfreie Nationalkirche" setzen. Aber das wäre eine nationalsozialistische Zwangsorganisation mehr und die Erfahrungen mit der Arbeitsfront sind nicht ermutigend. Gewiß sind die Massen heute überwiegend nicht mehr religiös, aber auch der Nationalsozialismus ist als Staatsreligion ohne Widerhall geblieben. Nur die heranwachsende Jugend hat in weiten Teilen eine gläubige Einstellung zur "nationalsozialistischen Idee", aber mit dieser Jugend allein kann man keine Nationalkirche machen."

Luise Rinser

Die 1911 geborene Luise Rinser hatte Psychologie und Pädagogik studiert. Von 1935 bis 1939 war sie als Lehrerin tätig. Es gehörte eigentlich nicht viel dazu, um im Naziregime "anzuecken". Das sollte sich auch im Fall Rinser bestätigen. 1944 fand sie sich im Gefängnis wieder unter dem Vorwurf der "Wehrkraftzersetzung". Nicht aus religiöser Motivation heraus, wie etwa bei den Zeugen Jehovas. Auch dem Nicht-religiösen konnte im Naziregime ein solcher Vorwurf ereilen. Dem relativ späten Zeitpunkt ihrer Verhaftung (1944) verdankt sie es aber auch, dass durch Verkettung gewisser Umstände, sie dennoch das Hitlerregime überlebte, denn dessen Tage waren zu diesem Zeitpunkt schon gezählt. Datiert ab 22. 10. 1944 hatte sie im Untersuchungsgefängnis heimlich eine Art Tagebuch geführt und konnte dieses dann 1946 erstmals unter dem Titel "Gefängnistagebuch" veröffentlichen. Darin berichtet sie auch über ihre Erfahrungen, die sie bei der Begegnung mit Zeuginnen Jehovas unter den vorgenannten Umständen machte. Sie nennt dabei Dinge die sowohl für die Zeuginnen Jehovas, als auch gegen sie sprechen. Es ist also keine Tendenzschrift wie man sie heute aus gewissen Kreisen nicht selten begegnet.

Das Buch von Frau Rinser erlebte dann in Westdeutschland noch eine Neuauflage. Und bemerkenswert. Auch der ostdeutsche Union-Verlag bemühte sich um die Lizenzrechte dafür und veranstaltete auch eine eigene Ausgabe davon (im Jahre 1967).

Da aber schon auf den allerersten Seiten des Rinsertextes man auch den Zeugen Jehovas begegnet, war das dem Union-Verlag angesichts der bekannten Situation der Zeugen Jehovas in der DDR, doch wohl etwas unheimlich. Andere Bücher die auch im Union-Verlag erschienen, etwa das des Ernst Wiechert "Der Totenwald" und worin die Zeugen Jehovas auch eine beachtete Rolle spielen, wurden diesbezüglich vom Verlag nicht speziell kommentiert. Im vorgenannten Fall indes glaubte man wohl nicht um einen solchen Kommentar herumzukommen. Als eine Anmerkung im Anhang mit angefügt. Der diesbezügliche Text des Verlages sei nachstehend erst einmal zitiert:

Anmerkung: Die "Zeugen Jehovas", früher "Ernste Bibelforscher" (International Bible Students Association), sind eine religiöse Bewegung, die 1870 in den Vereinigten Staaten von dem Kaufmann C. T. Russell gegründet wurde und seit 1903 auch in Deutschland Anhänger zu werben begann. Nach dem ersten Weltkrieg wuchs die Zahl dieser Anhänger rasch. Mit der Nazi-Herrschaft gerieten viele diese Anhänger in Konflikt; einige Beispiele dafür werden in Luise Rinsers "Gefängnistagebuch" erwähnt. Die SMAD nahm 1945 die "Zeugen Jehovas" in die "Liste der zugelassenen Religionsgemeinschaften" auf, nicht wenige Mitglieder dieser Gemeinschaft wurden als "Opfer des Faschismus" anerkannt. Es erwies sich aber als verhängnisvoll, daß die deutsche Gruppe der "Zeugen Jehovas" direkt der Zentrale in Brooklyn (USA) unterstellt war. Unter dem Einfluß dieser Zentrale wurden die "Zeugen Jehovas" nach dem zweiten Weltkrieg mehr und mehr zu einer Hilfstruppe des Antikommunismus. Sie mißbrauchten ihre Tätigkeit zu verfassungswidrigen Zwecken, bezeichneten insbesondere jede gesellschaftliche Arbeit, auch die Teilnahme an Wahlen, als Götzendienst, verbreiteten illegales, gegen die DDR gerichtetes Schrifttum. Aus diesem Gründen sah sich Innenminister Dr. Steinhoff schließlich am 31. August 1950 gezwungen, die "Zeugen Jehovas" von der "Liste der in der DDR zugelassenen Religionsgemeinschaften" zu streichen und ihre weitere Tätigkeit zu verbieten.

Union Verlag Berlin

Wie schon gesagt, lernte Frau Rinser dann die Zeugen Jehovas erstmals in ihrem Leben, im Gefängnis kennen. Noch eine beiläufige Anmerkung. Weder im Text noch in seinem Literaturverzeichnis findet man in der Studie des auch so un"gründlichen" Detlef G., einen Hinweis auf den Rinser-Bericht. Ihre diesbezüglich relevanten Tagebuchaufzeichnungen der Luise Rinser, seien nachstehend dokumentiert:

Seit zehn Tagen im Gefängnis …

Von sieben Uhr früh bis fünf Uhr abends arbeite ich in der Nähzelle mit zwei älteren Frauen zusammen, die mich sehr mißtrauisch und schweigsam empfingen, jetzt aber schon viel gesprächiger werden. Es sind zwei Bibelforscherinnen, die eine, Frau M., sitzt schon zum zweitenmal, diesmal bereits dreizehn Monate, die andere seit elf Monaten. Die Tatsache, daß sie Bibelforscherinnen sind, genügt für die Anklage des Hochverrats. Die Bibelforscher sind grundsätzlich pazifistisch; ihre Männer und Söhne verweigern den Kriegsdienst. Der Sohn einer Bibelforscherin, Frau W., wurde deshalb hingerichtet. Die Mutter, die hier im Gefängnis sitzt, erträgt es ohne Klage.

Hier sind insgesamt fünfzehn Bibelforscherinnen, die Älteste davon ist bereits 85 Jahre alt. Sie sind alle sehr sonderbar, von einer wundervollen Ruhe, Tapferkeit und Glaubensstärke und äußerst pflichtbewußt. Sie stopfen, flicken und nähen Gefängniswäsche, und zwar so, als würden sie dafür bezahlt. Außerdem sind sie gegen die Härten der Haft fast unempfindlich, denn es ist für sie alle Gewißheit, daß eines Tages der "ewige Frieden" anbrechen wird, nicht jener im "Himmel", sondern der auf Erden. Dann wird das Reich der Gerechtigkeit anbrechen. Vorher aber wird eine fürchterliche Schlacht sein in "Hamar Gedon",

(Einfügung: Von der Verfasserin gewählte Schreibform; was ihre vorherige Nichtvertrautheit mit der Zeugen Jehovas-Theologie aufzeigt. Zugleich aber deutlich macht; dass hier keine "Zweckinterpretation" vorliegt, sondern der natürliche Eindruck den die Zeugen Jehovas auf Außenstehende machen, sachgerecht wiedergegeben wird).

da werden die ungerechten Machthaber der Erde vernichtet. Sie sagen, die Nazis wüßten das alle, deshalb seien die Gestapo-Richter so wütend, wenn man ihnen beim Verhör die Erinnerung an "Harmar Gedon" entgegenschleudere.

Ich halte ihnen vor, daß man das politische Heil nicht von etwas Außermenschlichem erwarten dürfe, das sei zu bequem, wir müßten uns schon selbst darum bemühen, dafür gebe es den Sozialismus. Ich versuche ihnen die Grundsätze des Sozialismus klarzulegen. Sie schütteln überlegen ihre Köpfe: das sei alles Unsinn, nur der "Herr" allein würde uns retten. Sie sind in einem undurchdringlichen Fantatismus befangen.

Es gelingt mir nicht, aus ihren Glaubenslehren klar zu werden. Es scheint, als hätten sie außer dem Haß gegen die Macht und der Hoffnung auf Christus keine Ideen. Ich bin mißtrauisch gegen diese Lehre, wenn ich sehe, wie lieblos ihre Anhänger sind. Ich beobachte beispielsweise, daß Frau W. ein Päckchen von ihren Angehörigen bekommen hat. Sie verbirgt es ängstlich in einer Ecke und ißt ab und zu einen Bissen, ohne auch nur einen Happen uns zu geben. Oder Mittags. Aus Versehen ist ein Essentopf zuviel in unsere Zelle gekommen. Frau P. als die Älteste teilt. Es ist etwas zusammengekochtes aus Kartoffeln und Möhren. Sie sucht sich Möhren heraus, ebenso die Sauce und überläßt uns anderen die Kartoffeln.

Heute erzählten Frau M. und Frau P. von ihrer Verhaftung. Die Bibelforscher wurden schon während des ganzen Dritten Reichs verfolgt. Aber vor einem Jahr ging eine große Verhaftungswelle durch ganz Deutschland. Man fing sämtliche Bibelforscher Deutschlands. Sie wurden in ihren Heimatorten verhört und da keiner von ihnen die Gesinnung leugnete, wurden sie auf langen qualvollen Fahrten zur Gestapo nach München gebracht. Frau P. erzählte, als sie mit dem Transportzug dort eintraf, war es Nacht. Man brachte sie und ihre Genossen in einen völlig finsteren Raum, stieß sie hinein und schloß zu.

Sie stolperten in der Dunkelheit über etwas, das sie für Säcke hielten, bis sie bemerkten, daß es Menschen waren, die dort auf dem nackten Boden legen.

Es waren Hunderte, ohne Essen, ohne Decken, ohne Wasser waren sie hier zusammengepfercht, Männer und Frauen. In der Nacht starb eine alte Frau aus Erschöpfung. Die Leiche blieb liegen bis zum Morgen. Mehrere Tage verbrachten die Leute in diesem Raum. Brot und Wassersuppe war ihre ganze Nahrung. Für Hunderte von Menschen gab es nur vier oder fünf Eimer. Frauen und Männer mußten ihre Notdurft offen voreinander verrichten; aber nicht einer war darunter der klagte.

Nach einigen Tagen wurden sie einzeln verhört. Frau P. sagte, als der Gestapo-Richter sie fragte: "Sie sind eine Gegnerin Adolf Hitlers, nicht wahr?" "Ja, das bin ich! Hitler ist ein Tyrann, er ist der Antichrist, er ist ein böser Dämon. Aber seine Zeit wird bald um sein. Gott selbst wird ihn stürzen. Hamar Gedon ist nahe." Da sei der Richter aufgesprungen habe ihr seinen Stiefel in den Leib gestoßen und die wildesten Flüche geschrien. Sie sagte jedoch ruhig, indem sie auf sein Hakenkreuz deutete:

"Sie tragen das Zeichen des Antichrist. Sie werden mit ihm zugrunde gehen, wir aber werden mit Christus leben und das Reich der Gerechtigkeit aufrichten helfen." Daraufhin wurde sie von einem SS-Mann abgeführt, der sie mit Fäusten und dem Gewehrkolben stieß.

Frau W. erzählte, ihr einziger Sohn habe den Kriegsdienst verweigert und sei ein Jahr im Gefängnis gesessen, dann aber habe man ihn entlassen und ihn in das Heer gesteckt. Da seine Religion ihm den Selbstnord verbietet, blieb ihm keine andere Möglichkeit als die, in den Krieg zu gehen. Aber, so sagte Frau W. voller Stolz, er werde keinen einzigen Menschen töten.

Von der Gestapo wurden die Bibelforscher auf offenen Lastwagen provokatorisch durch die ganze Stadt gefahren und schließlich in das Gefängnis Stadelheim gebracht. Sie berichteten das alles ohne Klage. Es scheint ihnen selbstverständlich für ihre Lehre zu leiden. "Es steht in der Bibel", so beginnt fast jeder ihrer Sätze. "Es steht in der Bibel, daß der Gerechte leiden muß." Auch ohne daß ich mich auf die Bibel berufe, muß ich ihnen recht geben.

Am Nachmittag nahm ich Abschied von Frau M. und Frau P., die mir über viele schwere Stunden hinweggeholfen hatten, mehr durch ihren Gleichmut als durch ihre Bibelsprüche. Als ich in die Zelle zurückkam, fand ich mich mit sechs anderen zusammen. Verglichen mit diesem Volk hier, war ich bei meinen vier Verrückten von Zelle 65 in recht guter Gesellschaft gewesen.

Viel ist mit euch Beschwestern nicht anzufangen

Das Drama-Kapitel Jehovas Zeugen im "Dritten Reich" hat viele Facetten. Eine davon ist auch die, dass auch die Zeugen Jehovas letztendlich eine politische Meinung zu dem braunen Regime hatten. Mehr noch: Sie hatten auch eine politische Meinung zu den "Roten", die da in der Sowjetunion bereits herrschten und selbiges auch in Deutschland gerne wollten. Mit dem Anbruch des Jahres 1933 waren ihre diesbezüglichen Ambitionen fürs erste "auf Eis gelegt".

Zeugen Jehovas sind nicht primär politisch orientiert. Jedenfalls nicht vordergründig. "Hintergründig" sehr wohl dergestalt, dass ihre jeweiligen Bibelauslegungen durchaus auch auf die aktuelle Situation Bezug nehmen, dergestalt, dass man wähnt, das alles schon in der Bibel vorausgesagt gefunden zu haben. Da sich bekanntermaßen politische Konstellationen verändern können, sind auch die Zeugen von Zeit zu Zeit, zu gewissen Modifizierungen ihrer "Bibelprophezeiungen" genötigt. Immer unter der Prämisse. Gerade das jetzt aktuelle wurde "vorhergesagt". Ändert sich das, ändern sich auch "dezent" die entsprechenden "Bibelauslegungen".

Das Verhalten der Zeugen Jehovas im Hitlerregime ist nur dann schlüssig erklärbar, wenn es zugleich auch als Ausdruck politischer Opposition in religiöser Phraseologie definiert wird. Neben den Zeugen Jehovas fanden sich auch Kommunisten in den Kerkern und Vernichtungsanstalten des Naziregimes wieder. Hatte es in den Jahren zuvor auch kaum engeren Kontakt der beiden durchaus unterschiedlichen Gruppen gegeben, so sollte sich das nun zwangsweise ändern. Das Buch von Margarete Buber-Neumann beispielsweise, ist ein einziges Dokument diesbezüglich. Auch das Buch der Kommunistin Lina Haag ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

Ein weiteres beachtliches diesbezügliches Dokument ist seit einiger Zeit bekannt geworden. Verfasst von der Jüdin Gabriele Herz, die die Chance hatte, schon zu Nazizeiten aus den Nazikerkern durch ihre Auswanderung nach den USA zu entweichen. Dort hatte sie ihre Erfahrungen manuskriptmäßig zu Papier gebracht und erst in neueren Zeiten sind Ausführungen daraus auch in deutschen Gefilden bekannt geworden. Besonders bedeutsam dabei ist, dass die Gabriele Herz in ihrem Leidensweg, zusammen mit einer Kommunistin und Zeugen Jehovas in einer Gestapo-Zelle im damaligen Gefängnis Berlin-Alexanderplatz (das Gebäude existiert heute nicht mehr) inhaftiert war.

Da hatte man nun den konkreten Fall, dass auf engstem Zellenraum sowohl Zeugen Jehovas als auch Kommunisten, mit einander auskommen müssten. Der Gabriele Herz, als Jüdin, kann man dabei durchaus unterstellen, als ideologisch Unbeteiligte Dritte, diesbezügliche Dialoge durchaus sachgerecht reflektiert zu haben.

Anlässlich einer der vielen "Standhaft"-Ausstellungen im Staatsarchiv Ludwigsburg am 2. 12. 2000 zitierte in seinem dortigen Referat Hans Hesse einige aussagekräftige Passagen daraus. Hesse zitierte bloß. Eine Wertung nahm er nicht vor. Und bis zum heutigen Tage bietet er den diesbezüglichen Text auch nicht auf seiner Webseite oder anderen Buchveröffentlichungen von ihm an. Vielleicht sagt man nicht zu viel, wenn man es so einschätzt. Eines Tages wird für den Historiker Hans Hesse das Thema Zeugen Jehovas ein Vergangenheitsthema sein. Verdrängt von anderen Themen. Solange mit den "Standhaft"-Ausstellungen noch eine gewisse Konjunktursituation besteht, mag dies so noch nicht der Fall sein. "Noch nicht".

Jener Dialog zwischen einer Zeugin Jehovas und einer Kommunistin, wiedergegeben durch eine Jüdin, gibt durchaus ein plastisches Bild über die subjektive Befindlichkeit der Handelnden. Er verdeutlicht auch den politischen Standort zeitgenössischer Zeugen Jehovas. Es mag sich jeder sein eigenes Urteil darüber bilden. Nachstehend die Transkription aus dem Hesse-Referat:

Hesse leitet ein:

Die Szene beginnt damit, dass die Kommunistin die Gebete der Zeugin Jehovas mit den Worten unterbricht.

Macht endlich mal Schluss mit eurem endlosen Geplärre. Seit Jahrhunderten plappert ihr Eure Litanei herunter, aber nichts in der langen Zeit hat sich verändert. Hass, Not, Ausbeutung ist geblieben. Wir Kommunisten mussten erst kommen um den Menschen ein neues menschenwürdiges Dasein zu geben.

Reichlich spät kommt ihr, spottete Helene, dass ist die Zeugin Jehovas. Gut, dass die Menschheit nicht auf euch angewiesen war.

Lange vor eurem Lenin und Stalin haben Moses, die Propheten und die anderen Gesetzgeber des Alten Testamentes, praktische Nächstenliebe, soziales Verantwortungsgefühl, Schutz der wirtschaftlich Schwachen in den Mittelpunkt jeder menschlichen und göttlichen Ordnung gestellt. Sie haben durch die Einsetzung des 50. Jahres, in dem alle Schulden gestrichen wurden, und der Boden an seine ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden musste, die schlimmsten Auswüchse sozialer Ungleichheit beseitigt.

Auf die Kommunistin Frenze machten diese Argumente wenig Eindruck: Sie war ganz in ihrem Element und sprühte vor Angriffslust.

Alle diese Bestimmungen sind nur auf dem Papier geblieben. Blasse Schemen ohne Fleisch und Knochen. Bloße Wunschträume, denen die Erfüllung versagt blieb. Es geht eben nicht an, unser ganzes menschliches Glück nur in den Wolken, in den angeblichen Wollen eines angeblichen höchsten Wesens zu verankern. Hier auf der Erde entscheidet sich unser Schicksal. Unsere Kampfansage an die Religion hat ihren letzten Grund in der Erkenntnis, dass wir euch mit Gewalt euren Gott mit seinem Himmel und seine Heiligen nehmen müssen um euch endlich unsere Erde geben zu können, mit all ihrem Reichtum.

Helene war empört aufgesprungen. Ihre Stimme klang plötzlich scharf.

Eure Erde? Wie kalt und Liebe-leer ist sie durch Euch geworden. Ihr zerstört alle wahren Werte, ihr erstickt jedes individuelle Leben. Mit eurer Gleichmacherei nivelliert, reglementiert ihr alles. Soviel Kubikmeter Wohnraum, soviel Gramm Eiweiß, Fett und Kohlehydrate. Soviel Stunden Arbeit, soviel für Sport, vielleicht auch eine halbe Stunde Liebe. Ihr verbannt aus Gottes wunderbaren Erde, Schönheit, Schwung und Idealismus. Ihr macht sie zu einer freudlosen Stätte für Maschinen und Fabrikschlote. Für euch und gerade für euch, gilt die Prophezeiung des Amos Kapitel 8: Siehe spricht der Herr, es kommt die Zeit, dass ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht nach Brot, oder einen Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn zu hören.

Frenze schüttelte den Kopf, und ihre feingliedrigen, nervösen Hände machten eine Bewegung, als wollten sie ein Hindernis aus dem Wege räumen.

Immer wieder diese selben Sprüche, diese gottgewollte Abhängigkeit. Inzwischen steigt die Naziflut immer höher. Ihr aber legt die Hände in den Schoß und schaut verzückt gen Himmel und haltet fromme Reden.

Das stimmt nicht, wehrte Helene hitzig ab. Wir reden nicht nur, wir kämpfen auch. Aber auf unsere Weise, mit unseren Waffen. Wir sind ohne Priester und kirchliche Obrigkeiten freier und beweglicher als die katholischen und evangelischen Gemeinschaften. Wir unterhöhlen den Nazistaat von innen. Wir stärken mit unserer Propaganda alle Kräfte des Widerstandes. Wir handeln, wie Jakobus im ersten Kapitel seines Briefes empfohlen hat: Seid aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer allein, wodurch ihr euch selbst betrügt. Denn so jemand ist ein Hörer des Wortes und nicht ein Täter, der ist gleich einem Manne, der seinem leiblichen Körper nur in einem Spiegel beschaut.

Frenze wurde nachdenklich.

Aber den eigentlichen Kampf, den Einsatz von Blut und Leben, überlasst ihr uns, den Kommunisten. Den Hitler ist nicht mit Predigten und Gebeten zu beseitigen, sondern nur mit Feuer und Schwert.

Mag sein, dass wir eine kurze Wegstrecke gemeinsam gehen müssen, aber viel ist mit euch Betschwestern nicht anzufangen.

 

 

In seinem zusammen mit Jürgen Harder herausgegebenen Buch „… und wenn ich lebenslang in einem KZ bleiben müsste …' Die Zeuginnen Jehovas in den Konzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück" thematisiert er unter anderem die sogenannten „Extremen". Im vorliegenden Fall regional begrenzt auf das KZ Ravensbrück.

Bereits Detlef G. (S. 435) hatte mit Verweis auf Buber-Neumann den Fakt der (erstmaligen) Verweigerung des Essens von Blutwurst durch die Bibelforscherhäftlinge angesprochen. Laut Buber-Neumann hatten die Verweigerer gar eigens eine Liste bei der Lagerleitung eingeeicht jener, welche künftig keine Blutwurst mehr essen wollen. Dabei wurde auch eine Zahl von 25 genannt, auf die das zuträfe. In Verkennung der tatsächlichen Sachlage meinten nun einige Zeugen Jehovas (beispielsweise im Lexikonprojekt Wikipedia), die Zahl der „Extremen" würde sich in Ravensbrück auf diese 25 reduzieren. Hier werden aber offenbar verschiedene Vorgänge, unzulässig gleichgesetzt.

Laut Hesse (Hesse/Harder S. 159) ist die „Blutwurstaktion" sehr wahrscheinlich dem Sommer 1941 terminlich zuzuordnen. Dazu zitiert Hans Hesse:

„Anfangs aßen nahezu alle Zeuginnen Jehovas Blutwurst. Über die Gründe, warum es schließlich zur Verweigerung kam, gibt es unterschiedliche Darstellungen. Buber-Neumann sah Ilse Unterdörfer als die Verantwortliche an …"

Wahrscheinlich kam die These durch von außen eingeschmuggelte WTG-Publikationen auf.

Wiederum rekapituliert Hesse dazu:

„Ilse Unterdörfer schilderte die Situation aus ihrer Sicht: 'Außer vielen anderen neuen Wahrheiten oder Erkenntnissen, berichteten Schwestern, die als Zugänge ins Lager kamen, daß der Wachtturm geschrieben hatte, daß man kein Blut essen dürfe. Das war ein Punkt, der wurde nicht von allen angenommen. …"

Unabhängig davon, gab es davor schon einen weit gewichtigeren Konfliktpunkt. Terminlich genau auf den 19. 12. 1939 festlegbar. An jenem Tage verweigerten geschlossen die in der Nähstube tätigen Zeuginnen Jehovas, das Nähens von „Beuteln für die Krieger draußen im Feld". Es gab eine Eskalation dergestalt:

„Und alle fünfzig (an einer Stelle werden 100 Frauen genannt (Fricke, Margarete, Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas …), sie verschwanden durch die enge Pforte des Arrestblocks [gemeint ist der Zellenbau …]

Alle anderen Zeugen Jehovas ( Die Zahlenangaben schwanken zwischen 400 und 500 …) wurden dann versammelt auf dem Lagerplatz und vor dieselbe Entscheidung gestellt, das Ergebnis war das gleiche (Klimaschewski, Selma, Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas … gibt an, daß drei Frauen die Arbeit machen wollten)

Unter Drohen und Fluchen jagte man sie den anderen nach."

Jetzt wollte die Lagerleitung ein Exempel statuieren. Auch nachdem der Arrest nach fielen Wochen sein Ende fand, und die Zeuginnen Jehovas sich als moralisch ungebrochen erwiesen; kam die nächste Strafaktion, die drei Monate lang dauern sollte. Ein „Jahrhundertwinter" hatte ungeheure Schneemengen herbeigeschafft, die gar bis in Barackenhöhe reichten. Aufgabe der entkräfteten und mißhandelten Frauen war es nun, diese ungeheuren Schneemengen auf einen nahe gelegenen See zu verfrachten. Dabei war ihre Behandlung alles andere als menschenwürdig.

Die lange Dauer dieser Restriktionen blieb nicht ohne Folgewirkung.

Zitat Hesse:

„Ähnliches (wie im Unterdörfer-Bericht) läßt sich auch in den Berichten von Berta Maurer und Emmi Lehrbach wiederfinden: 'Was aber ein weit schlimmeres Übel war, war die geistige Einstellung vielmehr Zersplitterung innerhalb unserer Gemeinschaft. Es war Krieg, und aus Angst, durch ihre Arbeit in Kriegsdienste verwickelt zu werden, verloren viele das Unterscheidungsvermögen der Grenze und einige sogar ihren buchstäblichen Verstand … Sie verschafften sich dadurch unmenschliche Leiden und etliche sogar den Tod' (Lehrbach, Emmi Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas …)

… Etliche unserer Schwestern wurden (wohl auf Grund körperlicher Schwäche) geistig krank. Sie fingen an, aus der Reihe zu tanzen, und widersetzten sich der Lagerordnung. Sie standen keinen Zählappell mehr. Harmlose Arbeiten wie Strohabladen, Gemüse verpacken, in der Kaninchenzucht arbeiten und dergleichen verweigerten sie als Kriegsarbeit. Zureden half nichts. Weil sie auf Grund ihres Verhaltens mehr Drangsal zu erleiden hatten, behaupteten sie, die 'echten Zeugen Jehovas' zu sein. Als willkommene Beute waren sie so der Gier der Feinde preisgegeben. Sie siechten hin, zuletzt wurden vierzehn von ihnen erhängt' (Maurer, Berta, Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas …)

Weiter definiert Hesse:

„Die Fraktionierungen kamen nicht blockweise zustande … Wer als 'Extreme' galt oder dazu wurde, konnte demnach damit zusammenhängen, wo die jeweilige Frau gerade eingesetzt wurde. … Dieser unterschiedliche Arbeitseinsatz führte geradezu zwangsläufig zu unterschiedlichen Entscheidungen und damit auch 'Behandlungen' durch die SS. … Zudem mußte die Zuordnung zu den 'Extremen' nicht bedeuten, für alle Zeit dieser 'Fraktion' anzugehören, sondern konnte durch einen Wechsel des Arbeitsplatzes verändert werden. … Des weiteren muß mit berücksichtigt werden, daß die Lagerleitung nie wieder alle Zeuginnen Jehovas im Falle der Weigerung einer Gruppe der Frauen, eine bestimmte Arbeit auszuführen, auf den Appellplatz aufstellen ließ, um sie kollektiv zu befragen zwecks kollektiver Bestrafung. Die SS vereinzelte den Widerstand der Frauen und spaltete sie durch die Abstrafung und spätere Ermordung somit von der Gruppe als Ganzes ab."

Zusammenfassend urteilt Hesse:

„Anfang 1942 und in der Folge des Jahres eskalierte die Situation. Verweigerung und Reaktion der Lagerleitung schaukelten sich gegenseitig hoch. Exemplarisch sei hier die Zeugin Lina Hofmeier zitiert: 'Das Jahr 1942 war ein furchtbares Jahr. Da wurden so viele zur Vergasung abtransportiert, daß man nie wußte, ob man selbst einmal mit dabeisein wird.'

… Gertrud Pötzinger erinnert sich an die Transporte im Frühjahr 1942: 'Ich erlebte wieder etwas sehr Schreckliches. Es war die Zeit der 'Schwarzen Transporte'. … Man steckte die Frauen in große mit Planen bedeckte Lastwagen und erklärte ihnen, sie würden in ein anderes Lager gebracht. Wir wunderten uns, daß diese Gefangenen einige Dinge abgeben mußten und - wie ich erfahren hatte - sogar die Zähne. Das verwunderte uns sehr, und so forschten wir nach. Wir fanden heraus, daß die Kleidung der Häftlinge, die abtransportiert worden waren, wieder zurück kamen. Das erzeugte großes Mißtrauen. …"

Es muss also eingeschätzt werden, dass der von G. genannte Fall Blutwurstessensverweigerung durch die 25, nur einer von vielen - eher ein marginaler - Fall war im Gesamtspektrum der Konfrontationen und der sich aus ihnen als Folgewirkung ergebenden Resultate.

Wie der Staat Bundesrepublik Deutschland, die Wehrdienstverweigerung der Zeugen Jehovas im Naziregime justizmäßig beurteilte

In dem von Norbert Haase im Jahre 1993 veröffentlichten Katalogband "Das Reichskriegsgericht und der Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft" ist auch ein Text im vollem Wortlaut mit abgedruckt, der schon verschiedentlich zitiert wurde. Es handelt sich um eine dem Bereich Entschädigungsgesetze zugeordnete Gerichtsentscheidung, die zuerst in der juristischen Fachzeitschrift "Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht" Heft 11/1964 S. 504f. veröffentlicht wurde. Sie sei auch an dieser Stelle einmal kommentarlos dokumentiert:

Zur Frage, ob die kriegsgerichtliche Bestrafung eines »Zeugen Jehovas« wegen Verweigerung des Wehrdienstes als n(atonal)s(ozialistische) Gewaltmaßnahme anzusehen und unter welchen Voraussetzungen eine solche Verweigerung »in Bekämpfung der ns. Gewaltherrschaft« erfolgt ist.

BGH, v. 24. 6. 1964-IV ZR 236/63 (Hamburg)

Die Kl(äger) sind die Erben des 1963 in Hamburg verstorbenen St. Dieser war seit 1934 Mitglied der Glaubensgemeinschaft der »Zeugen Jehovas«. Wegen dieser Mitgliedschaft wurde er von einem Sondergericht in Breslau zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren verurteilt, die er in der Zeit vom 31. 1. 1936 bis 31.1.1938 verbüßte. Am 8.9.1939 wurde er erneut in Haft genommen, weil er sich - unter Hinweis auf seinen Glauben - geweigert hatte, einer Einberufung zum Wehrdienst nachzukommen. Wegen Zersetzung der Wehrkraft wurde er am 19.9. 1939 durch ein Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Diese Strafe wurde jedoch später in eine Zuchthausstrafe von 10 Jahren umgewandelt. Der Erblasser verbrachte die Zeit seit November 1939 im Strafgefangenenlager VII in Esterwegen. Am 3. 5. 1945 wurde er von den alliierten Truppen befreit. In der sowjetischen Besatzungszone, wo er danach Wohnsitz genommen hatte, war er wegen seiner Mitgliedschaft bei den »Zeugen Jehovas« von 1950 bis 1960 wiederum in Haft. Von 1961 bis zu seinem Tode lebte er in Hamburg, er war Inhaber des Flüchtlingsausweises C.

Durch Bescheid v. 27. 2. 1962 hat ihm die Entschädigungsbehörde wegen der in den Jahren 1936 bis 1938 erlittenen Haft eine Entschädigung von 3600 DM zuerkannt. Seinen weiteren Anspruch wegen Schadens an Freiheit hat sie dagegen abgelehnt, weil die infolge der Wehrdienstverweigerung erlittene Haft nicht als ns. Verfolgungsmaßnahme gewertet werden könne. Eine derartige Tat sei auch in anderen, insbes. auch in rechtsstaatlichen Lindern, bestraft worden.

Aus den Gründen: Das Ber(ufungs)Gericht hat die Frage, ob die Bestrafung des Erblassers eine ns. Gewaltmaßnahme war, unentschieden gelassen. Sie ist zu verneinen. Als rechtliche Grundlage für diese Bestrafung kam nur die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 der Kriegssonderstrafrechtsverordnpng (KSStVO) v.17. 8. 1938 (RGBl. I 1939,1455) in Betracht. Danach wurde derjenige, der es unternahm, sich der Erfüllung des Wehrdienstes ganz

oder teilweise zu entziehen, mit dem Tode, in minder schweren Fällen mit Zuchthaus oder Gefängnis bestraft. Es läßt sich nicht sagen, daß diese Vorschrift sich eindeutig als Ausdruck und Ausfluß einer rechtsstaatswidrigen Ordnung gekennzeichnet und sich darum - gemessen an letzten für eine Rechtsgemeinschaft verbindlichen Grundnormen - als Unrechtsnorm dargestellt habe, der ein an solchen unverrückbaren Normen orientiertes Denken und Empfinden auch zur Zeit der NS-Herrschaft die Geltung habe absprechen dürfen und müssen. Diese Folgerung würde bedeuten, daß Richter, die seinerzeit auf Grund dieser Norm Strafen verhängt haben, damit in jedem Falle nicht Recht gesprochen, sondern schlechthin Unrecht verübt hätten. Sie ist keinesfalls schon deshalb gerechtfertigt, weil unser heutiges Rechtsbewußtsein, wie es in Art. 4 Abs. 3 GG und §25 WehrpflG i. d. f. v. 14. 1. 1961 (BGB I. 130) seinen Ausdruck gefunden hat, die Bestrafung eines Wehrpflichtigen, der erweislich aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigert, insbes. seine Bestrafung mit dem Tode - jedenfalls im Bereich unserer Rechtsgemeinschaft - nicht zuläßt. Denn die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Staat das Recht hat, Wehrdienstverweigerer zu bestrafen und welches Strafmaß er dabei anwenden darf, läßt sich nicht schon aus dem Grundsatz der Gerechtigkeit und Menschlichkeit, wie er im Bewußtsein der Allgemeinheit lebt, und auch nicht von einem unantastbaren Kernbestand rechtlicher Sollenssätze her für jede Zeit und jede geschichtlichte Situation ein für allemal eindeutig und zweifelsfrei beantworten. Das ergibt sich schon aus der kaum übersehbaren Fülle der verschiedenartigen gesetzgeberischen Maßnahmen, mit denen etwa im Laufe des letzten halben Jahrhunderts die Kulturstaaten zu verschiedenen Zeiten diese Frage zu lösen versucht haben. Wie der Senat bereits in seinem RzW 57, 52 Nr. 38 veröffentlichten Urt(eil) dargelegt hat, hat nicht nur Deutschland und dieses nicht etwa nur zur Zeit der ns. Herrschaft Wehrdienstverweigerer bestraft, sondern dies haben auch zahlreiche andere Länder, wie Belgien, Frankreich und die Schweiz sowie osteuropäische Staaten und die USA im ersten Weltkrieg getan. Die in diesen Ländern verhängten Strafen sind zum Teil außerordentlich schwer gewesen; so sind während des ersten Weltkriegs in Rußland, Ungarn und den USA öfters Todesstrafen verhängt worden, und zwar auch gegen solche Personen, die lediglich aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigert hatten (vgl. zu diesen Fragen die von der Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländischen öffentliches Recht der Universität Hamburg herausgegebenen Dokumente über die Kriegsdienstverweigerung in deutschem und ausländischem Recht Heft XIII, insbes. S. 6, 16 und 32 sowie das in dem Urt(eil) des L(and)G(erichts) Stuttgart RzW 54, 149, wiedergegebene Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg v. 16. 1. 1954, nach dein sich ein allgemein anerkanntes Recht auf Wehrdienstverweigerung weder früher noch heute herausgebildet hat und selbst unter Berücksichtigung der Länder, die ein solches Recht anerkennen, Einigkeit darüber besteht, daß das anerkannte Grundrecht der Gewissensfreiheit nicht schon das Recht auf Wehrdienstverweigerung einschließt).

Demgemäß ist auch, soweit ersichtlich, den hier in Betracht kommenden Bestimmungen der KSStVO der Charakter der Rechtsstaatlichkeit bisher in der R(echt)spr(echung) nirgends abgesprochen worden (vgl. OLG Koblenz in RzW 53, 267; LG Stuttgart, aaO; OLG Oldenburg in RzW 56,259; BGH-St. 3, 110,116; 4,66,68; LM Nr. 3 zu § 826 Gc und die dort angeführten weiteren Entscheidungen der Strafsenate des BGH; ebenso auch van Dam-Loos, BEG § 1 Anm. 5, und Becker-Huber-Küster, BErgG § 1 Anm. 24).

Diese grundsätzliche Stellungnahme schließt naturgemäß, wie sich schon aus § 2 Abs. 2 BEG ergibt, nicht aus, daß im Einzelfall die Bestrafung eines Kriegsdienstverweigerers auf Grund der angeführten Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KSStVO eine NS-Gewaltmaßnahme gewesen ist. Sie ist es immer dann gewesen, wenn es den Richtern bei der Bestrafung darauf ankam oder auch darauf ankam, den Angeklagten wegen seiner politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gegnerschaft zum NS-Regime zu treffen, insbes(ondere) also, wenn er aus einem dieser Gründe besonders hart bestraft worden ist (vgl. Urt(eil) des Sen(ats) RzW 56,360; 57, 51). In dieser Hinsicht kann man jedoch nicht mit Becker-Huber-Küster aaO annehmen, schon die Bestrafung mit dem Tode spreche immer dafür, daß der totale Staat den prinzipiellen Gegner des Totalitarismus habe treffen wollen. Auch bei der Verhängung einer solchen Strafe konnten die Richter sich ausschließlich von der Überzeugung leiten lassen, daß sie notwendig sei, um die Widerstandskraft des deutschen Volkes im Kriege zu schützen. Es kann auch der Meinung von Blessin-Wilden, BEG § 2 Randn. 8, nicht zugestimmt werden, nach welcher bei der Bestrafung wegen einer aus Glaubensgründen erklärten Kriegsdienstverweigerung der Glaube immer der Verfolgungsgrund sei. Daran ist zwar richtig, daß der Glaube des Kriegsdienstverweigerers insoweit Anlaß zu seiner Verurteilung gegeben hat, als er daraus die Verpflichtung hergeleitet hat, den Kriegsdienst zu verweigern und daß damit sein Glaube objektiv eine Ursache für seine Bestrafung war. Das ist jedoch nach der st(ändigen) Rspr. des Sen. für die Annahme einer NS-Verfolgungsmaßnahme nicht ausreichend. Hierfür ist vielmehr erforderlich, daß der Geschädigte nach dem Willen der Verfolger als Gegner des NS getroffen werden sollte. Für die Kriegsrichter war aber der Beweggrund, aus dem der Kriegsdienst verweigert wurde, soweit es auf die Feststellung des Straftatbestandes der Wehrkraftzersetzung ankam, unerheblich. Der Beweggrund konnte allenfalls für die Strafzumessung von Bedeutung sein. Unter diesem Gesichtspunkt könnte allerdings die Frage gestellt werden, ob nicht eine Verweigerung des Kriegsdienstes auf Grund einer echten Glaubensüberzeugung in jedem Falle zu der Annahme eines minder schweren Falles i. S. des § 5 Abs. 2 KSStVO hätte führen, also die Verhängung der Todesstrafe hätte ausschließen müssen. Es wird sich indessen schwerlich sagen lassen, daß die Kriegsrichter sich bei gegenteiliger Auslegung des Gesetzes eines offenkundigen Mißbrauchs des ihnen hinsichtlich der Strafzumessung eingeräumten Ermessens schuldig gemacht hätten. Diese Frage kann jedoch für den vorl. Fall dahingestellt bleiben, da die gegen den Erblasser tatsächlich durchgeführte Strafmaßnahme nicht seine Hinrichtung, sondern eine mehrjährige Freiheitsentziehung war. Dafür, daß seine Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas bei seiner Bestrafung als strafschärfender Umstand gewertet worden sei, bietet der Sachverhalt keinerlei Anhalt.

Zu der Frage, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 BEG in der Person des Erblassers erfüllt sind, hat das BerGericht festgestellt, daß der Erblasser den Kriegsdienst nicht nur aus Gründen seines Glaubens, sondern auch wegen seiner politischen Gegnerschaft gegen den NS verweigert habe. Aus seinen Erklärungen, daß der von Hitler entfachte Zweite Weltkrieg ein völkerrechtswidriger Krieg gewesen sei, durch den der ns. Staat auf Länder- und Völkerraub ausgegangen sei, und daß dieser Staat kein Rechtsstaat, sondern ein diktatorischer Unrechtsstaat gewesen sei, könne, so meint das BerGericht, gefolgert werden, daß er sowohl die Außen- als auch die Innenpolitik dieses Staates mißbilligt habe und daß neben seiner Glaubensüberzeugung auch diese Mißbilligung für ihn der Beweggrund für seine Kriegsdienstverweigerung gewesen sei. Diese sei darum auch ein Akt des politischen Widerstandes gewesen.

Die Frage, welcher positiven politischen Überzeugung und Zielsetzung dieser Beweggrund entsprungen sei, hat das BerGericht nicht erörtert. Das beim Erblasser von ihm angenommene politische Motiv wird im BerUrteil nur insoweit näher bestimmt, als es darin bestanden haben soll, daß der Erblasser dem NS-Staat den Kriegsdienst verweigert habe, uni nicht zu helfen, durch einen siegreichen Krieg die Unrechtsherschaft auf unabsehbare Zeit zu stabilisieren. Diese Annahme ergibt sich aus dem vom BerGericht in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Grundsatz, daß derjenige, der aus diesem Grund den Kriegsdienst verweigere, aus politischen Gründen Widerstand leiste.

Diese tatsächlichen Feststellungen werden als solche von der Rev(ision) nicht angegriffen. Sie begegnen gleichwohl rechtlichen Bedenken, weil es nach den Ausführungen des BerGerichts zweifelhaft bleibt, ob sie mit seiner zunächst getroffenen Feststellung, der Erblasser habe den Kriegsdienst um seines Glaubens willen verweigert, und mit dem allgemeinen Erfahrungswissen über den Inhalt und die Forderungen dieses Glaubens und der daraus für seine Anhänger sich ergebenden Verpflichtung in bezug auf ihr Verhalten zum Staat vereinbar sind und deshalb als für das RevGericht bindend der Entscheidung zugrunde gelegt werden können.

Soweit der Zeuge Jehovas auf Grund dieser Glaubensüberzeugung den Kriegsdienst verweigert, bekämpft er damit nicht das jeweilige ihm gegenübertretende staatliche Regime um seines etwaigen besonderen Unrechtscharakters willen. Ebensowenig wie somit die im zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigernden Zeugen durch ihre Weigerung in Rußland den Kommunismus oder in England oder Amerika die Demokratie bekämpft haben, haben sie in Deutschland den NS als solchen, d. h. dessen spezifische verbrecherische politische und ideologische Zielsetzungen bekämpft. Dabei ist es naturgemäß denkbar, daß der Zeuge diese Zielsetzungen als Ausdruck einer auch von ihm als besonders bösartig angesehenen und empfundenen Spielart der grundsätzlich ohnehin bösen staatlichen Macht in besonders hohem Maße abgelehnt und ein gewisses Interesse daran gehabt hat, noch vor Harmagedon von dem Druck dieses Regimes befreit zu werden und mit seinen Mitmenschen, insbes. mit seinen Glaubensgenossen, auch bis dahin unter einem weniger drückenden, wenn auch gleichfalls dämonischen, Regime zu leben.

Davon, daß der Erblasser auch aus diesem Grunde den NS bekämpft habe, könnte jedoch nur gesprochen werden, wenn die schon aus seinem Glauben sich ergebende strenge und bedingungslose Verpflichtung, den Kriegsdienst jedem Staat gegenüber zu verweigern, für sich allein nicht ausgereicht hätte, ihn zu dieser Weigerung zu bestimmen, wenn es also dazu zusätzlich noch der Vorstellung von der besonderen Verwerflichkeit des ns. Regines und seiner Bestrebungen und eines aus dieser Vorstellung sich für ihn ergebenden Antriebes, also des Zusammenwirkens beider Motive bedurft hätte, oder wenn umgekehrt sogar diese Vorstellung und der aus ihr sich ergebende Antrieb ihn auch ohne das Gebot seines Glaubens dazu bewogen hätten, den Kriegsdienst zu verweigern. Die Ausführungen des BerGerichts lassen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, in welchem Sinne es eine politische Motivierung für das Handeln des Erblassers als bewiesen angesehen hat und ob es sich aller Bedenken bewußt gewesen ist, die nach den obigen Darlegungen dagegen sprechen können, daß ein solches Motiv tatsächlich für den Entschluß und für die Haltung des Erblassers bestimmend gewesen ist. Diese Bedenken wiegen möglicherweise um so schwerer, als eine die politische Motivierung bejahende Feststellung sich nur auf die entsprechenden Behauptungen des Erblassers stützen könnte, zu denen auch das BerGericht bemerkt, daß sie in ihrem Wortlaut durch die in den öffentlichen Nachrichtenmitteln seit 1945 übliche Ausdrucksweise beeinflußt seien.

Dieser Mangel des BerUrteils führt, da, wie noch darzulegen ist, der Anspruch des Erblassers auch nicht aus einem übergesetzlichen Widerstandsrecht hergeleitet werden kann, zur Aufhebung des BerUrteils, damit das BerGericht die Frage, ob der Erblasser den Wehrdienst »in Bekämpfung der ns. Gewaltherrschaft« verweigert hat, unter Berücksichtigung der hier erörterten Gesichtspunkte erneut prüfen kann. Bei dieser Prüfung wird noch folgendes zu beachten sein: Sowohl das Verhalten des Erblassers vor dem zweiten Weltkrieg als auch die Tatsache, daß er nach seiner Befreiung in der Sowjetzone wiederum um seines Glaubens willen schwere Verfolgung auf sich nahm, dürfte die Annahme nahe legen, daß er ein ganz entschiedener Anhänger seiner Glaubensgemeinschaft und als solcher entschlossen war, unter allen Umständen der ihm von seiner Glaubensgemeinschaft auferlegten Verpflichtung zur Verweigerung des Kriegsdienstes nachzukommen. Etwas anderes hat auch er selbst nicht behauptet. Das mag zwar die Feststellung, daß auch ein politisches Motiv in dem oben dargelegten Sinne, etwa in dem Sinne, daß der Erblasser immerhin auch an einer »vorläufigen« Änderung der politischen Verhältnisse (bis zum Tag von Harmagedon) interessiert gewesen sei, nicht ausschließen. In dieser Hinsicht wird jedoch zu erwägen sein, ob eine solche vorläufige Änderung nicht in aller Regel für einen Zeugen Jehovas bei seinem Entschluß zur Verweigerung des Wehrdienstes von ganz untergeordneter Bedeutung ist und wie die Stellung der Zeugen Jehovas zur Wehrpflicht in der Bundesrepublik beweist, an seiner ablehnenden Haltung gegenüber seinem dabei etwa von der Diktatur zur freiheitlichen Demokratie übergegangenen Heimatstaat nichts ändert. Die entscheidende Änderung der bestehenden Verhältnisse erwartet der Zeuge Jehovas in jedem Falle erst mit der Aufrichtung der Gottesherrschaft nach dem Gericht von Harmagedon. Diese Änderung aber wird nach seiner Glaubensüberzeugung nicht durch ein menschliches, erst recht nicht durch ein politisches Handeln, sondern durch einen souveränen übermächtigen Eingriff Jehovas herbeigeführt, der allein auch den Zeitpunkt hierfür bestimmt oder richtiger schon lange bestimmt hat […]

Auch mit einer Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 BEG wäre jedoch die Frage, ob dem Erblasser wegen des Schadens, den er durch die strafgerichtliche Verurteilung wegen Wehrdienstverweigerung erlitten hat, ein Entsch(ädigungs)Anspruch zustand, noch nicht entschieden. Ein solcher Anspruch würde ihm auch zustehen, wenn seine Weigerung, der Einberufung zum Wehrdienst Folge zu leisten, als Widerstandshandlung gerechtfertigt und er dafür somit zu Unrecht bestraft worden wäre. Seine Bestrafung würde dann aus diesem Grunde eine Gewaltmaßnahme darstellen. Eine solche Beurteilung seines Verhaltens ist indes rechtlich nicht möglich.

Es ist davon auszugehen, daß dem staatlichen Recht vorgehende höhere Rechtsgrundsätze dem Staatsbürger unter gewissen Voraussetzungen ein Widerstandsrecht gegenüber dem Staat geben können. Dieses Widerstandsrecht stellt einen Rechtfertigungsgrund dar. Eine Handlung, die zwar gegen das geltende Gesetz verstößt, aber durch das Widerstandrecht gedeckt wird, ist rechtmäßig. Wird der Handelnde wegen einer solchen von ihm begangenen Handlung nach den geltenden Gesetzen bestraft, dann ist diese Bestrafung Unrecht. Dabei ist zu bedenken, daß solche übergesetzlichen Sätze auch für Staaten mit einer rechtsstaatlichen Ordnung gelten. Bei der Beantwortung der hierzu entscheidenden Frage muß daher zunächst davon abgesehen werden, daß es der ns. Staat war, der den Angriffskrieg führte und den Erblasser zum Kriegsdienst einberief. Der Sachverhalt muß vielmehr zunächst einmal so betrachtet werden, als handle es sich dabei um Vorgänge, die sich in einem Rechtsstaat abgespielt haben, der einen Angriffskrieg gegen benachbarte Staaten begonnen hat. Es gibt sicherlich keinen Staat, der jedem seiner Bürger das Recht zuspricht, zu entscheiden, ob der Krieg ein gerechter oder ein ungerechter ist und demgemäß seiner staatsbürgerlichen Pflicht, Wehrdienst tu leisten, zu genügen oder ihre Erfüllung zu verweigern. Würde der Staat jedem Bürger dieses Recht zubilligen, so würde er sich selbst damit aufgeben. Denn die Frage, ob ein Krieg ein gerechter oder ungerechter ist, kann dem einzelnen Bürger nicht zur Entscheidung überlassen werden. Sie kann vielleicht nicht einmal von der zeitgenössischen historischen Wissenschaft immer mit Sicherheit beantwortet werden. Das Urteil wird sehr oft erst von der Geschichte gesprochen und es ist keineswegs davon abhängig, ob der Krieg Erfolg gehabt hat oder nicht. Diese Erwägungen zeigen, daß eine Kriegsdienstverweigerung nicht durch ein allen Staaten gegenüber geltendes Widerstandsrecht gedeckt sein kann. Denn dieses Recht kann nicht so weit gehen, Handlungen zu rechtfertigen, die eine ernste Gefahr für jeden Staat bedeuten.

Die Frage, ob die Handlung des Erblassers durch ein Recht zum Widerstand gerechtfertigt war, ist jedoch noch unter einem anderen Gesichtspunkt zu prüfen. Derjenige, der es ablehnt, sich an einem Verbrechen zu beteiligen, handelt rechtmäßig. Wird er wegen dieses Verhaltens bestraft, dann ist diese Bestrafung Unrecht. Befehle, Juden zu erschießen oder Kriegsgefangene umzubringen, waren Aufforderungen, Verbrechen zu begehen. Diejenigen, die sich weigerten, solche Befehle auszuführen, handelten rechtmäßig. Sind sie deswegen bestraft worden, dann ist ihnen Unrecht geschehen.

Der vom NS-Staat geführte Krieg war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Dadurch, daß er diesen Krieg entfesselte und führte, hat er ein Verbrechen i. S. des Völkerrechts begangen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß der Einzelne ein Verbrechen begangen hat, weil er an diesem Krieg teilnahm. Es ist im Völkerrecht eine sehr umstrittene Frage, wie weit die Träger der Staatsgewalt und ihre ausführenden Organe persönlich für ein vom Staat begangenes Unrecht verantwortlich gemacht und strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können. Auf diese Frage ist hier nicht näher einzugehen. Es ist aber wohl nirgends und von niemandem ernstlich die Ansicht vertreten worden, daß der Staatsbürger, der sich in Erfüllung seiner Wehrpflicht an einen solchen verbrecherischen Krieg beteiligt, auch seinerseits damit ein Verbrechen begeht. Man kann nicht sagen, daß alle deutschen Soldaten des zweiten Weltkrieges wegen ihrer Teilnahme an diesem Krieg, soweit sie sich nicht auf einen strafrechtlichen Notstand berufen können, objektiv ein Verbrechen begangen haben, daß ihnen also dieses Verhalten nur dann vorgeworfen werden könne, wenn sie nicht erkennen konnten, daß es sich um einen Angriffskrieg handelte. Es hat sicherlich sehr viele gegeben, die ebenso wie nach seiner Behauptung der Erblasser, davon überzeugt waren, daß der vom ns. Regime entfesselte Krieg ein verbrecherischer Angriffskrieg war. Sie haben dennoch dem Einberufungsbefehl Folge geleistet und ihre soldatischen Pflichten erfüllt. Es läßt sich nicht ernstlich die Ansicht vertreten, daß sie sich nur dann nicht strafbar gemacht hätten, wenn sie bei einer Weigerung Gefahr laufen mußten, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und vielleicht zum Tode verurteilt zu werden. Wollte man das annehmen, so hatten auch diejenigen ein Verbrechen begangen, die wissend, daß es sich um einen Angriffskrieg handelte, dem Gestellungsbefehl dennoch Folge leisteten, obwohl sie in der Lage waren, ohne ihr Leben und ihre Freiheit auf Spiel zu setzen, ins neutrale Ausland zu entkommen.

Daß auch der Entsch(eidungs)Gesetzgeber nicht schon die bloße Teilnahme an Kriegshandlungen auf Seiten des ns. Deutschland als sittlich verwerflich angesehen hat, ergibt sich zweifelsfrei aus der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BEG, nach welcher nur die Verfolgung wegen eines Einsatzes gegen die auch durch den Krieg nicht gerechtfertigte Vernichtung von Menschenleben einen Entsch(ädigungs)Anspruch begründen soll. Der Gesetzgeber geht hier also davon aus, daß nicht jede Vernichtung von Menschenleben im letzten Kriege der sittlichen Rechtfertigung entbehrt. Dieselbe Auffassung ist auch in den Beratungen des Wiedergutmachungsausschusses zum BEG -vgl. Protokoll Nr. 10 v.11.1. 1956, S, 5 - zum Ausdruck gekommen.

Läßt sich somit nicht sagen, daß der Erblasser mit seiner Weigerung, der Einberufung zum Wehrdienst Folge zu leisten, gegen das Ansinnen, ein Verbrechen zu begehen, Widerstand geleistet habe, so läßt sich auch unter diesem Gesichtspunkt nicht feststellen, daß das, was ihm widerfahren ist, eine NS-Gewaltmaßnahme gewesen sei.

Die Kl. haben schließlich vorgetragen, daß die Freiheitsentziehung, die der Erblasser erlitten habe, insofern eine rechtsstaatswidrige Maßnahme gewesen sei, als sie nach dem Willen der damaligen Machthaber nicht als Vollstreckung der gegen ihn verhängten Strafe angesehen worden sei, diese vielmehr erst nach dem Kriege habe verbüßt werden sollen. Eine solche Anordnung konnte nach §§ 104, 105 der Kriegsstrafverfahrensordnung v.17.5.1938 (RGBL 1 1939,.1457) getroffen werden. Wenn sie im Falle des Erblassers getroffen worden ist, so traf sie ihn, wie die obigen Darlegungen ergeben, nicht als politischen oder weltanschaulichen Gegner des NS, sondern als eine gegen die Kriegsdienstverweigerung als solche gerichtete Maßnahme, der alle Kriegsdienstverweigerer ausgesetzt waren. Zudem ist sie für den Erblasser praktisch nicht mehr zur Auswirkung gekommen. Das wäre erst dann geschehen, wenn seine Strafzeit über die in dem Begnadigungserlaß vorgesehene Dauer von 10 Jahren hinaus erstreckt worden wäre.

Anmerkungen zur Wehrdienstverweigerung im Hitlerregime

ach so milde ...

Ein bei den Fachhistorikern heftigst umstrittenes Buch ist das 1977 erschienene des Otto Peter Schweling "Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus".

Ursprünglich mal vom Münchner "Institut für Zeitgeschichte" in Auftrag gegeben, lehnte es genanntes Institut dann letztendlich ab, es auch zu veröffentlichen. Einer der Hauptgründe. Apologetische Wertung. Die Militärrrichter in der Hitlerzeit, seien doch nach diesem Buch, alle nur "verkannte Wohltäter" gewesen. Das war selbst genanntem Institut, das gegebenenfalls einen Namen zu verlieren hat, zuviel.

Der Autor Schweling erlebte nicht mehr die tatsächliche Veröffentlichung des Buches. Nach dessen Tod nahm sich einer, der selbst Militärrichter im Naziregime war, der Herr Erich Schwinge, dieser Hinterlassenschaft an und brachte dann dieses Buch, außerhalb obigen Institutes dann noch auf den Markt.

Auch die Bibelforscher werden in einem Abschnitt darin mit abgehandelt. Mit vorstehenden Vorbehalten sei nachstehend, eine Passage zitiert, in der der Autor auch in Sachen Bibelforscher, die "ach so milden Militärrichter" glaubte wahrzunehmen.

Zitat:

Besonders instruktiv ist ein vom 3. Senat abgeurteilter, unveröffentlicht gebliebener Fall (III 67, 40):

Am 28. 1. 1940 war wieder einmal ein Zeuge Jehovas vor Gericht gestellt worden. Da er sich auf Zuspruch des Gerichts bereit erklärt hatte, seine Weigerung aufzugeben, wurde er statt zum Tode zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Schon am Tage danach widerrief er seine Erklärung. Die Folge war, daß das soeben ergangene Urteil nicht bestätigt wurde, so daß neue Verhandlung anberaumt werden mußte. Am 1. 4. 1940 wurde er daraufhin zum Tode verurteilt, und dieses Urteil wurde rechtskräftig. Bevor es zur Vollstreckung kam, wandte sich der Verurteilte mit einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens an das Gericht und begründete ihn damit, daß er jetzt zur Leistung des Wehrdienstes bereit sei. Dem Antrag wurde hinsichtlich der Straffrage stattgegeben.

In der neuen, also der dritten Hauptverhandlung zog der Angeklagte seine Bereitschaftserklärung wieder zurück. Diese Äußerung behandelte der Senat als nicht glaubhaft, bejahte die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB und erkannte auf drei Jahren Zuchthaus. - Auch dieser Fall zeigt, wieviel Geduld die Senate gelegentlich aufbrachten, um von der Verhängung der Todesstrafe Abstand nehmen zu können.

Zitatende.

Herr Schweling vergas allerdings hinzuzufügen, was aus diesem Zeugen Jehovas denn letztendlich wurde. Wie man las, spielte sich das ganze im Jahre 1940 ab. Bekanntermaßen bestand das Hitlerregime aber noch bis 1945. Zeit also noch genug (mit oder ohne Urteil), noch eine Entscheidung zu realisieren, die möglicherweise eine andere Fratze offenbart, als wie dieser geschönte Bericht. Man beachte in diesem Zusammenhang auch noch das noch folgende Bastian-Dokument, wo klar ausgesagt wird, dass solcherart „Begnadigte" automatisch an die Front geschickt wurden.

Eines zeigt jedoch auch er. Auch Zeugen Jehovas schwankten. Dies soll nicht als Vorwurf verstanden werden. Mitnichten. Es gibt noch andere Belege für solches schwanken im Ernstfall. Das ist wahrlich kein Einzelfall. Redete die WTG-"Standhaft"-Kampagne auch davon? Wohl kaum. Dort gab und gibt es nur "Superhelden".

Noch eins. Dies ist das einzigste Einzelfallbeispiel das Schweling in Sachen Zeugen Jehovas vorstellt. Ohne Zweifel gab es auch andere, anders geartete Beispiele. Wer nur Schweling zur Kenntnis nimmt, erfährt nicht den Bruchteil einer Silbe davon.

Der Vorwurf gegen Schweling/Schwinge übelste Geschichtsklitterer zu sein; den kann man daher nur voll unterstreichen!

Noch ein Dokument sei (diesmal ohne Kommentar. Meinen Kommentar habe ich schon vorstehend abgegeben) zitiert.

Zum Schluss seines Buches zitiert der Autor noch "Auszüge aus Aufzeichnungen des Admirals Bastian, Präsident des Reichskriegsgerichts von 1939 - 1944". Und damit das alles noch die "rechte Würze" bekommt, bilden die Ausführungen von Bastian über die Bibelforscher, die Schlusssätze des Buches. Da liest man dann:

„Der Führer hatte sich als Staatschef etwa dahin ausgesprochen, daß er den 'Zeugen Jehovas', in allen aktuellen Fällen doch wehrtauglichen Männern, ja in vielen Fällen kräftigen jungen Burschen, keine Sonderstellung, also in diesem Fall keinen sicheren Schutz vor dem Tode einräumen könnte, während er vielfach älteren und alten Familienvätern den Tod im Kampf vor dem Feinde nicht ersparen könnte. Die Sektierer müßten im Kriegsfalle, also in einer Notzeit des Vaterlandes, ihre persönliche Überzeugung einem höheren ethischen Zweck gegenüber zurückstellen.

Es ist nicht leicht, gegen diese Auffassung unter allen Umständen durchschlagende Gründe geltend zu machen, es sei denn, daß man der Überzeugung sein konnte oder gar mußte, daß ein 70 Millionen Volk auch im Kriege eine verhältnismäßig doch recht kleine Schar solcher religiösen - man darf wohl sagen - Außenseiter verwinden oder, wie der moderne Ausdruck jetzt lautet, „verkraften" könnte. Ganz ausgeschlossen aber ist es, aus gerichtsherrlicher Befugnis heraus gegen eine solche Entscheidung des für die Sicherheit des Staates im Kriege erhöht verantwortlichen Staatschefs Einwendungen zu erheben, nachdem im Schoße des Oberkommandos der Wehrmacht diese Entscheidung herbeigeführt worden war. Ich muß offen bekennen, daß sie gegen mein inneres Empfinden ging, ich war und bin der Ansicht, daß man sehr wohl durch eingehende und gewissenhafte Prüfung der einzelnen Persönlichkeiten die überzeugten Bibelforscher von den etwaigen „Drückebergern" hätte scheiden und dann vor der allerletzten Konsequenz der Todesstrafe bewahren können.

Nun stand ich vor einer vollendeten Tatsache. Ich war mir von vornherein klar darüber, daß ich den § 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung den Bibelforschern gegenüber mit einem weitestgehenden Verständnis anwenden und jede Rücksicht nehmen wollte, die der gebotenen Staatssicherheit und damit der gegebenen Weisung gegenüber nur irgendwie vertretbar war. Mein Bestreben wurde mir dadurch leicht gemacht, daß meine juristischen Mitarbeiter und Berater mir bei der Durchführung meiner dahingehenden Absicht bereitwilligst folgten. So wurde zunächst versucht, durch die Geistlichen der entsprechenden Konfession auf die in den Bereich des Reichskriegsgerichts tretenden Bibelforscher einzuwirken, ihnen zu zeigen, daß der Wehrdienst mit den Vorschriften, Weisungen und Tatsachen der Bibel nicht im Widerspruch stünde und ihre Auffassung daher nicht mit der „Schrift" in Einklang stünde. Diese Versuche scheiterten in den allermeisten Fällen, ja, sie wurden häufig sogar recht schroff abgelehnt. Allen Angehörigen der Inhaftierten wurde in der entgegenkommendsten Weise Zutritt zu den Beschuldigten gewährt, in der Hoffnung, daß sie einen günstigen Einfluß auf ihre betroffenen Familienmitglieder ausüben würden und könnten. Aber auch hierbei wurden seltsame Erfahrungen gemacht. Es kam nicht selten vor, daß die Angehörigen die Beschuldigten ermahnten, unter allen Umständen fest zu bleiben, sich nicht weich machen zu lassen und lieber den Tod hinzunehmen als „umzufallen". Nicht minder ernst wurde der Versuch gemacht, durch militärische Richter, also durch ernste und reife Soldaten, die Verpflichtung jedes wehrfähigen Deutschen dem eigenen Volke, der eigenen Familie, kurz dem Vaterland gegenüber ins Feld zu führen. Aber nach dieser Richtung hin war, ein Erfolg nicht wahrnehmbar. Schließlich gaben sich auch die Untersuchungsrichter selbst die denkbar größte Mühe, die Beschuldigten vom juristischen, rein menschlichen und nicht zuletzt ethischen Standpunkt aus, umzustimmen, immer im großen und ganzen mit dem gleichen negativen Erfolg. Auch eine Denkschrift, die der Militärgeistliche Jensch ausarbeitete und um deren Aushändigung an die eingelieferten Bibelforscher er meine Genehmigung eingeholt und auch sofort bedenkenlos erhalten hatte, vermochte das bedrückende Bild nicht zu ändern.

So blieb nur übrig, im angelaufenen Verfahren selbst, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. In jedem Falle wurden, wenn ein „Umfall" erfolgte, ein minder schwerer Fall angenommen, trotzdem eigentlich mit der ausdrücklichen Wehrdienstverweigerung das Delikt „vollendet" und damit die Todesstrafe verwirkt war (?)

Ja selbst, wenn nach dem Ausspruch eines Todesurteils, ja sogar nach seiner Bestätigung der Verurteilte seinen ablehnenden Standpunkt änderte, wurde das ergangene Urteil von mir aufgehoben und ein „Wiederaufnahmeverfahren" angeordnet. Letzteres war nach den Bestimmungen streng genommen nur zulässig, wenn sich nach der Urteilsverkündung bzw. Bestätigung Tatsachen ergaben, die vorher nicht hatten vorgebracht werden können, also ganz neu in die Erscheinung traten. Nun konnte das von einer späteren eintretenden Sinnesänderung des Verurteilten wirklich nicht behauptet werden, die Möglichkeit hierzu war schon vor der Verurteilung durchaus gegeben. Mein gerichtsherrliches Entgegenkommen ging sogar so weit - und meine juristischen Mitarbeiter folgten mir dabei in eigener Bereitschaft -, daß ich die Vollstreckung eines Todesurteils noch aussetzte und ein Wiederaufnahmeverfahren noch anordnete, wenn der Verurteilte noch in letzter Minute sich zum Wehrdienst bereit erklärte, also in einem Zeitpunkt, in dem von einer echten Sinnesänderung wohl kaum noch gesprochen werden konnte.

Bei all solchen Wiederaufnahmeverfahren wurde dann je nach der Hartnäckigkeit der vorher gegangenen Weigerung eine Freiheitsstrafe - meistens von 1 bis 3 Jahren Gefängnis - verhängt, die dann ausgesetzt wurde, um den Verurteilten Gelegenheit zur Bewährung an der Front zu geben, eine Maßnahme, die sich in vielen Fällen auch eines vollen Erfolges erfreuen konnte. Wenn alle Mittel versagten, um ein Todesurteil zu verhindern, dann versuchte ich in geeigneten Fällen auf dem Gnadenwege zum Ziele zu kommen. Es kam dann darauf an, dem Führer in dem Gnadengesuch den Fall durch eine geschickt formulierte Begründung menschlich so nahe zu bringen, daß er von seinem Grundsatz: „Wer für sein Vaterland an der Front kämpft, k a n n sterben, wer den Dienst für sein Volk an der Front verweigert, m u ß sterben" abzugehen in der Lage war.

Zwei markante Fälle sind in meiner Erinnerung haften geblieben, in denen es mir gelang, eine Begnadigung durchzusetzen. Bei dem ersten handelte es sich um einen ehemaligen österreichischen Kaiserjäger, der sich im 1. Weltkriege sieben Tapferkeitsauszeichnungen geholt hatte und nun im 2. Weltkrieg den Wehrdienst aus innerer Überzeugung hartnäckig verweigerte. Daß er inzwischen Familienvater geworden war, hatte seine negative Einstellung zum Wehrdienst nicht herbeigeführt, das sei ausdrücklich betont. Der Führer gab in diesem Falle, bei dem es sich um einen erwiesen äußerst tapferen Soldaten handelte, dem Begnadigungsgesuch statt.

Der andere Fall betraf einen jungen, kräftigen Bauernburschen von 19 Jahren. Er war von Kindheit an von seinen Eltern in der Mentalität der Bibelforscher erzogen worden und besaß insoweit überhaupt keine eigene Meinung und schon gar kein persönliches Urteilsvermögen. Hinzu kam, daß ihn seine eigenen Angehörigen dringend warnten, unter gar keinen Umständen etwa „umzufallen„,da er sonst der ewigen Verdammnis anheimfallen würde. Aus dieser für einen jungen Menschen äußerst komplizierten Lage fand der Beschuldigte nicht heraus und mußte daher, nachdem der vereidigte Psychiater ihn für voll zurechnungsfähig erklärt hatte, zum Tode verurteilt werden. Unter Schilderung der hier besonders schwierig und menschlich tragisch gelagerten Verhältnisse wurde von mir ein Gnadengesuch eingereicht und ihm auch entsprochen, und nun geschah etwas Außergewöhnliches: der junge Mann bat dringend darum, daß trotz seiner Begnadigung das Todesurteil an ihm vollstreckt würde, weil es nicht in der Hand der Menschen liegen könnte, die Vollstreckung eines Todesurteils zu verhindern, das Gott zugelassen hätte. Das war ein Fall, der wohl wirklich 'einmalig' genannt werden darf. Es erübrigt sich wohl, ausdrücklich zu erklären, daß der Bitte des Begnadigten nicht entsprochen wurde.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, da allen Fällen, wo der geringste Zweifel an der vollen Zurechnungsfähigkeit eines Beschuldigten bestand, auch bei allen Bibelforschern der beeidigte gerichtliche Psychiater zur Begutachtung herangezogen wurde."

Zum Thema Luftschutz

Gemäß der Thematik dieser Webseite, soll einmal ein geschichtlicher Vorgang etwas näher beleuchtet werden, der zeitgenössisch sehr wohl mit einer der Problemverursacher war.

Noch in Friedenszeiten, so etwa in der Schweiz, machte sich das bemerkbar. Josy Doyon etwa, berichtet in ihrem Buch "Hirten ohne Erbarmen", wie es diesbezüglich ihrem Ehemann erging. Letzterer hatte sehr zum Missfallen der WTG-Funktionäre es lange Zeit vermieden, eine kategorische Erklärung gegenüber den Behörden abzugeben, dass er auch Luftschutzdienste prinzipiell verweigern würde. Daraufhin setzten die WTG-Funktionäre der Familie Doyon die Pistole auf die Brust:

"In ein arges Dilemma brachte Hans seine Verpflichtung zum Militärdienst. Längst hätte er den Dienst verweigern sollen, schob es aber immer wieder hinaus. Er konnte einfach nicht einsehen, warum ihm dies von der Gesellschaft zugemutet wurde, war er doch einer Luftschutztruppe zugeteilt … Aber schliesslich begann die Gesellschaft immer heftiger zu dringen, dass jeder Zeuge den Dienst verweigern müsse … "

Im "Wachtturm" vom 1. 2. 1972 kann man einen Bericht von Richard S. Cotterill aus Großbritannien lesen. Dieser äußert zu der in Frage stehenden Thematik:

"Während des Krieges wurde man zum Luftschutzhilfsdienst eingeteilt. Ich wurde als Luftschutzwart der Kathedrale von Carlisle eingesetzt! Da ich keiner Kirche mehr angehörte, weigerte ich mich, diese Aufgabe zu übernehmen, um so mehr, als ich bereits die Verpflichtung übernommen hatte, Luftschutzwart des Gebäudes zu sein, in dem sich der Königreichssaal befand. Ich kam vor Gericht und wurde zu einer Geldstrafe oder einem Monat Gefängnis verurteilt. Da ich mich weigerte, die Strafe zu bezahlen, räumte man mir einen Monat Zeit ein, in dem ich bezahlen könnte oder dann ins Gefängnis müßte. Ich landete im Gefängnis von Durham, wo es kärgliche Kriegsrationen gab. "

Es verwundert daher nicht, dass auch in Hitlerdeutschland sich das als ein relevanter Konfliktpunkt entpuppte.

Die SS-Zeitschrift "Das Schwarze Korps" bewertete das als "tollstes Stück", dass die Zeugen Jehovas die Beteiligung am Luftschutz ablehnten, "denn - 'wir stehen in Gottes Hand', und wenn Gott es will, dass eine Bombe einschlägt, so dürfen wir es nicht verhindern."

So erwähnt die Gestapo in ihren "Lageberichten" verschiedentlich:

"Bei Vernehmungen geben sie (die Bibelforscher) auf Befragen unumwunden zu, dass sie den Kriegsdienst verweigern würden. Auch haben sich einzelne Anhänger dieser Sekte geweigert, Ämter im Reichsluftschutzbund zu übernehmen. Hieraus geht hervor, dass im Ernstfall ein großer Teil der Bevölkerung ausscheidet, womit die außerordentliche Gefahr dieser religiösen Gruppe eindeutig bewiesen sein dürfte."

Ein weiterer Lagebericht notiert im gleichen Sinne:

„Zum Teil lehnen sie unter Hinweis auf die Bibel ihren Beitritt zum Reichsluftschutzbund und zur Arbeitsfront ab. Ein anderer Bibelforscher erklärte, der Dienst als Luftschutzwart und andere Dienstleistungen, die das Allgemeinwohl betreffen, versehen zu wollen. Die Ableistung eines Eides in politischen Angelegenheiten verbiete ihm aber sein Glaube und sein Gewissen."

In den Gestapo-Vernehmungen der Zeugen Jehovas, kommt dieser Punkt mit ziemlicher Regelmäßigkeit, immer wieder mit zur Sprache. Das soll mal an drei Vernehmungsprotokollen der etwas "prominenteren" Art verdeutlicht werden.

Im Vernehmungsprotokoll des Fritz Winkler liest man dazu:

"Der Deutschen Arbeitsfront treten verschiedene Glaubensgeschwister nicht bei, weil die Deutsche Arbeitsfront eine politische Gliederung der Partei ist und die Bibel von uns erwartet, dass wir uns von den Dingen der Welt, wozu auch die politischen Angelegenheiten zählen, freihalten sollen. Ich erkläre ausdrücklich, dass keinerlei Anweisung gegeben ist, wie sich die einzelnen Glaubensgeschwister der DAF gegenüber verhalten sollen. Über den Reichsluftschutzbund trifft das gleiche zu, was ich über die DAF angegeben habe."

In den Protokollen des Erich Frost liest man dazu:

Über unsere Stellung zur Wehrpflicht, sowie über die Leistung des Beamteneides sind von Seiten der Wachtturm und Bibel und Traktat Gesellschaft Informationen nicht ergangen. … Ich selbst lehne jedenfalls jegliche Leistung zur Wehrpflicht ab und werde auch zukünftig danach handeln. Dasselbe gilt für die Leistung des Eides auf den Führer. Ein Zeuge Jehovas, der als Beamter den Eid leistet, wird aufgehört haben, ein Zeuge Jehovas zu sein. Wir werden ihn für die Zukunft mit Sorge betrachten, da wir erfahrungsgemäß wissen, dass sich solche Leute allmählich von uns zurückgezogen haben. Solche Fragen sind auf dem Luzerner Kongress nicht besprochen worden. Ein Zeuge Jehovas, der als Beamter den Eid auf den Führer leistet begibt sich in die Gefahr, seinem Eid Jehova gegenüber untreu zu werden, wenn er die Folgerungen des Führereides auf sich zu nehmen hat. Ich für meinen Teil lehne daher ab, Arbeitsdienst zu verrichten, Untergliederungen der NSDAP beizutreten (Luftschutzbund, NSV) den deutschen Gruß anzuwenden und überhaupt mich an solchen Verbänden zu beteiligen, die der Wehrhaftmachung des deutschen Volkes dienen."

Auch in den Presseberichten über den von den Nazis einen Kopf kürzer gemachte Ludwig Cyranek, kommt dieser Aspekt, an herausgehobener Stelle mit zum Vorschein. Etwa, wenn man dazu liest:

"In gleichlautenden Texten, aber mit verschiedenen Balkenüberschriften berichtet die nationalsozialistische Presse über dieses Terrorurteil und versuchte, es propagandistisch auszuschlachten.

'Bibelforscher als Saboteure des Luftschutzes' - 'Haupträdelsführer mit dem Tode bestraft' schrieb die Rheinische Landeszeitung vom 21. März 1941, und der im Siegkreis erscheinende 'Westdeutsche Beobachter' vom 22. März 1941 setzte als Schlagzeile: 'Saboteure des Luftschutzes - Zuchthaus für Ernste Bibelforscher.'

Abschließend hieß es in beiden Artikeln: 'Die verbotene Vereinigung verneint nicht nur den Wehrdienst, sondern hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Maßnahmen von Organisationen der Volksgemeinschaft, darunter auch des Reichsluftschutzbundes, zu sabotieren. Sie bringt damit Gut und Leben deutscher Volksgenossen in größte Gefahr. Das darum der Haupträdelsführer Cyranek mit dem Tode bestraft wurde, entspricht voll und ganz dem Empfinden des Volkes, das vor solchem frevelhaftem Treiben geschützt werden muss.'"

Frost führte es in seiner Vernehmung schon mit aus. Die WTG vermied und vermeidet es, sich selbst in aktenkundiger Form dazu festzulegen. Es wird da nur intern agiert und zwar so, dass es im Ernstfall immer als "individuelle Gewissensentscheidung" verkauft wird. Das dieses "Gewissen" sich kollektiv um 180 Grad zu wenden vermag, hat man zuletzt beim 1996er Wehrersatzdienstschwenk registrieren können.

Insofern verwundert es nicht, dass man in den Lehrbüchern der Zeugen Jehovas, keine Detailausführungen zum Thema Luftschutz und seiner Verweigerung, vorfindet. Einmal ist dabei allerdings der WTG wohl eine Panne unterlaufen. So findet man doch tatsächlich in der Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter" vom 15. 8. 1936 eine Stellungnahme dazu. Die ist mit dem Kürzel M.C.H. absigniert (was für Martin C. Harbeck steht; jener WTG-Funktionär, der höchstpersönlich noch mit Nazibehörden verhandelte). Harbeck, dessen letzter Verhandlungsversuch dann scheiterte, und der sich darüber aufregt, dass die Nazibehörden auch ihn zweitweise inhaftierten, meint sich darauf berufen zu können, dass die Nazibehörden keine stichhaltigen Anklagepunkte gegen ihn vorbringen konnten; und sie ihn daher auf Druck der USA wieder freilassen mußten.

Nun mag die gescheiterte Verhandlungsmission vor dem 15. 8. 36 gewesen sein. Es ist auch fraglich, ob das Zeugen Jehovas-Referat der Gestapo, das "Goldene Zeitalter" aktuell auswerten konnte oder nur mit Zeitverzug. Wie auch immer, hier lieferte Harbeck aus eigener Feder jene Argumentation, die im Naziregime ausreichte, um selbst Ausländer längerfristig inhaftieren zu können.

In der Form einer Fragebeantwortung schrieb Harbeck dazu (und sein Text sei nachstehend ungekürzt zitiert):

Frage: Darf sich ein Zeuge Jehovas an der Organisation des Luftschutzes beteiligen?

Antwort: Wenn sich jemand Gott völlig geweiht hat und ein Nachfolger Jesu Christi geworden ist, so ist er aus allen Nationen der Erde abgesondert worden und wird nun sein ganzes Vertrauen auf Jehova Gott und auf Christus Jesus und auf das Königreich setzen. Er wird bemüht sein, in allen Dingen den Willen Gottes zu tun, und Gott sagt in seinem Wort, daß er sich in allen Dingen von der Welt Satans, d. h. von der Politik, dem Handel und der Religion dieser Welt, fernhalten soll.

Vom menschlichen Standpunkt betrachtet mag es gut und recht sein, daß ein Mensch oder ein Staat Maßnahmen trifft und sich organisiert, um sich gegen ungerechtfertigte Angriffe anderer Menschen oder anderer Nationen zu schützen und zu verteidigen. Mit dieser Frage aber hat ein Christ nichts zu tun.

In vielen Fällen wird es überhaupt unmöglich sein, festzustellen, wer den Angriffskrieg und wer den Verteidigungskrieg führt. Ein Christ vertraut auf Jehova und seinen Schutz allein. Er wird keinem Menschen oder keiner Organisation von Menschen Rettung und Heil zu schreiben. Ein Christ erwartet von keiner menschlichen Organisation Schutz und Rettung, sondern vertraut darauf, daß Jehova weitgehende Maßnahmen zu seiner Sicherheit und zu seinem Schutz getroffen hat. Ein Christ wird daher auch keinen Anteil nehmen an einer Luftschutz-Organisation für den Fall eines Krieges, weil eine solche Organisation mehr oder weniger mit militärischen Einrichtungen verbunden ist, und weil er dadurch stillschweigend zugeben würde, daß er von einer solchen Organisation Heil und Rettung erwartet.

In einigen Ländern wird in letzter Zeit verlangt, daß die Fahne als Symbol der Nation besonders gegrüßt wird und daß Menschen ebenfalls in besonderer Weise als Führer und Retter der Nation geehrt werden. Die politischen Spannungen werden immer größer, und der Teufel versucht durch Furcht die Menschen unter seine Botmäßigkeit zu bringen, indem er sie dazu bringt, auf Menschen und auf menschliche Einrichtungen ihre Hoffnung zu setzen. Wir glauben, daß diese Bestrebungen mit der Aufrichtung des Standbildes der teuflischen Organisation, wie s. Zt. in der Ebene Dura, in Verbindung stehen, und dass wir uns von allen diesen Dingen fernhalten sollen, soweit dies in unserer Kraft steht; ferner sollten wir durch unsere Stellungnahme ein Zeugnis dafür geben, daß Jehova Gott ist und daß sein Königreich die einzige Hoffnung der Welt ist.

Andererseits haben wir nicht das Recht, andern Menschen vorzuschreiben, was sie tun sollen oder wie sie sich in einer solchen Lage verhalten sollen. Auch dürfen wir uns nicht einmischen in die Angelegenheiten des Staates, und es soll dem Staate überlassen bleiben, zu tun, was ihm zu tun recht erscheint. Wir sind keine Pazifisten Im landläufigen Sinne des Wortes, denn wir wissen, daß Jehova in der Schlacht von Harmagedon kämpfen und alle seine Feinde vernichten wird. Durch seine unsichtbaren Heerscharen wird er seine Gesalbten zu schützen wissen und auch alle Menschen guten Willens, die sich auf die Seite seines Königreiches gestellt haben. M. C. H."

Eine Frage wäre eigentlich in diesem Zusammenhang noch mit zu klären. In diversen Veröffentlichungen über die Geschichte der Zeugen Jehovas wird sie mit erwähnt: die Gertrud Pötzinger, deren Ehemann es gar bis zum Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas brachte. Pötzinger ist auch dahingehend in die Analen eingegangen, dass sie in der Endphase ihrer eigenen KZ-Haft als Kindermädchen und Haushaltshilfe bei einem SS-Offizier tätig war. Dieser konnte so entlastet, sich um so unbeschwerter seinen beruflichen Obliegenheiten widmen, die wohl nicht unbedingt der philanthropischen Art zuzuordnen sind.

Die Frage die dabei nach wie vor offen bleibt ist die. Weshalb wurde Luftschutz verweigert. Aber nicht die Dienstleistungen für SS-Schergen?

Hoheitsträger

Die Nazis hatten auch eine Zeitschrift namens "Der Hoheitsträger". Laut Impressum "Nur für den Dienstgebrauch - Vertraulich. Vom Empfänger unter Verschluss zu halten." In deren Ausgabe N. 6/1938 war auch mal ein Artikel abgedruckt mit dem Titel "Die Ernsten Bibelforscher als Sendboten des jüdischen Bolschewismus". Inhaltlich enthielt er die sattsam bekannten Nazithesen, die man auch an anderer Stelle nachlesen kann. Jonak von Freyenwald lässt darin grüßen. Er wird zwar nicht besonders genannt; sehr wohl aber seine Grundthese kolportiert: "Die Lehre der Internationalen Bibelforscher ist in Wahrheit keine rein religiöse, wie immer wieder von ihrer Seite behauptet wird, sondern ein Gemisch von Religion und Politik, wobei die Religion nur das Mittel und die Politik der Zweck ist …"

In der Ausgabe vom August 1938, gab es dann noch eine Ergänzung zu dem vorgenannten Artikel. Laut redaktioneller Einleitung eine Ergänzung "durch eine besonders aufschlussreiche und von sachkundiger Stelle kommende Darstellung." Dieser "Sachkenner" gibt dann schon einleitend seine Einschätzung zum besten:

"Es ist zwar bekannt, dass eine Betätigung für die Sekte der internationalen 'Bibelforscher' seit 1933 verboten ist, der Grund dürfte jedoch den wenigsten Parteigenossen geläufig sein. So erklärt sich auch die weitverbreitete Auffassung, dass es sich bei den Bibelforschern um verblendete Volksgenossen handele, die lediglich in ihrer Einfältigkeit heute noch dieser Irrlehre treu seien; diese 'harmlosen' Menschen könnten doch wohl kaum den Bestand des Staates gefährden. Diese Beurteilung der Bibelforscher ist bewusst und systematisch im Volke von interessierter Seite verbreitet worden. Da es sich hier wieder um eine der üblichen Tendenzlügen des internationalen Judentums handelt, ist es dringend erforderlich, sich einmal eingehend mit den wirklichen Wesen und Ziel, sowie den Arbeitsmethoden dieser internationalen Sekte zu befassen."

Dieser "Sachkenner" bringt neben den üblichen nazistischen Propagandathesen, dann auch noch eine Referierung, wie sich die Sachlage nach dem Verbot weiter entwickelte. So vermerkt er auch: "Am 10. Oktober 1935 wurde zwischen Vertretern der Watch Tower Bible & Tract Society (Wachtturm-, Bibel- und Traktatgesellschaft) Brooklyn-New York, der amerikanischen Handelskammer in Deutschland und der Geheimen Staatspolizei eine Vereinbarung betreffend Vermögensfreigabe des Bibelhauses in Magdeburg und dessen Liquidation getroffen." Er kommt dann als nächstes darauf zu sprechen, dass die Luzerner Resolution vom Oktober 1934 das Fanal war, für den aktiven Aufbau einer Untergrundorganisation in Deutschland. Er erwähnt auch, dass die Zeugen Jehovas in einer Protestaktion, das Hitlerregime mit tausenden von Telegrammen aus aller Welt bombardiert hatten. Sein Kommentar dazu: "Diese Telegramme waren eine offene Kampfansage gegen den nationalsozialistischen Staat und gleichzeitig eine Sabotage der staatlichen Anordnungen."

Als nächstes kommt er dann auf die illegale Organisation in Deutschland zu sprechen. Seine diesbezüglichen Ausführungen sind als die vielleicht interessantesten anzusehen. In seinen Worten: "Es stellte sich jedoch heraus, dass in Deutschland eine zentrale illegale Leitung der IBV vorhanden sein musste. Im August 1936 gelang es dann, die 1. Illegale Organisation der Internationalen Bibelforschervereinigung (IBV) aufzudecken und zu zerschlagen.

Zu dem Zentraleuropäischen Büro mit Sitz in Bern gehörte auch das Deutsche Reich. Verantwortlich für das 'Deutsche Werk' war ein Reichsleiter (RL), der das deutsche Gebiet in 13 Bezirke eingeteilt hatte. An der Spitze dieser Bezirke standen die sogenannten Bezirksdienstleiter (BDL). Diese hatten wiederum, der Größe ihres Bezirkes entsprechend, ihre Bezirks-, Gruppen- und Zellendiener. Eine Zelle ist die kleinste Einheit und umfasst 4-6 Glaubensbrüder.

Gleich nach Bekanntwerden des allgemeinen Betätigungsverbotes im Jahre 1933 hatten die Funktionäre der IBV es verstanden, riesige Bücherbestände aus dem Bibelhaus in Magdeburg fortzuschaffen, die in den verschiedensten Städten des Reiches aufbewahrt wurden. Es bestanden zum Beispiel Bücherlager in Berlin, München, Breslau, Erfurt, Elberfeld, Hannover usw., die Bestände von über 100 000 Bücher und Broschüren enthielten. Diese Bestände wurden vor allem im Jahre 1936/37 ergänzt durch Bücher, die durch gewerbsmäßige Schmuggler aus der Tschechoslowakei bzw. aus der Schweiz über die 'grüne Grenze' ins Reich eingeschmuggelt wurden. Es handelt sich hier um illegale IBV-Schriften, die in den Jahren 1934, 1935 und 1936 in deutscher Sprache in Prag bzw. in Bern gedruckt wurden.

Die Bücher wurden über die Dienstleiter an die Gruppen- und Stellenleiter und von diesen an die einzelnen Glaubensbrüder zum weiteren Verkauf verteilt.

Berechnet wurden für die Bücher 1, 50 bzw. 1,60 RM, für die Traktate durchschnittlich 0,25 RM. Allein im Jahre 1936/37 sind weit über 100 000 Bücher und Broschüren in Deutschland auf diese Weise zur Verteilung und zum Verkauf gelangt.

Wohl die wichtigste Arbeit der illegalen IBV war die Herstellung und der Vertrieb der verbotenen Zeitschrift 'Der Wachtturm' (WT). 'Der Wachtturm' erscheint monatlich zweimal, kostete je Nummer 0,25 RM und wird vierteljährlich bezahlt. Bei der 1. illegalen Organisation der IBV kamen in das deutsche Reichsgebiet 13 Exemplare dieses WT, die durch einen hierfür besonders eingesetzten Schmuggler aus der Schweiz nach Deutschland eingeschmuggelt wurden. Durch den Vertrauensmann des Reichsleiters wurden diese 13 Original-WTs den 13 Bezirksdienstleitern zur Vervielfältigung zugeschickt. Diese hatten jeder für sich eine besondere Vervielfältigungsstelle, dass heißt eine Werkstatt, in der die WTs auf Matrizen geschrieben und vervielfältigt wurden. Dann wurden die vervielfältigten WTs durch Kuriere den einzelnen Dienstleitern, Gruppenleitern und Zellenleitern zugesandt, die die letzte Verteilung an die Glaubensbrüder vornahmen.

Die WTs enthielten religiöse Abhandlungen, willkürliche Bibelauslegungen und Hetzartikel politischer Art, die gegen die nationalsozialistische Regierung in Deutschland gerichtet waren. Die Glaubensbrüder wurden in dieser Zeitschrift ständig zum Ungehorsam gegen den Staat aufgefordert; es wurde ihnen immer wieder eingeimpft, dass sie Gott mehr zu gehorchen hätten als den Menschen.

Ein beliebtes Propagandamittel war weiterhin die Einführung von Schallplatten. In einzelnen Ländern (vorwiegend in Amerika) besitzen die Bibelforscherorganisationen eigene Radiosender und machen eine entsprechend große und wirkungsvolle Rundfunkpropaganda. Da in Deutschland eine offizielle Betätigung verboten ist, hat man bisher von der Aufstellung eines solchen Senders Abstand genommen, zumal eine derartige Einrichtung einerseits zu teuer, andererseits zu gefährlich für die Bibelforscher wäre.

Aus diesem Grunde war man dazu übergegangen, Schallplatten herzustellen, die mit Vorträgen des Richters Rutherford besprochen waren. Die Schallplattenfabrik befand sich in Hennigsdorf bei Berlin. Gleichzeitig hatte man eine eigene Grammophonfabrik zur Herstellung der erforderlichen Sprechapparate eingerichtet. Die Leiter dieser beiden Fabriken waren alte, erprobte Bibelforscher. Durch ein raffiniert ausgeklügeltes Verteilungssystem wurden die Schallplatten den einzelnen Glaubensbrüdern durch ihnen unbekannte Leute zugestellt und durchschnittlich nach 4-6 Wochen wiederum von anderen, ebenfalls unbekannten Glaubensbrüdern abgeholt und dann an neue Adressen weitergeleitet. Hatte ein Glaubensbruder ein solches Grammophon mit 10 bis 15 Schallplatten erhalten, so versammelte er in seiner Wohnung ihm bekannte Glaubensbrüder und hörte sich mit diesen die ihm zugesandten Platten an. Für die Platten wurde eine Leihgebühr von durchschnittlich 1,25 bis 1,75 RM gezahlt, die Benutzung des Grammophons war unentgeltlich.

Durch ihre Botschaft vom 7. Oktober 1934 hatten die Bibelforscher dem Staat erklärt, dass sie zukünftig weiterhin, trotz Verbot, sich zusammenfinden würden, um sich am Worte Gottes, wie es die Heilige Schrift lehre, zu erbauen. An diesen Versammlungen oder sogenannten Erbauungsstunden, welche meistens in den Privatwohnungen einzelner Mitglieder stattfanden, nahmen durchschnittlich 6 bis 10 Personen teil. Der Polizei gegenüber wurden derartige Versammlungen, falls sie kontrolliert wurden, fast immer als 'Kaffeekränzchen' oder 'Geburtstagsfeiern' ausgelegt.

Bezeichnend für die Kampfesmethoden der illegalen IBV ist weiterhin die Tatsachen, dass sämtliche Funktionäre sich Decknamen zugelegt hatten und gleichzeitig über mehrere Deckadressen verfügten um vor den Zugriffen der Polizei sicher zu sein. Alle 4 bis 6 Wochen fanden besondere Zusammenkünfte, sogenannte Treffs, statt, bei denen der 'Reichsleiter' die Arbeit der kommenden Woche festlegte, sowie die Ergebnisse der bisher geleisteten Arbeit mit den einzelnen Bezirksdienern besprach. Bei dem Haupttreffs wurden von jedem Bezirksdienstleiter das vereinnahmte Geld abgeliefert. Es handelte sich hier um die Überschüsse, die die einzelnen BDL erzielt hatten, und zwar durch den Verkauf von Büchern, Broschüren und Traktaten, für den Verkauf der WTs, der Schallplatten und durch Spenden von Glaubensbrüdern, den sogenannten Gute-Hoffnung-Spenden. … Von den eingegangenen Geldern bestritten die Bezirksdiener dann ihren Lebensunterhalt und bezahlten ihre Unkosten für Farbe, Druckmaschinen und Verfielfältigungspapier, nebst Porto sowie eine Eisenbahnnetzkarte 2. Klasse, die monatlich 100 RM kostete. Den erzielten Überschuss rechneten sie mit ihrem 'Reichsleiter' ab. Dieser sammelte die eingegangenen Gelder und schickte alle 6 bis 8 Wochen durch einen Sonderkurier etwa 6 000 bis 8 000 RM über die grüne Grenze zum Bibelhaus Bern (Schweiz).

Von diesen Geldern, die durchschnittlich von armen und bedürftigen Volksgenossen stammten, unterschlug der 'Reichsleiter' (Fritz Winkler) etwa 25 000 Reichsmark und verbrauchte sie für sich. Während die einfachen und bedürftigen Glaubensbrüder der Meinung waren, dass ihre Spenden, die sie sich in den meisten Fällen vom Munde absparen mussten, ein Gotteswohlgefälliges Werk darstellten und zu der Aufrichtung des Königreiches Gottes beitrugen, haben die führenden Funktionäre dieser illegalen Organisation herrlich und in Freuden gelebt. Diese Betrügereien und Gaunereien wurde im August 1936 durch das Eingreifen der Geheimen Staatspolizei ein Ende gemacht.

Eine zweite illegale IBV wurde im März 1937 aufgedeckt und zerschlagen. Auch dies mal blieben einige wenige Funktionäre in Freiheit. Diese haben versucht, eine dritte illegale Organisation aufzubauen, doch wurde auch dieser Versuch rechtzeitig erkannt und vereitelt. …" Der Artikel schließt dann wieder mit den üblichen nazistischen Propagandathesen. Vielleicht noch ein Satz daraus: "Ihre Tätigkeit ähnelt sehr derjenigen der illegalen KPD, ja, sie übertrifft diese noch durch den Fanatismus ihrer Anhänger."

Reichsverwaltungsblatt

Wie man weiß, waren die Zeugen Jehovas im Naziregime nicht "wohlgelitten", um es mal vorsichtig zu formulieren. Man kann für den gleichen Tatbestand auch andere Vokabeln verwenden. Es trat nach 1933 eine Eskalation der Problematik ein. In der Grauzone, dass das Naziregime sogar gezwungen wurde, die materiellen Güter der Wachtturmgesellschaft, nach der ursprünglichen Beschlagnahmung wieder freizugeben, sind durchaus einige Kuriosa zu verzeichnen. So konnte die Wachtturmgesellschaft in Magdeburg in den Jahren 1934/35 sogar noch eigene Druckerzeugnisse herstellen - wenn auch "nur" unverfängliche Kalender. Bei Roser (S. 47) ist solch ein Kalender abgebildet. Die Verfügungsgewalt über die materiellen Konten der Wachtturmgesellschaft, ermöglichte deren Funktionär Hans Dollinger, noch einen anderen gewichtigen Schritt (zumindest zeitweise).

Er setzte ein ganzes Heer von Rechtsanwälten in Bewegung, die bekanntlich nicht ohne Erstattung ihrer geforderten Honorarkosten in Aktion treten. Geld war aber offensichtlich ausreichend da. Das Naziregime musste sich nun mit der misslichen Sachlage auseinandersetzen, dass jene Anwälte es verstanden, die potentiellen juristischen Schwachpunkte heraus zu kristallisieren. Das Bibelforscher/Zeugen Jehovas-Verbot, fußte bekanntlich auf der berüchtigten Reichstagsbrandverordnung. Gegen die konnten die Anwälte auch nichts unternehmen. Aber sie erlaubten sich herauszuarbeiten, dass die Weimarer Verfassung, vom NS-Regime nicht formal aufgehoben sei, also rechtsgültig weiterbestünde. Sie machten darauf aufmerksam, dass § 137 jener Verfassung die Religionsfreiheit garantiere und das dieser § in der Liste der durch die Reichstagsbrandverordnung aufgehobenen Grundrechte, nicht mit enthalten sei.

Da befand sich nun das Naziregime in der Klemme. Aber in einer Bravouraktion setzte es sich auch über diese Einwände hinweg. Immerhin, es gab eine Diskussion darüber in Juristenkreisen. Das war keine Angelegenheit, die sich "innerhalb von 24 Stunden regeln liess". Es mussten juristische Gegenargumente formuliert werden, wollte man nicht schon gleich zu Anfang des Naziregimes, vor aller Welt den Offenbarungseid ablegen. Ein Beispiel für die diesbezügliche Diskussion kann man auch in der Ausgabe vom 31. 8. 1935 des "Reichsverwaltungsblattes" nachlesen. Diese Beitrag ist auch unter dem Gesichtspunkt interessant, wie seitens der Anwaltschaft, respektive der Zeugen Jehovas versucht wurde, den in der Luft liegenden Vorwurf der Wehrdienstverweigerung zu begegnen. Man sollte sich diesen Passus mal in aller Ruhe "auf der Zunge zergehen" lassen und mit dem vorangegangenen, bezüglich der Schweiz vergleichen.

In dem entsprechendem Abschnitt wurde ausgeführt:

"Das Gericht ist der Auffassung, dass beide Voraussetzungen, unter denen nach dem Punkt 24 (des NSDAP-Programmes) die Freiheit der religiösen Bekenntnisse eingeschränkt ist, vorliegen. Nämlich einmal gefährden die Bibelforscher durch ihre Lehre und Betätigung den Bestand des Staates und zum anderen verstoßen sie gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse.

Der letztgenannte Punkt ergibt sich am deutlichsten daraus, dass die ernsten Bibelforscher nach den Ausführungen in den Zeitschriften als Kriegsdienstverweigerer angesehen werden müssen.

Übrigens könne auch nicht das, was in den ausländischen Zeitschriften stehe, ihnen zur Last gelegt werden. Es sei nicht positive Lehre der Bibelforscher, den Kriegsdienst zu verweigern.

Das Gericht ist aber demgegenüber der Auffassung, dass gerade diese Zeitschriften zur Grundlage der Beurteilung der Bibelforscherlehren genommen werden müssen. Was in den Zeitschriften steht, verstößt jedenfalls gröblich gegen die Wehrauffassung des deutschen Volkes. Es wird mehr oder weniger deutlich die Forderung aufgestellt, dass man im Falle eines Krieges den Dienst mit der Waffe verweigern solle, es wird keine Einschränkung gemacht, dass es sich um einen reinen Verteidigungskrieg handelt. Unerheblich ist, ob jeder einzelne Angeklagte selbst etwa die deutsche Wehrhaftigkeit untergräbt oder den Kriegsdienst verweigert. Maßgebend ist lediglich, dass die ganz allgemein von den Bibelforschern vertretene Tendenz gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstößt. Das Gericht ist der Auffassung, dass eine solche Einstellung der deutschen Ehre, die eine der allerersten Grundlagen des nationalsozialistischen Denkens ist, krass zuwiderläuft. Das germanische Rassengefühl ist untrennbar mit dem Heldischen verbunden. Der Deutsche hat niemals ein Knechtsvolk sein wollen. Gegen diese grundlegenden Erkenntnisse verstoßen die von den Bibelforschern vertretenen Lehren."

Brief an Hitler

In der Ausgabe vom 1. 4. 1937 veröffentlichte das „Goldene Zeitalter" erstmals einen an Hitler adressierten persönlichen Brief eines Zeugen Jehovas. In der Nachfolgezeitschrift „Trost" vom 15. 3. 1945 wurde dieser Brief erneut abgedruckt. Also nicht die unbedeutende Meinung eines Privatmannes kam darin zum Ausdruck, sondern die organisationskonforme Sicht. Der Brief ist vom 11. 1. 1937 datiert, also nach der großen Verhaftungswelle des Jahres 1936. In der Tonlage ist er konziliant gehalten. Hitler wird dort nicht etwa als „Antichrist" angesprochen, sondern mit der förmlichen Anrede: „An den Führer und Reichskanzler. Herrn Adolf Hitler." Auch wird ihm konzediert: „Das wiederholte Studium Ihres Buches 'Mein Kampf' bestärkte mich ... denn ich sagte mir, dieses Buch zeugt von einer Erfahrung und von einem geschichtlichen Wissen, dass der Schreiber desselben meine Ausführungen unbedingt verstehen muss."

Es erscheint allerdings fraglich, ob Hitler jene Zeilen je gelesen hat. Unbeschadet dessen bleibt es als Faktum bestehen, dass es ein Dokument des Selbstverständnisses der Zeugen Jehovas zu jener Zeit ist.

Zur Problematik der Interpretation des Naziverbotes äußert der Briefschreiber: „Und doch ist der Zeuge Jehovas durchaus nicht ein grundsätzlicher Bekämpfer des Staates an sich, wie so oft behauptet wird ... Was wir von jeher bekämpft haben, waren vor allem die falschen Lehren der Kirchen, die vielfach im Widerspruch zum Wort Gottes stehen. In seinen diesbezüglichen Schriften greift Rosenberg die Kirchen deshalb in einer allerdings oft viel weniger sachlichen Weise an. Wir wurden dafür schon früher vor die Gerichte gestellt. Wenn wir in den letzten Jahren in eine gewisse Opposition dem Staate gegenüber gedrängt worden sind, so geschah dies, weil eben verschiedenes verlangt wurde, worunter wir uns aus Gewissensgründen - nur aus solchen - nicht beugen konnten." Zur Frage des Hitlergrußes wird darin u. a. geäußert: „Wir werden diesen Gruß nie leisten, nicht weil wir gegen Ihre Person wären, sondern, weil wir jeden Personenkult als für beide Teile gefährlich erachten und auf Grund der Kenntnis der menschlichen Natur ablehnen müssen."

Den Terror des Hitlerregimes als seinem Hauptelement, versucht der Briefschreiber noch „positive" Seiten abzugewinnen. Etwa mit seiner Anmerkung: „Vielleicht mag es Ihnen nicht bekannt sein - ich weiß es gewiss, sonst würde ich es nicht zu sagen wagen, dass im nationalsozialistischen Staat gegen rein religiös eingestellte Menschen im Sinne des alten Wortes vorgegangen wurde: 'Und willst du nicht Genosse sein, so schlagen wir dir den Schädel ein!' Das ist hart gesprochen, aber es ist leider bittere Wahrheit."

Immer wieder kommt in jenem Brief zum Ausdruck, dass man gegenüber dem Hitlerregime durchaus weiterhin kompromissbereit wäre. Etwa in jener Wendung: „Sie selbst sagen in 'Mein Kampf', dass Sie in ihrer schwersten Zeit am meisten gelernt haben. Genau so ergeht es auch uns. Und doch müssen wir in Ihrem höchsten Interesse und im Interesse des Volkes bitten: Heben Sie diese ungerechten Verbote auf und geben Sie den Menschen, die doch nur nach dem eigenen Gewissen und nach Gottes Wort leben wollen, endlich die Freiheit!"

Der Briefschreiber fordert Hitler dann zu einer (nicht vorhandenen) Differenzierung auf:

„Das Volk hat ein Wort: 'Man darf nicht alles über einen Leisten schlagen!' Man hat uns Bibelforscher mit dem Bolschewismus und Kommunismus in Verbindung gebracht, obwohl in unseren Schriften von jeher und schon lange vor der Machtergreifung die feste Überzeugung vertreten war, dass der Kommunismus ein gründlicher Fehlschlag sein wird."

Was soll man zu diesem Dokument zusammenfassend sagen? Die erneute Neuveröffentlichung zu dem Zeitpunkt, wo das Hitlerregime sich bereits auf dem Müllhaufen der Geschichte befand, unterstreicht die Kompromissbereitschaft der Zeugen Jehovas gegenüber dem Hitlerregime. Wenn daraus nicht „Nägel mit Köpfen" wurden, so lag die Schuld nicht unbedingt bei den Zeugen Jehovas. Indes zu sehen gilt es auch die zaghaften Modifizierungen auf der Gegenseite. Man vergleiche in etwa dazu: „Späte Himmlerpläne" in der „Geschichte der Zeugen Jehovas". Jener zitierte Brief wurde nicht von Rutherford, sondern von einem deutschen Zeugen Jehovas geschrieben. Einem, der nach eigener Aussage schon Bekanntschaft mit den Gefängnissen des Hitlerregimes gemacht hat. Setzt man in Kontext dazu, dass die seinerzeitige deutsche Zeugen Jehovas-Führung um Balzereit und Dollinger, gleichfalls gewisse Kompromissbereitschaft gezeigt hatte. So kann man als Schlusssatz nur eines sagen. „Widerstandskämpfer" wären die Zeugen Jehovas nur dann gewesen, wenn ihr Oberhaupt Rutherford den Mut besessen hätte, in der fraglichen Zeit seinen Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen. Diesen Mut indes hatte der Feigling Rutherford nicht!

"Der Durchbruch"

Mag man dem eben zitierten Pressebericht noch ein gewisses Maß an Sachlichkeit zubilligen, so wird man das im nachfolgenden Bericht sicherlich etwas anders sehen müssen. Aber auch er ist, auf seine Art, ein bezeichnendes Dokument für das Klima, dass im Naziregime vorherrschte. Die Nazigazette "Der Durchbruch" schrieb in ihrer Ausgabe vom 10. 4. 1935:

"Ich bin ein Zeuge Jehovas.

'Seine Majestät der Satan' verklagt einen Bibelforscher.

Ganz unbekannt ist es uns ja nicht, zu welchen Verstiegenheiten sich religiöser Fanatismus und das daraus folgende Sektierertum gelangen können. Dass hierbei ein Buch wie die Bibel eine unheilvolle Rolle spielt, die sich volkszersetzend auswirkt, wurde einmal wieder klar in einer Gerichtsverhandlung vor dem Berliner Sondergericht, wo sich jener Erforscher der Bibel zu verteidigen hatte, die nachgerade in Deutschland erschreckend angewachsen sind. Es entspann sich zwischen dem Vorsitzenden und dem Angeklagten nachstehend ergötzliches Gespräch.

Angeklagter: 'Auf diesen Augenblick habe ich mit Sehnsucht gewartet. Ich bin Jehovas Zeuge.' Der Vorsitzende fordert den Angeklagten auf, nur zur Sache zu reden. Dieser aber steigerte sich in immer größere Wut, wandte sich an die Zuhörer und schrie:

'Ihr müsst mich alle erhören, ob ihr wollt oder nicht. In meiner Zelle 116 auf dem Polizeipräsidium habe ich meinen Gott angerufen, und der hat mir erzählt …'

Vorsitzender unterbrechend: 'Zur Sache.'

Angeklagter: 'Sie glauben nicht an Gott, Herr Vorsitzender, sondern an den Teufel. Die Anklage hier ist falsch und von seiner Majestät dem Satan gestellt für die Leute, die nicht an Gott glauben.'

Vorsitzender (nochmals unterbrechend): 'Kommen Sie endlich zur Sache!'

Angeklagter (beleidigt): 'Wenn Sie dazwischen reden, haben die Herrschaften im Zuhörerraum nichts davon. Einer kann hier nur reden' (Heiterkeit).

'Wenn ich hier als Zeuge Jehovas nicht rede, können Sie sicher sein, würden die Steine anfangen zu schreien und das Holz hier im Saale würde zu reden beginnen.'

Schließlich kam man doch 'zur Sache' und dabei musste der Angeklagte zugeben, Bücher an seine 'getauften und interessierten Geschwister' verteilt zu haben. Die betreffenden Bücher aber stammten aus der Tschechoslowakei und dienten dem Angeklagten, sowie den weiteren Angeklagten als Propagandamaterial. Nachdem oben berichteten Dialog handelt es sich um keinen irrsinnig gewordenen Weißenbergianer, sondern um einen der sattsam bekannten Bibelforscher, deren Treiben dem deutschen Volke schon genug schadete.

Bekanntlich wurden im Jahre 1933 die Internationale Bibelforschervereinigung in Deutschland verboten, dar in ihren Reihen zahlreiche kommunistische Elemente eingeschlichen hatten, die die geistig so wie so etwas verwirrten Mitglieder dieser Gesellschaft für ihre volksgefährlichen Pläne einspannten.

Die Menschen, die sich von der internationalen Leitung der Bibelforscher als Werkzeuge der jüdischen Hetzpolitik gegen das nationalsozialistische Deutschland verwenden ließen, arbeiteten im geheimen namentlich durch Verbreitung von aus dem Ausland eingeschmuggeltem Greuelmaterial und Hetzschriften für ihre Auftraggeber weiter. Bezeichnend ist, dass die internationalen Drahtzieher für diese Zwecke geistig verwirrte verwandten, während sie selbst im Ausland in Sicherheit sind.

Das deutsche Volk kann bei seinem Kampf um seine Zukunft aber nicht danach fragen, ob der Nation aus Dummheit oder aus Bosheit geschadet wurde. Es erwartet, dass der Staat eisern zugreift."

Nazistische Auslandspropaganda

In Schanghai (China) erschien in den dreißiger Jahren eine in deutscher Sprache gedruckte Zeitschrift mit dem Titel "Ostasiatischer Beobachter". Im Jahre 1938 konnte man darin auch einen zweiteiligen Artikel über die Bibelforscher/Zeugen Jehovas lesen. In der Sache bietet er nichts Neues. Er wiederholt im Prinzip nur die nazistischen Thesen, in einer für das Ausland aufbereiteten journalistischen Form. Immerhin, sei doch noch eine darin enthaltene Charakteristik wiedergegeben. In der Folge 63 (September 1938 S. 51) konnte man lesen:

"Als nichtjüdische Hilfstruppe des internationalen Judentums kann man die Freimaurerei mit ihren Rekrutendepots, den internationalen Vereinigungen der Rotarier, Theosophen, Boy Scouts usw. bezeichnen, sowie die Liga für Menschen-(Juden) Rechte, die roten Gewerkschaften und nicht zuletzt die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher.

Der Jude hat es schon immer verstanden, sich den Nichtjuden für seine Zwecke einzufangen und auszunutzen. Wer vieles bringt, wird Jedem etwas bringen. So fanden sich die sogenannten 'besseren Leute' in den Logen brüderlich zusammen; und die organisierten Arbeiter ließen sich von Juden verführen. Für die Halbgebildeten des Mittelstandes wurden theo- und anthroposophische Zirkel aufgemacht. Dagegen sorgen die Zeugen Jehovas, die ernsten Bibelforscher, für die 'geistig Armen'. Doch erstreckt sich die Tätigkeit dieser Vereinigung noch weiter, denn gerade hier in Schanghai kann man beobachten, wie sie bei der chinesischen Bevölkerung Proselyten macht. Schon gehen geschulte chinesische Propagandisten herum, die außer ihrer Muttersprache noch eine fremde gut beherrschen.

Wenn man nun liest, dass die englische Zeitung 'Examiner' … Am 31. März 1938 meldet:

'Die Zeugen Jehovas, auch Watch Tower Society und Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher genannt, sind eifrig dabei ihre marktschreierisch bunten Traktate an die Eingeborenen von Nord-Rhodesia und Central-Afrika zu verteilen. Die Traktate bezeichnen bestehende Regierungen und Kirchen als Einrichtungen des Teufels. Ein Korrespondent des 'Examiner', der einen Eingeborenen nach den Lehren der Rutherford-Leute fragte, bekam die Antwort, dass alle Weißen Lügner seien mit Ausnahme der Wachtturm-Prediger. … So besteht wohl kein Zweifel, dass es die Zeugen Jehovas mit ihrer Propaganda in Asien und Afrika darauf abgesehen haben, bei den christlichen Eingeborenen in diesen Ländern durch ihre Irrlehren den Boden für den Bolschewismus vorzubereiten."

"NS-Rechtsspiegel"

In der Nazipublizistik findet man gelegentlich einige kleinere Artikel über die Zeugen Jehovas (Ernste Bibelforscher). Außerhalb der Tagespresse ist der in der Zeitschrift "NS-Rechtsspiegel" vom 11. 7. 1939 erschienene Beitrag, einer der umfangreicheren. Er sei hier nachstehend dokumentiert:

Bibelforscher vor dem Sondergericht

Religiöse Sonderlinge oder Staatsfeinde?

"Das Sondergericht München beschäftigt sich zur Zeit wieder mit einer Reihe von Strafverfahren gegen Anhänger der 'Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher (IVEB)'. Diese Tatsache ist deshalb bemerkenswert, weil erst vor zwei Jahren die Organisation der IVEB in Bayern vollständig zerschlagen, die meisten ihrer Anhänger zur gerichtlichen Aburteilung gebracht und durchweg mit schweren Freiheitsstrafen belegt werden konnten. Wenn nun heute, trotz des energischen Einschreitens der Staatsanwaltschaft und des Gerichts noch immer derartige Bestrebungen festzustellen sind, so liegt der tiefere Grund für die ständige Aktivität dieser Sekte darin, dass sie ihre Anhänger zum fanatischen Bekenntnis zur eigenen Lehre und zu blinder Opposition gegen die Befehle der Staatsgewalt erzieht.

Es handelt sich bei den Ernsten Bibelforschern nicht um religiöse Sonderlinge, wie es auf den ersten Anblick scheinen könnte. Wären sie nur religiöse Schwärmer, so könnte man über sie mit einem mitleidigen Lächeln des Bedauerns hinweggehn und sie im übrigen sich selbst und ihren Eigenheiten überlassen.

Die IVEB ist aber vielmehr eine Organisation, die als Verbreiter internationaler pazifistischer Ideen dem Staate gefährlich ist, ihn von innen her auszuhöhlen versucht, und die deshalb von jeder verantwortungsbewussten Staatsführung rücksichtslos bekämpft werden muß.

Im Weltkrieg und in der Nachkriegszeit fand sie viele Anhänger unter den verarmten und enttäuschten Massen. Sie ist international eingestellt und begründet ihren internationalen Charakter unter Berufung auf eine Bibelstelle, inhaltlich deren alle Menschen Brüder seien.

Für die Ernsten Bibelforscher ist nicht die wissenschaftliche Bibelauslegung maßgebend, da sie das baldige Ende der Welt und das für sie selbst dann beginnende 'Goldene Zeitalter' erwarten, legen sie die Bibel willkürlich, entsprechend ihren eigenen Wünschen und Zielen aus.

Die Ernsten Bibelforscher verweigern infolgedessen den Kriegsdienst, sie lehnen auch alle Einrichtungen ab die damit zusammenhängen und die im Interesse der Landesverteidigung notwendig sind (z. B. Arbeitsdienst, militärische Ausbildung, Luftschutz usw.)

Die Vereinigung arbeitet als internationale pazifistisch eingestellte Organisation systematisch darauf hin, den Wehrwillen des Volkes zu bekämpfen, zu untergraben und zu zerstören; sie bedeutet sohin eine große Gefahr für die Lebensfähigkeit des deutschen Volkes.

Auch die Erfüllung anderer staatsbürgerlicher Pflichten, z. B. die Ausübung des Wahlrechts wird von den Ernsten Bibelforschern abgelehnt.

Die Anhänger der IVEB verweigern weiter den Deutschen Gruß. Sie berufen sich hierbei auf das Bibelwort, dass das Heil nur von Christus komme. Die Opposition gegen die Befehle des Staates geht bei ihnen so weit, dass im Jahre 1937 anlässlich einer Strafverhandlung gegen Ernste Bibelforscher vor dem Sondergericht München, die im Zuhörerraum anwesenden 'Brüder' und 'Schwestern' dem Gericht in öffentlicher Sitzung die Entbietung des Deutschen Grußes versagten. Dies hatte zahlreiche Bestrafungen und polizeiliche Verhaftungen der sich hier offen bekennenden Staatsfeinde zur Folge.

Die Ernsten Bibelforscher erkennen die Vormachtstellung des Staates in keiner Beziehung an; ihre Tendenzen richten sich gegen die staatliche Ordnung überhaupt. Auf diese Weise wird die Sekte zu einer Auffangorganisation für unzufriedene, haltlose und staatsfeindliche Elemente; ihre Ideen sind zum mindesten edelkommunistischen Inhalts.

Zusammenfassend kann erklärt werden, dass es sich bei der IVEB um eine vom Auslande abhängige Vereinigung handelt, die bei den von ihr verfolgten Zielen in der Lage ist, den Staat zu untergraben. Die Ernsten Bibelforscher sind gefährliche Staatsfeinde, die in stiller und zäher Arbeit die deutschen Volksgenossen für ihre internationalen, volksfeindlichen Ansichten und Bestrebungen zu gewinnen und auf dem Wege über eine angebliche Religion zu Feinden des Staates zu erziehen versuchen.

Daher … verfügte das Bayerische Staatsministerium des Innern für das Land Bayern mit Bekanntmachung vom 13. April 1933 die Auflösung und das Verbot der IVEB. Der beabsichtigte Neuaufbau und die illegale Weiterführung wurden der Reichsregierung mit einem vom 7. Oktober 1934 datierten Protestschreiben, dass sämtliche Bibelforschergruppen gleichzeitig absandten, offiziell mitgeteilt.

Es ist keine Seltenheit, dass Ernste Bibelforscher bei Einkäufen, Spaziergängen, auf Anlagenbänken oder auf der Straße ihnen völlig fremde Personen ansprechen, mit ihnen zunächst ein Gespräch über die Zeitereignisse führen, dieses Gespräch dann auf den Glauben überleiten und anschließend ihre verbotene Lehre predigen; dazu erachten sie sich als 'Zeugen Jehovas' verpflichtet.

Die Neuorganisation gelang im Reich bis zu einem gewissen Grade; ihre erste Aufdeckung durch die Polizeibehörden erfolgte im Jahre 1936....

Es wurde eine 'Resolution' ausgefertigt, die an einem bestimmten Tage anfangs Dezember 1936 im ganzen Reichsgebiet durch die Anhänger der Vereinigung schlagartig von Haus zu Haus verbreitet wurde. Die 'Resolution' enthielt neben zahlreichen unwahren Behauptungen über innerdeutsche Vorgänge die gröblichsten Beschimpfungen der Obersten Führung des Reiches.

Im Frühjahr 1937 erfolgte die restlose Aufrollung der gesamten Organisation in Bayern; ihre Funktionäre wurden sofort in Haft genommen und durchwegs mit mehrjährigen Freiheitsstrafen belegt.

Dennoch geben die Ernsten Bibelforscher ihr Spiel noch immer nicht verloren. Mit einem Fanatismus sondergleichen betreiben sie ihre Lehre und die Werbung für sie weiter.

Die Strafen, die wegen illegaler Betätigung für die IVEB ausgesprochen werden, sind für die höheren Funktionäre sehr hoch; denn sie sind es ja, die weiterhin den Ungehorsam gegen den Staat und seine Anordnungen predigen. Der nationalsozialistische Staat, der bisher schon mit einer Reihe von starken Gegnern aufgeräumt hat, rückt auch diesen seinen Feinden energisch zu Leibe; er kennt ihre Kampfesweise, stellt sich darauf ein, und es besteht kein Zweifel, dass die für den Bestand des Reiches nicht zu übersehende Gefahr in kurzer Zeit endgültig gebannt sein wird."

Nazi-Zynismus

 

Auch in der Nazizeit gab es kollaborierende ausländische Journalisten, die sich gelegentlich für das Goebbel'sche Propagandaministerium einspannen ließen. Über einen solchen Fall berichtete in der Schweiz auch die dortige Tageszeitung "St. Galler Tagblatt" am 12. 5. 1939.
Es ist eines jener wenigen zeitgenössischen Dokumente, die das Ausland in gefilterter Form über die Existenz der deutschen Konzentrationslager informierte. Meine Meinung zu diesem Erguss habe ich mit der obigen Überschrift zu Protokoll gegeben. Aber sicher kann man nicht umhin, jenen Artikel eine gewisse zeitgeschichtliche Bedeutung zuzuerkennen. Die Ausführungen im "St. Galler Tagblatt" besagen:
"Kürzlich erhielt der französische Journalist Jean Fontenoy die Bewilligung, einen Tag lang mit eigenen Augen das Leben und Treiben im Konzentrationslager Oranienburg zu beobachten. Er wurde von dem Lagerkommandanten, einem General, persönlich im ganzen Lager herumgeführt und erstattete dann im 'Journal' in einer eingehenden Reportage über diesen interessanten Besuch Bericht. …
'Die Bibelforscher?' knurrte der General. 'O die! Für die habe ich eigene Isolierungsbaracken erstellen lassen. Sie lagern hinter Stachel- und Hochspannungsdraht. Und damit sie mit keinem andern Lagerinsassen verkehren können, ist es jedermann verboten, näher als bis auf zehn Mater an die Absperrwand ihres Lagers heranzukommen.
Kürzlich kam die Frau eines solchen Bibelforschers. Sie flehte um Freilassung ihres Mannes. Ich ließ ihn kommen. Er schaute sie an, als kenne er sie gar nicht. Sie fing an zu weinen und jammerte: 'Wir haben ja nichts mehr zu essen, und ich habe niemand, der uns hilft.' Der Bibelforscher antwortete: 'Du hast Jehova.' Die Frau: 'Ich beschwöre dich, unterschreibe und kehre zu uns zurück.' Der Mann: 'Geh und bete fleißiger zu Jehova…'
Der Kommandant rief einen heran. Dieser kam und meldete sich (nicht so schneidig, wie man es sonst in diesem Lager gewohnt ist):
'Huber, Johann, 27 Jahre. Ernster Bibelforscher.'
Dann entspann sich zwischen den beiden folgender Dialog:
'Weshalb bist du im Konzentrationslager?'
'Ich habe den Herrn angebetet.'
'Was für einen Herrn?'
'Jehova'
'Anerkennst du unseren Führer als dein Oberhaupt?'
'Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen. Mein Oberhaupt ist Jehova.'
'Wo ist der, dein Jehova?'
'Im ganzen Weltall.'
'Wer herrscht über Deutschland?'
'Jehova'
'Aber es steht geschrieben, du sollst dem Cäsar geben, was des Cäsars ist, und Gott, was Gottes ist.'
'Es steht geschrieben, du sollst nicht töten.'
'Es steht geschrieben …'
'Aber es steht auch geschrieben …' usw. usw.
'Und ich? Wer bin ich?'
'Sie sind ein Geschöpf Jehovas.'
'Bin ich dein Vorgesetzter oder nicht?'
'Sie sind ein Geschöpf Jehovas.'
'Hast du mir zu gehorchen oder nicht?'
'Ich habe Jehova zu gehorchen.'
'Ach, scher dich zum Teufel! Tölpelhafter Kerl!'
Der General wandte sich wieder zu mir und sagte achselzuckend und mit einem bitteren Lächeln: 'Nun haben Sie es selbst gesehen. Mit denen ist nichts anzufangen. Mit Milde nichts und mit Energie nichts. Es ist alles umsonst.'
Diesem Dialog hatten aus einiger Entfernung etwa fünfzig andere Lagergefangene mit hellem Entzücken zugehört. 'Haben Sie die beobachtet?' fragte mich der Kommandant. Und er fügte bei: 'Begreifen Sie nun, weshalb ich die Bibelforscher absondere? Sie würden mir innert ein paar Stunden im ganzen Lager Revolutiönchen anzetteln. Sie sind von allen die abscheulichste Brut.'
Kam ich neuerdings auf dieses Thema zu sprechen. 'Sie haben also', sagte ich, 'vierhundertfünfzig dieser Bibelforscher in ihrem Lager. Aber gehören die wirklich hierher? Die meisten müssen doch in ihrer Art ganz brave und harmlose Leute sein. Fast so etwas wie Heilige. Auf alle Fälle wirklich harmlos.'
An Stelle des Lagerkommandanten antwortete mir mein Berliner Bekannter, der hohe Funktionär, der mir die Bewilligung zum Lagerbesuch verschafft hatte. Er führte aus:
'Da irren Sie sich gewaltig. Ich hatte es auch gemeint. Sogar noch, als ich das Polizeikommando von X. übernahm. Aber ich wurde sehr bald eines anderen belehrt und musste einsehen, dass sie einen gerade zu verderbenbringenden Einfluss ausübten. … Der Kommunismus schleicht sich heute auf dem Weg über die Bibel ein, wissen Sie, und …'
'Und', legte nun mit einem Faustschlag auf den Tisch der Lagerkommandant los, 'und die Religion ist eine verflucht bequeme Maske. Auf alle Fälle war sie es, solange wir den Leuten aus lauter Christentum nicht unter die Larve guckten. Es nannten sich alle einfach Bibelforscher: die Bolschewiken, die Juden, die Sozialisten, die unverbesserlichen Demokraten schwarzen Gepräges, alle, alle, sogar die Freimaurer, und unter dieser Maske war es ihnen möglich, unbehelligt ihr Gift unter uns zu spritzen. Ich weiß nicht, ob nicht die Freimaurer ihnen die Kunst des geheimen Organisierens beigebracht haben. Aber organisiert sind die Schufte, und wie! Und ausbringen tun sie einander nichts.
Hören Sie nur einmal: In Hamburg hatten wir wiederholt eine Bibelforscherzeitung erwischt … von unerhört systemwidrigen Inhalt, und allerlei ebenso giftgeschwollene Traktätchen. Die Druckerei ausfindig zu machen, gelang uns trotz unablässiger und angestrengtester Bemühungen nicht. … Ich fing schon an zu verzweifeln, als eines Tages einer meiner Polizisten, der mit dem Zollbeamten zusammenarbeitete, einem Reisenden ins Auge fasste, der eine ganze Mappe voll Bücher bei sich trug. Es waren lauter 'Mein Kampf', aber als mein Mann ein Exemplar öffnete, stellt es sich heraus, dass die Hälfte der Blätter herausgeschnitten und durch Bibelforscher-Literatur ersetzt worden war. Der Kerl mit der Mappe wurde verhaftet und im Verhör schwer hergenommen. Aber es war nichts aus ihm herauszubringen. Es war ein Genfer. In seinem Hamburger Logis hatten wir mehr Glück.
Gewöhnlich findet man bei diesen Leuten keine geschriebenen Namen oder gar Adressen. Sie lernen alles auswendig. Aber der Kerl war noch nicht lange genug in Hamburg und in seinem Telefonbuch waren daher gewisse Adressen mit einem Pünktlein versehen.
Ich verhaftete zweihunderfünfzig dieser pünktleinbezeichneten Leute und alle gestehen. Ich mache auch die Druckerei ausfindig und ziehe alles ein: das eben aus dem Druck kommende Blatt, die Traktätchen und meine, nun könne ich aufatmen. Aber ja, woher!
Die zweihundertfünfzig Bibelforscher kamen in ein Konzentrationslager und sind alle heute noch dort, Aber einen Monat nach ihrer Entfernung aus Hamburg erschien das Bibelforscherblatt von neuem. Ich blieb noch sechs Monate in Hamburg und musste fort, ohne die Befriedigung auch der neuen Druckerei oder auch nur einen neuen Blättchenverteiler auf die Spur gekommen zu sein. So. Da haben Sie sie, ihre harmlosen Bibelheiligen.'
Der General biss sich auf die Zähne und fuhr dann fort: 'Unerhört, wie diese Leute undankbar sind für das, was der Führer und unsere Partei alles für Deutschland geleistet haben. Und wenn sie finden, wir drangsalieren diese Heiligen und tun ihnen unrecht, so kann ich Ihnen folgendes sagen:
Ich habe auf meinem Bureau Formulare. Die brauchen die Leute nur zu unterschreiben, und sie können samt und sonders morgen schon wieder nach Haus. Aber sie weigern sich, den Führer und den Staat anzuerkennen. Das haben Sie ja heute Vormittag selber gehört.
Aufwiegler sind es, ein ganz verhängnisvolles Gezücht. Lieber noch Kommunisten und Päderasten, ja Mörder, als diese infamen 'Ernsten Bibelforscher.' Aber ich werde ihnen schon noch beikommen. Es geht um das Heil Deutschlands. Ich werde sie schon noch herumbekommen.
Ich sagte Ihnen soeben, sie brauchen nur ein Formular zu unterschreiben, den Führer und den Staat anzuerkennen, und seien dann frei. Das stimmt für die meisten Lagergefangenen, die nicht gemeiner Verbrechen wegen eingebracht worden sind. Aber bei den Bibelforschern bin ich ein bisschen vorsichtig. Vielleicht lachen Sie, wenn ich ihnen sage, dass auch ich in meiner Art Bibelforscher bin. Ich lasse die Leute nämlich häufig auf mein Bureau kommen und suche sie gütlich zu überzeugen. Ich diskutiere mit ihnen von gleich zu gleich. Ich frage, antworte, stelle Probleme, Dilemma und mache Einwände.
Ich suche ihnen begreiflich zu machen, dass die Bibel ein Ding ist und das praktische Leben ein anderes. Um das zu können, muss ich in der Bibel ebenso beschlagen sein, wie sie selber. Aber wenn ich einen schließlich so weit habe, dass er scheinbar einlenkt und tatsächlich unterzeichnet und meint, er brauche nur noch nach Hause zu gehen um wieder ein freier Mann zu sein, dann sage ich: Halt, mein Junge, gar so rasch geht das nicht. Und ich rufe am gleichen Abend noch sämtliche Bibelforscher des Lagers zusammen, und vor diesen muss der angeblich Bekehrte mit lauter Stimme den Text des unterschriebenen Dokuments lesen und dann die Gründe darlegen, die ihn zur Überzeugung gebracht haben, dass die Unterwerfung unter die Staatsautorität das Richtige sei.
Das fällt natürlich schwer. Die meisten verzichten. Bringt aber einer den Mut auf, seinen Sektengenossen tatsächlich die Stirn zu bieten, so ertönt ein derartiges Geheul von Zusprüchen, Bitten und Vorwürfen, dass der Abtrünnige in den weitaus meisten Fällen das Unterwerfungsbekenntnis zerreißt und reuig erklärt, er ziehe es vor, Bibelforscher und im Konzentrationslager zu bleiben.
Suchen ihn die Sektengenossen dagegen bei der Bekanntgabe der Formularunterzeichnung nicht oder nicht inständig genug zur Rückgängigmachung des Schrittes zu bewegen, so lasse ich ihn augenblicklich frei, denn das ist eine sichere Gewähr dafür, dass sie selber die Überzeugung haben, der Mann sei für die Erforschung der Bibel rettungslos verloren."
Zynismus
Auch den nachfolgenden Pressebericht mag man die Rubrik Zynismus einordnen. Eine sicherlich richtige Feststellung. Unbeschadet dessen, gibt er zugleich einen Einblick in die Geistesverfassung der zeitgenössischen Nazis, angesichts der Herausforderung durch Jehovas Zeugen. Das Naziorgan "Westdeutscher Beobachter", bekannt auch für andere vor Zynismus triefende Artikel, schrieb am 7. 5. 1935 (Abendausgabe):
"Pauline hatte Pech - Ernste Bibelforscher vor Gericht.
Berlin, 7. Mai (Eigene Meldung).
Pauline aus der Linienstraße in Berlin hatte sich in den Kopf gesetzt, die sündige Menschheit zu bekehren. Sie war aktives Mitglied bei den 'Ernsten Bibelforschern' und hatte als solche - wie sie bekundet - direkten Auftrag von Jehova.
Sie ging tagein tagaus treppauf treppab, klopfte an alle Türen und erklärte überall:
'Entschuldigen Sie, ich komme im Namen Jehovas, um das Jüngste Gericht zu verkünden … 'Die sündige Menschheit aber hatte für Paulines Bekehrungsversuche so wenig Verständnis, dass man der armen Pauline die Tür meist vor der Nase zuschlug.
Da sich aber die staatlichen Stellen schon vorher für jene bedauernswerten Menschen, die noch immer die Bibel zu erforschen suchen weit mehr interessierten, und sie weiteren Bemühungen in dieser Richtung durch Verbot dieser staatsgefährlichen Sekte enthoben, ist es Pauline nun endlich gelungen, Menschen zu finden, die ihre Vorträge geduldig über sich ergehen lassen: die Mitglieder des Berliner Sondergerichts.
Ein beherzter Mann nämlich hatte damals im November, als Pauline ihre Streifzüge durch den Berliner Norden unternahm, die 'Ernste Bibelforscherin' solange bei sich behalten, bis er ihr das persönliche Zusammentreffen mit einem Kriminalbeamten ermöglichen konnte. Pauline hatte in dieser Zeit reichlich aus der Schule geplaudert, hatte von Geheimversammlungen erzählt, in denen die Bibelforscher zusammen kamen. Jetzt muss sie das alles sehr bitter bereuen. Zwei Monate hat sie bekommen. Vielleicht wird sie einsehen, dass die Erforschung der Bibel ein wenig einträgliches Bemühen ist."

 

Der Beachtung empfohlen: Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte (Buch)

Geschichte der Zeugen Jehovas (Webseite)